Affäre Gaddafi: Bundesrat geht gegen Indiskretionen vor
Nachdem Bundespräsidentin Doris Leuthard das Informationsleck bereits aufs Schärfste verurteilt hatte, erhob der Bundesrat nun eine Anzeige, wie Bundesratssprecher André Simonazzi am Donnerstag vor den Medien in Bern sagte. Damit befassen wird sich nun die Bundesanwaltschaft: Die Strafanzeige sei eingegangen, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft auf Anfrage. Es handle sich um eine Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung (Art. 320 StGB) gegen Unbekannt.
Wie weit waren die Pläne fortgeschritten?
Leuthard hatte die Pläne für eine mögliche gewaltsame Befreiungsaktion am vergangenen Montag bestätigt. Dem Gesamtbundesrat waren diese erst Anfang 2010 bekannt geworden. Auf weitere Fragen ging Leuthard damals nicht ein. Offen bleibt, wie weit fortgeschritten die Pläne waren, welche Einheiten involviert gewesen wären und welche Mitglieder des Bundesrates wann darüber informiert wurden. Dazu schweigt der Bundesrat weiterhin: Simonazzi bekräftigte am Donnerstag, dass der Bundesrat sich nicht weiter äussern werde.
Parteien schlachten unklare Informationslage aus
Ein gefundenes Fressen war die offene Informationslage für die Parteien. So hatte etwa die SVP in einer Reaktion auf Spekulationen verlangt, das Armee-Aufklärungsdétachement 10 (AAD 10) sei abzuschaffen. Die Elitetruppe hätte womöglich die Befreiungsaktion durchführen können. Allein durch ihre Existenz stelle die Truppe eine «Gefahr für den Staat» dar, begründete die SVP ihre Forderung. Nicht einverstanden mit dem Plan ist indes SVP-Bundesrat und Verteidigungsminister Ueli Maurer. Spezialeinheiten gehörten zu einer modernen Armee, sagte er am Donnerstag. Die Schweiz wolle eine Truppe, die in der Lage sei, Schweizer im Ausland zu evakuieren. «An diesem Grundsatz hat sich nichts geändert.»
AAD 10-Teilnahme nicht bestätigt
Ob das AAD 10 Teil der Pläne zur Befreiung der Libyen-Geiseln war, ist weiter offen. Maurer nahm dazu nicht Stellung: All diese Fragen unterlägen der Geheimhaltung, sagte er. Auch eine Frage dazu, ob Maurer von seinem Armeechef über die Pläne zur Geisel-Befreiung informiert wurde, beantwortete der Verteidigungsminister nicht.
Merz vor GPK-Subkommission
Licht ins Dunkel der Affäre könnte eine Subkommission der ständerätlichen Geschäftsprüfungskommission (GPK) bringen. Am Donnerstagnachmittag stand ihr Finanzminister Hans-Rudolf Merz während zwei Stunden Rede und Antwort. Nach Merz betrat der Genfer Regierungspräsident François Longchamp das Kommissionszimmer. Der Inhalt der Anhörungen sei vertraulich und fliesse in den Schlussbericht ein, sagte der Präsident der Subkommission, Ständerat Peter Briner (FDP/SH), im Vorfeld. Es würden alle Aspekte der Affäre ausgeleuchtet. Geplant seien Anhörungen mit verschiedenen Bundesratsmitgliedern. (awp/mc/pg/30)