Kommentar: Apple Pay ist viel wichtiger als die neuen Hardware-Gadgets
Wie immer hat Apple bei Neuankündigungen weltweit eine riesige Aufmerksamkeit erzielt, diesmal mit den neuen iPhones 6 und der Apple Watch. Fast unbeachtet im Getöse um die neuen Gadgets fand aber diejenige Ankündigung statt, die das Potential hat, eine mittelgrosse Revolution zu starten: Das neue Bezahlsystem Apple Pay.
Von Helmuth Fuchs
Die Gründe für die stiefmütterliche Aufnahme der Ankündigung des Bezahlsystem sind vielfältig. Zum einen sind daran bisher praktisch alle anderen, wie zum Beispiel Google (Google Wallet) gescheitert, zum andern gab es bis anhin keine durchgängig einfachen und sicheren Lösungen. Waren sie sicher, waren sie zu kompliziert, waren sie einfach, waren sie zu unsicher. Da blieb man doch lieber gleich bei Kredit- und anderen Karten, sehr zur Freude der Kartenanbieter und Banken.
(Un)endlich einfach und trotzdem sicher
Mit der neuen Lösung eröffnet Apple eine neue, einfache und sichere Möglichkeit. Einfach, da man zum Beispiel seine Kreditkarten im Apple Passbook ablegen und ohne Öffnen einer eigenen App einfach über den Fingerabdruck-Scan via Touch-ID bezahlen kann. Kein Eintippen von IDs, Codes oder PINs. Man muss nicht einmal das Telefon entsperren. Geschickterweise hat sich Apple die Kartenhersteller nicht zu Feinden, sondern zu Verbündeten gemacht, indem die Karten in den Prozess als Bezahlmittel mit eingebunden werden. Dass kommende Generationen sich von den Kreditkarten schon mehrheitlich verabschiedet haben (vergleiche Link unten), kommt zukünftig wiederum Apple zugute. Mit iTunes haben schon hunderte von Millionen Benutzern eine finanzielle Bindung an Apple und bieten hier ein Potential an künftigen Benutzern des neuen Bezahlsystems. Neu kann sich Apple auch alle Anwender zugänglich machen, die sich mit den hohen In-App-Gebühren von iTunes nicht anfreunden konnten. Bezüglich Sicherheit wird sowohl seitens der Hardware vorgesorgt (Zahlungsinformationen werden ausschliesslich in einem eigens dafür vorgesehene Chip verarbeitet, dem Secure Element Chip M8) als auch dadurch, dass keine eigentlichen inhaltlichen Daten der Transaktion (Kreditkartennummer, Name des Käufers etc.) bei Apple gespeichert werden.
Durch die Anwendung zur Hardware
Immer häufiger sind Anwendungen ausschlaggebend für die Wahl der Hardware. Wenn Grösse, Bildschirmqualität, Kamera etc. vergleichbar sind, ist oft entscheidend, welche der dringend benötigten Anwendungen am besten unterstützt wird von welchen Plattformen und Geräten. Genau hier könnte Apple Pay die Bindung zum iPhone massiv fördern. Falls das Bezahlsystem sich auch ausserhalb der USA breit macht (und die Schweiz könnte einer der ersten Märkte für dieses Angebot werden), wäre das zum Beispiel für mich der bisher einzige Grund, mich von meinem iPhone 5 zu trennen und auf das iPhone 6 zu wechseln. Auch die neue Apple Watch wird funktionsmässig schon als Bestätigungs-Device für Einkäufe eingebunden. Auf diesem Hintergrund erstaunt die an den Tag gelegte demonstrative Gelassenheit von Exponenten der Uhrenindustrie ein wenig, die offenbar immer noch der Meinung sind, die Apple Watch sei primär eine Uhr.
Bislang ist kein Unternehmen einer praxistauglichen und breit abgestützten Lösung des «digitalen Portemonnaies» nur annähernd so nah gekommen wie Apple. Sollte sich die Lösung in den kommenden Jahren durchsetzen, wird Apple wieder einmal eine grundlegende Veränderung gelungen sein. Wenn nicht, gibt es immer noch die neue Generation von iPhones, welche dem Unternehmen Milliarden-Einnahmen sichern wird.