New York – Die schon bald mögliche Straffung der US-Geldpolitik hat die Wall Street am Donnerstag etwas belastet. Nach der gestrigen Veröffentlichung des jüngsten Sitzungsprotokolls der US-Notenbank Fed seien die Anleger «verständlicherweise besorgt», kommentierte ein Marktstratege die Kursentwicklung. Dieses hatte offen gelegt, dass die Währungshüter bei einer günstigen wirtschaftlichen Entwicklung schon im Juni die Zinsen anheben könnten – dann würden Aktien gegenüber Anleihen unattraktiver.
Nach zwischenzeitlich deutlicheren Verlusten notierte der Dow Jones Industrial zum Schluss 0,52 Prozent tiefer bei 17’435,40 Punkten. Damit bleibt er auf Jahressicht nur knapp im Plus. Am Vortag hatte das Fed-Protokoll den New Yorker Leitindex noch kalt gelassen. Auch die anderen US-Indizes zollten den Fed-Aussagen erst am Donnerstag etwas Tribut: Der marktbreite S&P-500-Index sank um 0,37 Prozent auf 2040,04 Punkte und der technologielastige Auswahlindex Nasdaq 100 verlor 0,52 Prozent auf 4315,58 Punkte.
Neben dem Fed-Protokoll befeuerten die Aussagen weiterer US-Notenbanker die Erwartungen einer bald strafferen Geldpolitik. «Vieles spricht für eine Zinsanhebung im Juni», zitierte etwa die Nachrichtenagentur Bloomberg aus einem Interview mit Jeffrey Lacker, Präsident der Federal Reserve Bank of Richmond. William Dudley, der Präsident der Federal Reserve Bank of New York, hob das im zweiten Quartal anziehende Wirtschaftswachstum sowie die offenbar nachlassenden globalen Risiken hervor.
Von den jüngsten amerikanischen Konjunkturdaten kamen indes keine klaren Signale für einen baldigen Zinsschritt: Der Philly-Fed-Index, der die wirtschaftliche Aktivität in der Region Philadelphia misst, hatte sich im Mai überraschend eingetrübt. Zudem waren die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe etwas weniger zurückgegangen als erwartet. Dagegen war der Sammelindex der wirtschaftlichen Frühindikatoren im April überraschend deutlich gestiegen.
«Neben dem Empire-State-Index enttäuscht nun auch die Stimmung in Philadelphia. Damit verdichten sich Hinweise, dass die konjunkturelle Dynamik im Industriesektor auch im zweiten Quartal zu wünschen übrig lässt», kommentierte Helaba-Volkswirt Ulrich Wortberg.
Unternehmensseitig verzeichneten einige Nachzügler der US-Berichtssaison kräftige Kursausschläge. Die Aktien von Wal-Mart sprangen dank guter Zahlen um 9,58 Prozent hoch und eroberten die Dow-Spitze. Der Einzelhandelskonzern hatte im ersten Geschäftsquartal (Ende April) überraschend ein Umsatzplus geschafft. Zudem war der Überschuss trotz eines Rückgangs besser als erwartet ausgefallen. Die Anleger zeigten sich erleichtert, nachdem die Konkurrenten Target und Macy’s jüngst über einen schwachen Jahresstart berichtet hatten.
Der Softwarehersteller Salesforce erfreute den Markt mit einer angehobenen Umsatzprognose für das laufende Geschäftsjahr. Entsprechend stiegen die Anteilsscheine um 4,14 Prozent. Um 3,18 Prozent bergauf ging es für die Cisco-Titel , nachdem der Netzwerkspezialist zum Jahresauftakt ebenfalls positiv überrascht hatte.
Beim Agrarchemiekonzern Monsanto sorgte indes Übernahmefantasie für ein Kursplus von 3,52 Prozent. Ein Bayer-Sprecher hatte Gespräche bestätigt, welche zu einer Kaufofferte des Pharma- und Chemiekonzerns für die Amerikaner führen könnten. Im Falle einer Übernahme würde das deutsche Unternehmen der weltweit grösste Hersteller von Saatgut.
Die Titel der Potash Corporation of Saskatchewan zogen um 3,36 Prozent an. Der Chef des Düngemittelunternehmens habe von einer Preisstabilisierung gesprochen und sehe Verbesserungen, sagte ein Händler.
Die zwischenzeitlich schwächelnden Aktien von Tesla schlossen 1,91 Prozent im Plus. Der Elektroauto-Hersteller verkauft Aktien für 1,4 Milliarden US-Dollar, um sich Geld für den beschleunigten Produktions-Aufbau bei seinem günstigeren Wagen Model 3 zu besorgen. Einem Börsianer zufolge überraschte das aber nicht. Tesla hatte binnen weniger Wochen rund 400 000 Bestellungen für Model 3 bekommen, das Ende 2017 auf den Markt kommen soll.
Der Eurokurs litt weiter unter der Erwartung einer baldigen US-Zinsanhebung, die den US-Dollar als Anlagewährung attraktiver machen würde: Zuletzt notierte die Gemeinschaftswährung bei 1,1200 Dollar – im europäischen Geschäft war sie noch erstmals seit Ende März unter diese Marke gerutscht. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs auf 1,1197 (Mittwoch: 1,1279) US-Dollar festgesetzt. Der Dollar kostete damit 0,8931 (0,8866) Euro. Richtungweisende zehnjährige US-Staatsanleihen stiegen um 2/32 Punkte auf 97 31/32 Punkte und rentierten mit 1,85 Prozent. (awp/mc/upd/ps)