Alain Blancquart, VR-Präsident und CEO Esmertec: «Bereits 5 der 6 Top-Handy Hersteller haben unsere Software»

Von André Schäppi


Herr Blancquart, sagen Sie doch mit wenigen Sätzen, was von Esmertec in die Handys kommt.


Alain Blancquart: Nicht nur in die Handys. Wir entwickeln Software für bestimmte so genannte ?embedded systems?. Die Mobiltelefone sind nur eines davon. Überall, wo Produkte interaktiv genutzt werden, könnnte unsere Art von Software gebraucht werden. Wir beliefern einerseits im Gerät «eingebette» Software, die Applikation wie z.B. Spiele optimal im Gerät zum laufen bringen. Anderseits bieten wir eine sogennante «Client-Server» Lösung, die Applikationen mit einem zentralen Server verbindet. Im GPS Positioning System zum Beispiel sind viele Autos mit einem zentralen Server verbunden und werden von diesem mit Daten versorgt.


Handys entwickeln sich immer mehr zu Multimedia-Geräten und die Zahl der Nutzer ist weiterhin steigend. Das müssen sicher schon 1.5 Milliarden Benutzer sein. Goldene Zeiten für die Produkte und Dienstleistungen von Esmertec?


Eigentlich schon, denn der Markt entwickelt sich in zwei Richtungen und beide sind für uns positiv: Die erste betrifft das High-End-Segment: In gewissen Ländern wie der Schweiz oder den USA ist die Erneuerungsrate bei den Handys höher als in anderen. Und bei neuen Handy-Generationen werden einfach immer mehr Zusatzfunktionen reingepackt, seien dies 3D-speiele oder GPS-Systeme. Weil die Leute gleichzeitig auch eine längere Stromversorgung von ihrer Batterie erwarten, sind unsere Produkte immer gefragter, denn sie liefern mehr Funktionalität bei gleichzeitig geringerem Stromverbrauch. Deshalb sind wir ein gefragter Partner. Die andere Seite betrifft den Low-End-Bereich. Damit meine ich Märkte wie China oder Südamerika, die momentan eine weniger hohe Funktionalität der Handys erfordern. Aber auch die Handys in diesen Märkten verlangen einen möglichst niedrigen Stromverbrauch, denn sie sind oft weiter von Stromversorgungen entfernt oder haben einen schwierigeren Zugriff. Deshalb können wir das Know-how, das wir in den High-End-Märkten gewonnen haben, hier ebenfalls einsetzen. Und diese Märkte sind sehr interessant, denn sie entwickeln sich äusserst rasant.


Allerdings haben die grossen der Branche (also Nokia, Motorola und Samsung) offensichtlich eigene Versionen der Java Virtual Machine, also der Software, die auch von Esmertec angeboten wird. Das muss die Freude doch ein wenig trüben, oder?


Nein, nicht unbedingt. In einigen Fällen ist das noch so, in anderen hat sich das bereits geändert, denn wir sind in einem Markt, der schnellen Wandeln unterworfen ist. Auf die erwähnten Grossen bezogen: Sie haben zwar eigene Versionen, die aber für die zunehmenden Ansprüche bezüglich Funktionalität immer weniger effizient genug sind. Man muss auch wissen, dass Java ursprünglich für grosse Server mit viel Raum, genügend Hardware und einer guten Stromversorgung geschrieben wurden. Dann wurde Java abgespeckt und auf den PC gebracht. Der nächste Schritt war, dass man Java noch weiter abgespeckt und auf das Handy gebracht hat. Deshalb geben diese Versionen für heutige Anforderungen einfach nicht mehr genügend her. In Gegensatz dazu haben Esmertecs Gründer spezifische Software für Kleinstgeräte entwickelt, in der man andere Software einfach einbauen könnte.


Was können die Grossen in diesem Fall machen?


Sie können eigene neue Lösungen entwickeln. Das hat den Nachteil, dass es lange dauert, teuer ist und der Erfolg nicht garantiert ist. Oder aber, sie suchen auf dem Markt vorhandene Software, was schneller und erst noch günstiger ist. Und da kommen sie bald auf unsere Software, denn verglichen mit der Konkurrenz ist unsere Lösung einfach besser.


Und für welche der Top-Handy-Hersteller liefern Sie?


Esmertec hat im Moment um die 60 Kunden. Das zeigt schon, dass wir ein gefragter Partner sind. Bereits 5 von den 6 Top-Handy Herstellern haben unsere Software in deren Mobiltelefone.


Esmertec hat vor kurzem die 19,9%ige Beteiligung an der kalifornischen Javaground bekannt gegeben. Im Gegenzug gibt Esmertec Javaground eine Finanzspritze in Form eines Darlehens. Wozu soll das Geld eingesetzt werden?


Wir haben Javaground sehr eingehend studiert. Mit dieser Akquisition gewinnen wir die Möglichkeiten in diesem Markt Fuss zu fassen. Dabei haben wir gesehen, dass zusätzliche Mittel notwendig sind, um die hohe Geschwindigkeit der Entwicklungen, die wir als notwendig erachten, gebraucht werden. Deshalb haben wir uns zu diesem Schritt entschieden. Das heisst aber nicht, dass wir in Zukunft unseren Anteil nicht erhöhen wollen.


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Wozu soll denn die Technologie überhaupt genutzt werden?


Sehen Sie, bei den Handys hat man eine schier unüberschaubare Zahl von Variationen, das beginnt bei der Display-Grösse und endet beispielsweise bei den Key-Pads. Wenn man nun ein Spiel entwirft, muss man die Anpassungen für ein Handy von Hand machen. Da Time to Market wie z.B. für ein Spiel, das heute zeitgleich mit einem Film auf den Markt kommen soll, erfolgsentscheidend ist, sind ungeheuer schnelle Anpassungen für eben diese Plattformvielfalt notwendig. Deshalb sucht man Lösungen, die dies automatisiert machen können. Und eben in diesem Gebiet bietet Javaground Lösungen an. Das macht uns für die Filmindustrie, wie beispielsweise Disney, die einen Film, das Buch und das dazugehörige Spiel für das Handy herausbringen, interessant.


Sie haben einmal gesagt, dass Sie mit Akquisitionen eigentlich die «Van Goghs» der «embeded systems», also die weltweit besten Softwarearchitekten, an Bord holen. Auch in diesem Fall?


Ja, absolut. Wir versuchen immer wieder, die Kronjuwelen dieser Industrie zu finden. Das deshalb, weil die besten Leute der entscheidende Erfolgsfaktor sind. Deshalb nehmen wir uns viel Zeit, diese auch zu finden. Das war auch in diesem Fall so.


Seit dem Börsengang hat Esmertec mit Javaground, der französischen Cellicium und heute mit der koreanischer ESLab

innerhalb einer kurzen Zeit gleich mehrere Akquisition getätigt. Wollen Sie weiterhin in diesem Tempo wachsen?

Wir haben eine ganz klare Strategie: Wir liefern Lösungen für den Massenmarkt. Wenn wir Firmen finden, die uns zum Beispiel eine schnellere oder bessere Lösungen für unsere Märkte geben können, stehen uns verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl. Das kann eine Partnerschaft, eine Beteiligung oder eine vollständige Übernahme sein. Wir machen also keine Akquisitionen um der Akquisition willen.


Haben Sie keine Bedenken, dass ein anderes Unternehmen in die Esmertec-Märkte eindringen könnte und dasselbe zu einem günstigeren Preis anbieten könnte?


(lacht) Das ist ja der Grund, weshalb wir die besten Leute wollen. Die sind dann nicht mehr für die Mitbewerber da. Und dann bewegen wir uns schnell und entscheiden schnell. Das macht es für die Konkurrenten schwer.


Zu den Resultaten: Esmertec, erwirtschaftete 2005 gemäss vorläufigen Zahlen über 39 Millionen US-Dollar Umsatz. Dies entspricht einer Steigerung um 46 Prozent verglichen mit dem Vorjahr. Die Bruttomarge per 31. Dezember 2005 lässt manchen Hardware-Hersteller aufhorchen: Sie betrug im vergangenen Jahr voraussichtlich 65 Prozent. Im veröffentlichten «Ausblick auf das Unternehmensergebnis» wird allerdings auch festgehalten, dass Forderungen von asiatischen und europäischen Kunden ausstehend sind. Ist Esmertec der bessere Entwickler und der unvorsichtigere Buchhalter?


Nein, das kann man nicht sagen. Wir sind eine schnell wachsende Firma, was auch Risiken birgt. Wir versuchen das Risiko abzuschätzen und uns dementsprechend zu verhalten. Und trotzdem kann es vorkommen, dass sich derartige Vorkommnisse ereignen. Wir haben aber in den letzten sechs Jahren nur sehr wenige derartige Verluste gehabt, was die Sache doch auch relativiert.





Zur Person
Alain Blancquart, Jahrgang 1946, verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der IT-Branche. Er ist Gründer mehrerer erfolgreicher Unternehmen, darunter Micropro, Europe, (das Wordstar-Unternehmen) und Borland International, Europe. Ausserdem war er Vice President und General Manager bei Global Knowledge, einem der weltweit grössten unabhängigen IT-Schulungsunternehmen, und für Openwave tätig. Alain Blancquart verfügt über einen Universitätsabschluss (Bachelor of Science) in Elektrotechnik der Ecole Centrale Electronique in Paris (Frankreich). 2003 stiess zu Esmertec, das er seit August 2002 als CEO führt und seit März 2004 dessen Verwaltungsratpräsident er ist.


Über Esmertec

Esmertec ist ein führender Anbieter von Software-Lösungen für Mobiletelefone und Embedded Systems. Esmertec liefert hochleistungsfähige Lösungen in den Bereichen Mobil- und Festnetztelekommunikation, Home Multimedia, Machine-to-Machine Communication und Konsumgüterelektronik. Esmertec wurde 1999 mit Sitz in Zürich gegründet und ist seit 2005 an der Schweizer Börse kotiert. Mit 306 Mitarbeitern erzielte es 2005 gemäss vorläufigen Zahlen über 39 Millionen US-Dollar Umsatz. Als global operierendes Unternehmen hat Esmertec Niederlassungen für Entwicklung, Vertrieb und Kundenbetreuung in der Schweiz, China, Dänemark, Frankreich, Japan, Korea, Singapur, Schweden, Taiwan, Grossbritannien und in den USA.
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