von Christa Spoerle
Herr Fritschi, Bell wurde letztes Jahr 140 Jahre alt, aber erst unter Ihrer Ägide wurde die Auslandsexpansion vorangetrieben, was war der Auslöser?
In der Schweiz können wir kaum mehr wachsen. Zudem rechnen wir damit, dass die Grenzen für Lebensmittel sich früher oder später öffnen werden. Deshalb haben wir einen überlegten Schritt ins Ausland vollzogen.
Wann erwarten Sie denn die Liberalisierung?
Gemäss Fahrplan vom Bundesrat ist mit einer schrittweisen Öffnung ab 2014 zu rechnen.
Wie gut sind die Akquisitionen in Deutschland und Frankreich bereits integriert?
Wir sind auf gutem Weg und haben bereits die internationale Organisation festigen können.
Ist Ihr Akquisitionshunger schon gestillt, oder darf es noch ein bisschen mehr sein, unter welchen Bedingungen und in welcher Richtung?
Wir führen unsere Internationalisierungsstrategie konsequent weiter und verstärken unsere Geschäftsfelder gezielt über die bestehenden Brückenköpfe im Ausland. Zusätzliche Akquisitionen sind daher durchaus möglich.
Welche neuen Märkte machen Ihnen Appetit? Österreich oder zum Beispiel auch Italien?
Das sind tatsächlich noch relativ weisse Flecken bei uns. Wir haben aber auch bei unseren bestehenden Märkten noch Potenzial.
Ist ein Auslandanteil am Umsatz von 30% Ihre oberste Grenze›?
Wir haben uns diesbezüglich keine Grenzen oder Ziele gesetzt.
Wo sind ihre Margen höher, im Ausland oder in der Schweiz?
Das kann man so nicht vergleichen. Der Leistungs- und Sortimentsmix ist zu unterschiedlich.
Spüren Sie die Auswirkung der Krise auf den Fleischkonsum, oder nur in der Auswahl der Fleischsorten?
In der Schweiz gibt es Verschiebungen zu den günstigeren und zu den teureren Sortimenten zu Lasten der mittelpreisigen. Der Gesamtkonsum ist nach unseren Schätzungen stabil, mit leichten Abstrichen im Ausserhauskonsum.
«In der Schweiz gibt es Verschiebungen zu den günstigeren und zu den teureren Sortimenten zu Lasten der mittelpreisigen.»
Entwickelt sich der Schweizer Verbrauch anders als der ausländische?
Im Ausland werden statistisch gesehen pro Kopf deutlich mehr Fleisch und Fleischwaren konsumiert als in der Schweiz.
Werden die Goodwill-Abschreibungen im zweiten Halbjahr in etwa die gleiche Höhe erreichen, wie im ersten (rund 8 Mio CHF)?
Wir schreiben linear ab, daher bleibt die Höhe in etwa gleich.
Wie sehen Ihre Investitionspläne im neuen Jahr aus?
Wir haben in den letzten Jahren sehr viel investiert und sind heute sehr gut aufgestellt. Am Standort Oensingen werden Kapazitätserweiterungen und am Standort Zell Investitionen in die Logistik notwendig.
Welchen Einfluss übt Grossaktionär Coop (66,76%) auf ihre Geschäftspolitik aus?
Unser Hauptaktionär verfolgt die gleichen Interessen wie die Minderheitsaktionäre: den Wert der Unternehmung nachhaltig steigern.
Herr Fritschi, welches Fleisch essen Sie am liebsten?
Am liebsten schön rosa gebratenes Roastbeef und Bell-Würstli.
Zur Person:
Adolphe R. Fritschi, Jahrgang 1950, leitet seit 1994 als CEO die Geschicke der Bell Gruppe. Er ist als Eidg. Dipl. Metzgermeister, dipl. Kaufmann und Techniker der Fleischwirtschaft ausgebildet. Bis 1993 war er CEO der Neue Fleisch AG, Schaffhausen. Zuvor hatte er verschiedene leitende Funktionen bei der Micarna SA, Courtepin, inne.
Zum Unternehmen:
Bell ist der grösste Schweizer Fleischverarbeiter. Das Angebot umfasst Fleisch, Geflügel, Charcuterie, Seafood und Convenience-Produkte. Zu den Kunden zählen der Detail- und Grosshandel, die Gastronomie sowie die Lebensmittelindustrie. Wichtigster Kunde und Aktionär ist Coop Schweiz. In Europa gehören die französische Groupe Polette sowie die deutschen Unternehmen ZIMBO und Abraham zur Bell Gruppe. Über 6’000 Mitarbeiter erwirtschafteten 2008 einen konsolidierten Umsatz von 1,94 Mrd. CHF. Bell ist an der Schweizer Börse kotiert.