In den letzten drei Jahren hat sich die Situation hinsichtlich Bankenplattformen in der Schweiz in beeindruckender Weise geändert. Die beiden Lösungen Avaloq und Finnova haben den Markt – was Erneuerungen und Ablösungen anbelangt – faktisch unter sich aufgeteilt. Keine andere Lösung konnte einen derart starken Zuwachs verzeichnen wie diese beiden.
Lizenz, Support und Wartung
Jede Bank stellt sich im Laufe ihres Entscheidungsprozesses einmal die Frage, welche Lösung die höheren Betriebskosten hat. Die kurze Antwort lautet: Es kommt darauf an. Da der Preis von zahlreichen Faktoren abhängig ist, kann eine pauschale Antwort nur bedingt gültig sein. Betrachten wir die Situation im Detail: Entscheidet sich eine Bank für die eine oder andere Lösung, so beeinflussen vor allem das gewählte Lizenzierungsmodell, aber auch die unterschiedlichen Preismodelle von Support und Wartung die Betriebskosten. Allerdings lassen sowohl Avaloq als auch Finnova nur einen bescheidenen Verhandlungsspielraum zu. Die starke Marktposition der beiden Anbieter führt für die betroffene Bank zu Nachteilen gegenüber weniger verbreiteten Lösungen.
Kostenfalle Implementierungsprojekt
Hat sich eine Bank einmal für eine Plattform entschieden, kann das jeweilige Implementierungsprojekt sehr grosse Kosten verschlingen. 5, 10 oder sogar 20 Millionen Franken sind schnell ausgegeben, wenn es darum geht, die «Gaps» – also die Lücken zwischen dem Standard-Produkt und der Wunschvorstellung des Kunden – zu schliessen. Selbstverständlich bedient man sich dabei, wann immer möglich, einer Modellbank und profitiert so von den Investitionen einer anderen Bank. Diese lässt sich dafür eine Lizenz bezahlen, was in der Regel auch in einem vertretbaren Rahmen erfolgt. In diesem Moment wird häufig dem Umstand zu wenig Beachtung geschenkt, dass der zukünftige Unterhalt der im Implementierungsprojekt realisierten Anpassungen die Betriebskosten wesentlich beeinflusst. Das Application Management kann deshalb zum erheblichen Kostenfaktor avancieren. Hinzu kommen laufende Anpassungen im Betrieb aufgrund von Gebührenmodellen, regulatorischen Anforderungen und anderen häufig auftretenden Veränderungen.
Die Krux beim Change und Release Management
Noch bedeutender bezüglich Kosten ist das Change und Release Management. Avaloq und Finnova unterscheiden sich in diesem Punkt sehr deutlich. Bei Finnova dominieren kleine, dafür häufige Servicepacks, welche den Aufwand des Application Managements signifikant erhöhen. Weil mit der hohen Kadenz von Servicepacks das Testen nicht im gewünschten Umfang möglich ist, kommt es bei der Inbetriebnahme oft zu Fehlern und Störungen. Bei Avaloq ist die Situation gerade umgekehrt: Das Unternehmen bündelt die Patches weitgehend in rund vier jährlich ausgelieferten Servicepacks. Diese bringen derart grosse Veränderungen mit sich, dass die Banken mit hohen Kosten auf dem Niveau eines Implementierungsprojektes konfrontiert werden. In zwei konkreten Mandaten haben wir diesen Umstand so gelöst, dass der Betriebspartner die Besitzstandwahrung der bisherigen Funktionalität zu einem Fixpreis garantieren muss. Verglichen mit dem Standard eines SAP R/3, der sich im Industriesektor sehr erfolgreich durchgesetzt hat und auch heute noch eine sehr robuste Plattform darstellt, sind weder Avaloq noch Finnova eigentliche Standardlösungen.
Allianzen attraktiv für kleine Banken
Im Gegensatz zu den Lösungen von Bankenkooperationen wie dem «IBIS» von RTC haben Avaloq und Finnova jedoch den grossen Vorteil der freien Verfügbarkeit am Markt. Sie können Allianzen mit Implementierungspartnern und Outsourcing-Anbietern eingehen und mit diesen zusammen ASP-Modelle (Application Service Providing) oder Mandantenlösungen an den Markt bringen, was wiederum den Markterfolg verstärkt. Dies führt gerade bei kleineren Banken zu attraktiven Betriebskosten. Hier hat gegenwärtig Finnova die Nase vorn: Bereits über 20 Banken lassen ihr Corebanking-System in zwei unterschiedlichen Mandantengruppierungen (Esprit, Säntis) betreiben. Die Applikationslandschaft einer Bank besteht wohl gemerkt nicht nur aus der Corebanking-Lösung. Ein wesentlicher Kostenfaktor eines Implementierungsprojekts ist die Integration oder Migration der Umsysteme, welche die gewünschte Funktionalität zusammen mit Avaloq oder Finnova optimal abbilden. Idealerweise sollte eine Bank die Anzahl ihrer Umsysteme reduzieren, da die entsprechenden Funktionen zukünftig direkt in die Corebanking-Lösung integriert werden können. Wer zukünftig auf mehr Zuspruch bei den Banken stösst, wird wesentlich davon abhängen, wer schneller und überzeugender die Umsysteme in das Corebanking-Portfolio integrieren kann.
(Active Sourcing/mc/hfu)
Active Sourcing
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