Von Radovan Milanovic
Moneycab: Auch 2007 konnte Bell ein ausgezeichnetes Resultat ausweisen und die Analystenerwartungen übertreffen: EBIT +25%, Jahresgewinn +28.8% auf 72,6 bzw. 56,6 Millionen Franken. Im vergangenen Jahr konnten Sie zudem den Nettoerlös und den Cash Flow je um 9,4% und die Rentabilität des Eigenkapitals von 9,9% auf 11,8% steigern, obwohl Sie 49,6 Millionen Franken oder +20,7% höhere Investitionen getätigt haben. Was war das Rezept für diesen Erfolg?
Adolphe R. Fritschi: Wir haben die positive Konsumstimmung optimal nutzen können und die Volumen deutlich gesteigert. Vor allem der Geschäftsbereich Geflügel hat an die sehr erfolgreiche Zeit vor der Vogelgrippe anknüpfen können. Darüber hinaus haben unsere neuen Frischfleischwerke die erwartete Leistungssteigerung erbracht. Und nicht zuletzt finden unsere modernen Sortimente aus den Bereichen Convenience und Seafood grossen Anklang bei unserer Kundschaft.
Für 2008 sind Sie wegen der Euro 2008 zuversichtlich, denn Sie haben in den Public Viewing Arenen der UBS in mehreren Städten das Catering bestritten. Sie rechnen deshalb mit einem realistischen Mehrumsatz von 15 Millionen Franken. Das sind rund 9% Ihres Jahresumsatzes von 2007 in drei Wochen. Waren Sie auch Exklusivlieferant für andere Anbieter von Fleischprodukten in und um den Stadien der Euro 2008? Falls ja, wie hoch schätzen Sie diesen Umsatz? In welchem Masse dürfte die Euro 2008 Ihren Jahresgewinn für 2008 beeinflussen?
Die EURO 2008 war von unserer Seite her bestens vorbereitet. Prognosen wollen und können wir keine machen.
Als Laie ist es schwierig zu verstehen, wieso nur die Rinderdärme aus Brasilien für unsere Nationalwurst, den Servelat geeignet sind. Aus Gründen der Rechtsgleichheit mit EU-Staaten ist die Einfuhr nicht mehr erlaubt. Sind Därme aus Uruguay gleichwertig? Werden die Servelat Geniesser einen Unterschied merken?
Vorläufig haben wir noch genügend Wursthüllen; auch für die laufende Grillsaison. Die Verarbeitungsqualität kann je nach Provenienz variieren. Wir setzen aber alles daran, eine gleichbleibende Qualität sicherzustellen.
Bei den Umsätzen in 2007 vermeldeten Sie bei Geflügelfleisch einen Umsatzzuwachs von +28,1%, bei Convenience Food +14.8% und bei Seafood +22.0%. Sehen Sie neue Trends in den Essgewohnheiten in der Schweiz?
Dies sind Trends, die wir vorausgesehen haben. Sie werden von der demographischen Entwicklung und vor allem von der guten Konsumentenstimmung gestützt. Trends gibt es immer viele. Für uns werden sie relevant, wenn sie eine gewisse Nachhaltigkeit versprechen.
«Vorläufig haben wir noch genügend Wursthüllen, auch für die laufende Grillsaison. Wir setzen aber alles daran, eine gleichbleibende Qualität sicherzustellen» Adolphe R. Fritschi, CEO Bell Holding AG
Im vergangenen Jahr verteuerten sich die Rohmaterialien um 6%. In 2008 dürften diese Kosten weiter anziehen. Wie stehen Sie diesem Problem gegenüber? Können Sie die Mehrkosten wenigstens teilweise durch Produktionssteigerungen auffangen?
Wir haben in den letzten Jahren sehr viel in Produktivitätsverbesserungen investiert und haben das weitgehend ausgereizt. Nun sind wir mitten im grössten Teuerungsschub bei Rohstoffen und Zusatzmaterial, den wir je gesehen haben. Naturgemäss können wir die Kosten nicht im gleichen Rhythmus überwälzen. Die gute Konsumstimmung und die dadurch höhere Nachfrage helfen uns etwas in dieser schwierigen Situation.
Bis zu welchem Grad können Sie die Mehrkosten auf die Produktpreise überwälzen? Und mit welchen Mehrkosten bei den gebräuchlichsten Fleischprodukten dürfte der Konsument in 2008 rechnen?
Gewisse Preisanpassungen sind schon wirksam. Die Preisentwicklung muss aber Sortenspezifisch betrachtet werden und kann nicht generell beziffert werden. Vorläufig werden die Preiserhöhungen von den Konsumenten akzeptiert und die Bauern freuen sich über Rekordpreise. Wir hoffen auf eine leichte Entspannung im Herbst.
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Sie sprechen sich sehr klar für ein Agrar-Freihandelsabkommen mit der EUR aus. Was beinhaltet dieses Abkommen? Was würde ein solches Abkommen für die Fleischproduzenten, also die Schweizer Bauern bedeuten?
Über ein Agrar-Freihandelsabkommen mit der EU wurde und wird auch künftig viel diskutiert werden. Wir befürworten grundsätzlich solch ein Abkommen weil die Schweizer Volkswirtschaft insgesamt davon profitiert. Wir rechnen bei einem Abkommen zwar mit gewissen Einbussen, sehen aber auch Chancen im Exportgeschäft.
Bell will in 2008 im Ausland durch Firmenkäufe expandieren. Ihre Qualitätsprodukte haben jedoch ihren Preis. Lebensmittel im höheren Preissegment reagieren elastisch auf konjunkturelle Entwicklungen. Wie stellen Sie sich dazu? Wird die geplante Expansion durch eigene Mittel finanziert?nbsp;
Wir haben uns eine hohe Eigenkapitaldecke erarbeitet und können eine Expansion durch eigene Mittel finanzieren. Abenteuer wollen wir keine eingehen. Wir suchen und finden Rosinen, die uns auch langfristig Freude bereiten.
Mit Bell Catering, welche im vergangenen Jahr 15.8% an Umsatz zugenommen hat und einen immer wichtigere Geschäftssparte entwickelt, beliefern Sie auch die Swiss. Haben Sie die Dienstleistungen weltweit tätigen Gate Gourmet, welcher der Compass Group gehört, wahrgenommen? Sind auf dem Weg, auch andere Airlines beliefern zu können?
Bell Catering hat mit dem Swiss-Auftrag nichts zu tun. Bell Convenience ist Zulieferer von Sandwiches für die Airline. Wir haben und planen keine Airline-Cateringaktivitäten.
Was ist die Strategie von Bell für 2008 und die folgenden Jahre?
Die gleiche wie bisher: jeden Tag Top-Leistungen erbringen und unsere Kunden und Konsumenten begeistern sowie das in uns gesetzte Vertrauen immer wieder bestätigen. Das klingt langweilig, hat uns aber zu dem gemacht, was wir heute sind: die Schweizer Nummer 1.
«Wir haben uns eine hohe Eigenkapitaldecke erarbeitet und können eine Expansion durch eigene Mittel finanzieren. Abenteuer wollen wir keine eingehen»
Mindestens 70% Ihrer Aktien sind in festen Händen. Gehen Sie davon aus, dass in Zukunft ein grösserer Freefloat stattfinden wird?
Über eine Erhöhung des Freefloat entscheidet unser Hauptaktionär Coop.
Die Bell-Aktie wird zu einem geschätzten 2008 Kurs-/Buchwert von 1.40 und einem erwarteten 2008 P/E von rund 12.0 gehandelt. Auch während der grossen Börsenkorrektur bewegte sich die Aktie nur marginal. Anderseits ging auch die Erholung in diesem Jahr fast spurlos an der Aktie vorbei. Sehen Sie Ihre Aktie fair bewertet?
Wie die Aktie bewertet wird, entscheidet schlussendlich der Markt. In den letzten Jahren hat eine deutliche Korrektur stattgefunden, welche die Bewertung sicherlich zurechtgerückt hat. Die Bell Aktie ist ein solider Wert mit viel Substanz.
Der Gesprächspartner
Herr Adolphe R. Fritschi ist Schweizer und ist eidg. dipl. Metzgermeister; dipl. Kaufmann sowie dipl. Fleischtechnologe (Kulmbach, Deutschland). Er übte bei Micarna SA, Courtepin leitende Funktionen aus wie Marketingleiter zwischen 1984 bis 1989, Assistent des Geschäftsleiters von 1980 bis 1983 und Verantwortlicher QM und Entwicklung von 1978 bis 1979. Ab 1990 bis 1993 leitete er als CEO die Neue Fleisch AG, Schaffhausen. 1993 kam er zu Bell und ist seit 1994 CEO der Bell Holding AG sowie Leiter GB Convenience.
Zudem hält Herr Adolphe R. Fritschi Verwaltunsratsmandate bei Cetravo AG, Zürich und der Gesellschaft für Vieh- und Fleischimport International AG (GVFI), Basel.
Das Unternehmen
Die Bell Gruppe ist das grösste Unternehmen der Schweizer Fleischwirtschaft. Das Angebot umfasst Fleisch, Geflügel, Charcuterie, Seafood und Convenience-Produkte. Zu den Kunden gehören der Detail- und Grosshandel, die Gastronomie sowie die Lebensmittelindustrie. Rund 3’300 Mitarbeiter erwirtschafteten 2007 einen konsolidierten Umsatz von 1,64 Mrd. CHF. Die Bell Gruppe ist an der Schweizer Börse kotiert. Mehrheitsaktionär ist Coop mit einem Anteil von rund 60 %.