ABB und Novartis: Eigenartige Informationspolitik wirft Fragen auf
Vertrauensbildende Massnahmen wären gefordert. Doch ABB und Novartis strapazieren mit ihrer Informationspolitik die Nerven der Anleger – und nehmen die Gleichbehandlung der Aktionäre nicht ganz ernst.
Von Franziska Hügli
Die Anleger müssen sich gegenwärtig nicht nur mit einem Wechselbad der Gefühle abfinden. Sie werden auch durch die Informationspolitik der Unternehmen arg gefordert. So hat ABB am Dienstag in sehr eigenartiger Weise den Markt verschreckt: Der Konzern beantragte völlig überraschend die Aussetzung des Handels zwischen 11.00 und 12.00 und teilte mit, Martin Ebner trete per sofort aus dem Verwaltungsrat aus. Männiglich konnte nach dieser Mitteilung davon ausgehen, dass während des Handelsunterbruchs noch mitgeteilt würde, wem Martin Ebner sein fast 10 Prozent schweres Aktienpaket verkauft hat. Doch nichts dergleichen folgte.
Unübliches VorgehenIn der Schweiz ist dieses Vorgehen unüblich. Die Anleger können davon ausgehen, dass Informationen wie Rücktritte meist nach Börsenschluss – seltener vor dem Sitzungsbeginn – kommuniziert werden. Diese Usanz macht Sinn, denn der Anleger hat dann genügend Zeit, die Information zu sichten und zu verarbeiten, um gegebenenfalls reagieren zu können.
Kam es mit Ebner zum Eklat?Es muss schon sehr gute Gründe geben, um von dieser Usanz abzuweichen und mitten am Tag den Handel zu unterbrechen. ABB hat den Anlegern diese Gründe gestern nicht geliefert. Aus der Pressemitteilung geht nicht hervor, weshalb die Rücktrittsmeldung unbedingt vor 17.30 Uhr kommuniziert werden musste. Kam es am Vormittag im Verwaltungsrat der ABB mit Martin Ebner zum Eklat, wie Insider vermuten? Wollte die ABB mit einer sofortigen Publikation und dem Unterbruch des Handels sofort klar machen, wer das Ruder in der Hand hatte, und Ebner keine Chance für die Darstellung seines Sachsverhaltes geben?
In Stockholm wurde gehandeltObwohl sich ABB mit dem Unterbruch des Handels grundsätzlich regeltreu verhalten hat, bleiben für die Anleger viele Fragen offen. Wenig vertrauenserweckend ist auch die Tatsache, dass die ABB-Aktien zwischen 11.00 und 12.00 ungeachtet des Unterbruchs in der Schweiz in Stockholm weitergehandelt wurden. Profis konnten so ungehindert Arbitragegeschäfte ausführen. Das Nachsehen hatten jene, die davon nichts wussten.
Novartis informiert überraschendAuch Novartis bevorzugt offenbar jene Anleger, die regelmässig einen Blick auf die gängigen Informationssysteme werfen können. Diese erfuhren am Montagvormittag völlig überraschend während der Börsensitzung, Novartis werde am Donnerstagmittag – ebenfalls während der Börsensitzung – Quartalszahlen veröffentlichen. Die Veröffentlichung von Resultaten während der Handelszeit ist nur dann erlaubt, wenn nichts Aussergewöhnliches ansteht. Damit war bereits am Montag klar: Bei Novartis ist offensichtlich alles klar – sprich im Rahmen der Erwartungen. Schon am Montag sandte der Pharmakonzern also eine Message aus, die erst am Donnerstag publik werden sollte – und dies erst noch mitten im Handel. Solches Gebaren ist zwar nicht verboten, und die Börse könnte bei Verletzung der Regeln auch selber einen Unterbruch des Handels veranlassen.
Wenig SensibilitätDoch Novartis zeigt mit diesem Vorgehen wenig Sensibilität. Dass der Bundesrat mitten in der Börsensitzung verkündete, der BVG-Mindestsatz werde gesenkt, und den Versicherungstiteln damit massive Kursavancen ermöglichte, war schon reichlich ungeschickt. Auch in diesem Fall waren all jene gut bedient, die schnellen Zugriff auf Informationen haben.
ZweiklassengesellschaftVon einem weltweit tätigen Unternehmen wie Novartis dürfte man in diesem Bereich aber mehr Fingerspitzengefühl für die Gleichbehandlung der Aktionäre erwarten. Die Börse soll gemäss Gesetz einen geordneten Handel sicherstellen. Für Image, Aktionärspflege und vertrauensbildende Massnahmen sind nach wie vor die Unternehmen selber zuständig. Wenn sie jetzt, nach schwierigen Monaten, den Eindruck erwecken, es gebe eine Zweiklassengesellschaft von Informierten und Unwissenden, dann werden sie die Privatanleger nicht nachhaltig auf ihre Seite ziehen können.