Affäre Gaddafi: Alles möglich für Max Göldi

Er betonte, dass Göldis Schicksal von den Gerichten abhängig sei. Das libysche Justizsystem sei unabhängig: «Die Gerichte entscheiden, nicht wir.» Aldredi schloss nicht aus, dass Staatschef Muammar Gaddafi den Schweizer begnadigen könnte. Er könne aber dazu nicht weiter Stellung nehmen.


Schweiz soll Verhandlungen verweigert haben
Der Botschafter las eine schriftliche Erklärung vor, in welcher die libyschen Schritte seit Beginn der Krise gerechtfertigt werden und in welcher die Schweiz beschuldigt wird, Verhandlungen verweigert zu haben. Die Beziehungen zwischen der Schweiz und Libyen könnten unter vier Bedingungen normalisiert werden, sagte der Botschafter. Dazu gehörten die Einsetzung einer internationalen Schiedskommission und die Verurteilung der Verantwortlichen der Festnahme von Hannibal Gaddafi.


Schlichtung in Den Haag? 
Ausserdem fordere Libyen eine seriöse Untersuchung zu den in der «Tribune de Genève» veröffentlichten Polizeifotos von Hannibal Gaddafi. Schliesslich und endlich müssten auch die Visa-Restriktionen gegenüber libyschen Bürgern aufgehoben werden. Zur Schiedskommission präzisierte Aldredi, dass diese aus drei Vertretern von Drittstaaten bestehen und von einer unabhängigen Persönlichkeit geleitet werden sollte. Sei innert 30 Tagen keine Einigung möglich, müsse der Internationale Gerichtshof in den Haag mit der Auswahl betraut werden.


Abkommen durch Schweiz sistiert
Die Einsetzung einer Schiedskommission war Bestandteil des Abkommens, das der damalige Bundespräsident Hans-Rudolf Merz im August 2009 in Tripolis ausgehandelt hatte. Im November 2009 sistierte der Bundesrat das Abkommen nach der Verschleppung Göldis und des inzwischen in die Schweiz zurückgekehrten Rachid Hamdani an einen unbekannten Ort. Libyen verweigere systematisch jede Zusammenarbeit, lautete die Begründung.


Libysche Promis bleiben im Schengenraum aussen vor
Aldredi verlas anschliessend eine Liste mit den Namen von rund 30 führenden libyschen Persönlichkeiten, denen auf Schweizer Betreiben hin Schengen-Visa verweigert worden seien. Hinzu kämen etwa 150 weitere libysche Bürger, denen die Einreise in den Schengen-Raum verweigert worden sei. Zu den Betroffenen gehörten zehn Mitglieder der Familie Gaddafi, die Minister für Äusseres, Verteidigung, Gesundheit, Kommunikation sowie der Präsident der UNO-Vollversammlung, der Opec-Generalsekretär und zahlreiche hohe Beamte der erwähnten Dienststellen.


«Grosse Beleidigung»
Die Einreiseverweigerungen seien politisch bedingt und stellten für die Betroffenen «eine grosse Beleidigung» dar. Dieses Vorgehen habe die Beziehungen zwischen der Schweiz und Libyen verschlechtert. Aldredi wiederholte die libysche Forderung, diese «schwarze Liste» zu annullieren. Der libysche Staat hatte auf die Einreiseverweigerungen mit der Ankündigung reagiert, seinerseits Visa-Gesuche von Bürgern aus dem Schengen-Raum abzulehnen.


«Dschihad»-Aufruf wenigstens keine Kriegserklärung
Zu Gaddafis «Dschihad»-Aufruf gegen die Schweiz nahm der Stellvertreter des Botschafters Stellung. Es handle sich hierbei nicht um eine «Kriegserklärung», sagte er. Es gebe verschiedene Dschihad-Formen. Zum wirtschaftlichen Boykott-Aufruf Libyens gegen die Schweiz sagte er, dieser habe einen anderen Hintergrund. Dieser Aufruf sei eine Antwort auf das schweizerische Minarett-Bauverbot.


Schweiz weist libysche Vorwürfe «in aller Form» zurück
Die Schweiz hat in der Affäre Gaddafi die vom libyschen UNO-Botschafters in Genf gemachten Vorwürfe «in aller Form» zurückgewiesen. Das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) reagierte ungewöhnlich scharf auf die jüngsten Anwürfe der Libyer. «Die Schweiz weist die öffentlich gemachten Vorwürfe Libyens in aller Form zurück», hiess es in einer Erklärung des EDA vom Donnerstag. Zudem habe die Schweiz «ihre bisherigen Vereinbarungen mit Libyen stets eingehalten». 


Schweiz rechnet mit Unterstützung durch EU
Die Schweiz sei «nach wie vor verhandlungsbereit und bestrebt, mit diplomatischen Mitteln und gemeinsam mit Libyen eine konstruktive Lösung zu finden», hiess es. Zugleich machte das EDA klar, dass die Schweiz in der Affäre Gaddafi mit der Unterstützung der EU rechnen kann: In ihren Bemühungen werde die Schweiz «insbesondere von der spanischen EU-Ratspräsidentschaft und Deutschland unterstützt». (awp/mc/ps/19) 

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