In der Evolutivklausel des Mitte 2002 in Kraft getretenen Abkommens erklären die Schweiz und die EU ihre Absicht, auf eine harmonische Entwicklung der gegenseitigen Agrarhandelsbeziehungen hinzuarbeiten. Sie verpflichten sich darin, den Handel regelmässig zu überprüfen, zu verhandeln und weiter zu liberalisieren.
«Schock» für die schweizerische Landwirtschaft
Wie SBV-Präsident Hansjörg Walter vor den Medien in Bern ausführte, käme ein Freihandelsabkommen für die schweizerische Landwirtschaft einem «Schock» gleich und könnte politisch per Referendum in eine Sackgasse führen. Vor weiteren Liberalisierungen sollten «subito» die Handelshemmnisse abgebaut werden.
Schaffung von Reservefonds wird geprüft
Der Äufnung eines Reservefonds von 3,2 Milliarden bis 2016 zur Abfederung der Folgen eines Agrarfreihandels, den der Bundesrat am Mittwoch in Vernehmlassung gegeben hat, opponiere der SBV nicht, sagte Walter. Denn auch der bäuerliche Gegenvorschlag hätte Kostenfolgen. Das Bundesratsprojekt werde jetzt genau geprüft.
Massive Verdienst-Einbussen
Laut einer SBV-Studie würde die vorerst gescheiterte Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) bis 2016 den heutigen Arbeitsverdienst der Landwirte auf 30 Prozent senken, das Abkommen mit der EU auf 50 Prozent, die Agrarpolitik 2011 nur auf 75 Prozent. Trotzdem sei der SBV nicht gegen multilaterale Abkommen. Freihandelsverträge müssten indessen für die Bauernfamilien «tragbar» sein, betont der SBV. Es bestehe das Risiko, dass die Schweiz ihre Agrar- und Direktzahlungspolitik jener der EU anpassen müsste. Die strengeren Regelungen für Ökologie und Tierwohl und die Selbstbestimmung in der Lebensmittelversorgung fielen dahin.
Chancen bei Spezialitäten und Produkten mit hohem Verarbeitungsgrad
Die schweizerischen Bauernbetriebe seien kleiner als die europäischen, die schweizerische Topografie sei nur selten flach und die gesetzlichen Vorschriften seien streng, sagte Walter. Zudem produzierten die Landwirte in einem Hochkostenland. Sie hätten bei vielen Produkten keine Chance gegen die Konkurrenz aus dem Ausland. Dies gelte insbesondere für den Pflanzenbau, wo Swissness oder höhere Qualität nicht ersichtlich seien, sagte Walter. Chancen gebe es dagegen bei Spezialitäten und Produkten mit hohem Verarbeitungsgrad, bei denen Schweizer Qualität als Verkaufsfaktor wirke. Davon profitierten aber die Industrie und der Handel.
Fleischwirtschaft fordert umfassendes Freihandelsabkommen
Die Schweizer Fleischwirtschaft hält den vom SBV vorgeschlagenen Weg auf den europäischen Markt nicht für gangbar. Die propagierte Marktöffnung würde Primärproduktion und Verarbeiter von Agrarprodukten in den Ruin treiben, schreibt der Fachverband SFF in einem Communiqué. Es brauche ein umfassendes Freihandelsabkommen.
VSIG Handel Schweiz, der Dachverband des Schweizer Handels, hält die SBV-Rezepte ebenfalls für untauglich. Der Agrarfreihandel mit der EU bleibe nach dem Scheitern der Doha-Runde der einzige Weg. Die Schweiz sei als Exportland auf den Freihandel angewiesen, Agrarfreihandel nur für Rosinen könne es nicht geben. (awp/mc/pg/30)