Von Peter Stoeferle
Herr Rossier, vor wenigen Tagen hat die Deutsche Regierung mitgeteilt, dass skyguide weiterhin den Flugverkehr im süddeutschen Grenzgebiet sichern kann. In einem Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Deutschland soll nur die Flugsicherung durch skyguide geregelt werden. Wie wichtig ist dieser Entscheid für Ihr Unternehmen?
Das war ein positives Signal, das uns auch gefreut hat. Wir brauchen eine solide rechtliche und politische Basis um unsere Tätigkeit ausserhalb der Landesgrenzen ausüben zu können. Mit Frankreich gibt es so ein Abkommen schon seit vielen Jahren und es funktioniert für alle bestens. Die Europäische Kommission strebt mit dem «Single European Sky» ja die Schaffung von Lufträumen an, die sich nicht mehr an Landesgrenzen orientieren, sondern an den Bedürfnissen der Luftfahrt. Das heisst Harmonisierung und mehr Effizienz im Luftverkehr, deshalb ist die grenzüber-schreitende Zusammenarbeit nicht nur für skyguide wichtig, sondern für die Luftfahrt überhaupt, die Flughäfen und letztlich auch für die Schweiz, die davon einen echten Mehrwert hätten.
Noch mehr freuen würden Sie sich bestimmt, wenn skyguide Teile des deutschen, österreichischen und italienischen Luftraums nicht mehr gratis kontrollieren müsste. Der Wert dieser Arbeit beläuft sich auf 36 Millionen Franken jährlich. Erhalten Sie für diese Dienste überhaupt keine Gegenleistungen der entsprechenden Länder?
Nein, wir tragen lediglich die Kosten, die Gebühren fliessen im Fall Deutschland an die Deutsche Flugsicherung. Das ist unbefriedigend und für unsere Kunden, vor allem die Swiss, auch nicht nachvollziehbar, zumal der Aufwand für diese Gratisleistungen in unsere Gebührenrechnung einfliesst und sie somit künstlich verteuert. Die Schweiz hat dadurch heute die höchsten Flugsicherungsgebühren. Würden die Leistungen in diesen drei Länder bezahlt, zählten unsere Gebühren zu den günstigsten in Europa.
Der Flughafen Zürich will mit dem sogenannten «gekröpften Nordanflug» die Lärmbelastung im Süden des Flughafens reduzieren. Die Bewilligung des BAZL vorausgesetzt ? welche Auswirkungen hätte dieser «gekröpfte Nordanflug» auf die Arbeit von skyguide?
Es ist ein weiteres sehr aufwändiges Projekt, an dem skyguide beteiligt wird. Mit der Verlegung der Warteräumen von Deutschland in die Schweiz und dem neuen Betriebsreglement für Zürich schliessen wir demnächst den grössten und komplexesten Umbau im Schweizer Luftraum ab, der am 14. April eingeführt wird. Branchenüblich ist für ein Projekt dieser Grössenordung übrigens ein Zeitrahmen von rund 36 Monaten, wir haben es in 18 Monaten realisiert – unter Aufbietung aller verfügbaren Kapazitäten wurde hier sehr professionelle Arbeit abgeliefert und der Zeitplan der Politik eingehalten.
Der «gekröpfte Nordanflug» ist beileibe nicht das einzige was uns zusätzlich zum «daily business» aufgetragen wurde. Weitere Stichworte nur schon für Zürich sind der ILS-Anflug Piste 28 der ausgearbeitet werden muss, die Überprüfung der An- und Abflugwege, die Sanierung der Piste 16 die bevorsteht, dazu kommen eigenen Projekte wie der eines oberen Luftraums um für den Single European Sky (SES) gerüstet zu sein oder auch der Umzug von Kloten nach Dübendorf, der eine sehr grosse Herausforderung ist. Unser Projekt-Masterplan ist dicht gedrängt, er hat nicht viel Luft für weitere spontane Grossprojekte, das muss man in dieser Deutlichkeit festhalten. Nichtsdestrotz ? Unique hat die Projektleitung für den «gekröpften Nordanflug» und wir setzen uns nach Kräften dort ein, wo unser Know-how benötigt wird.
Der Bund hat skyguide einen Sparauftrag über 15 Millionen Franken für die nächsten drei Jahre verpasst. Gleichzeitig hat skyguide statutenbedingt per 1. Januar die Tarife gesenkt. Wie bringt skyguide dies unter einen Hut und wo müssen Abstriche vorgenommen werden?
Wir möchten die Einsparungen so verträglich wie möglich gestalten ? aber es muss gespart werden und dazu arbeiten wir auf zwei Ebenen. Einerseits werden wir neue Systeme einführen, welche beispielsweise die Arbeit der Radarassistenten automatisieren. Andererseits werden wir mit den Gewerkschaften auch die Frage der Löhne besprechen müssen. Wir arbeiten jedoch schon seit einiger Zeit sehr kostenbewusst, was letztlich auch zu der Tarifsenkung geführt hat.
Trotz der Tarifsenkungen gehört die Schweiz bei den Überfluggebühren, zusammen mit Grossbritannien, Belgien und Luxemburg, zu den teuersten Ländern in Europa. Woran liegt das?
Zuerst müssen wir die Situation mal skizzieren; die Schweiz ist einer der Hauptverkehrsknotenpunkte in Europa, hat einen kleinen aber sehr dicht beflogenen Luftraum, der dazu auch einer der komplexesten ist. Das birgt naturgemäss mehr Aufwand, der nur auf wenig Kilometer umgelegt werden kann. In erster Linie hat skyguide jedoch nicht ein Kosten- sondern ein Einnahmeproblem, denn wir erbringen im Ausland nach wie vor Gratisleistungen in Millionenhöhe. Zudem müssen wir Dienstleistungen erbringen, die nicht kostendeckend sind, wie beispielsweise die Regionalflugplätze. Auch hier sprechen wir von Beträgen in Millionenhöhe. Das sind alles Faktoren, die unsere Gebühren in die Höhe treiben. Im Bericht zur Luftfahrtpolitik wurde dieser Handlungsbedarf erkannt und jetzt sind Lösungen gefragt, damit die Gebühren auf ein reelles Mass gesenkt werden können.
Gut ausgebildete Fluglotsen sind Mangelware. Wie begegnet skyguide dieser Problematik und wie viele Fluglotsen fehlen Ihrem Unternehmen derzeit?
Es gibt keine kurzfristige Lösung, denn bis ein Lotse fertig ausgebildet ist, vergehen schon einmal dreieinhalb Jahre. Also hat skyguide in den vergangen Jahren so viel wie noch nie in die Ausbildung investiert und diese Anstrengungen verstärkt. Das sind Investitionen in die Zukunft, denn alle unsere Mitarbeiter haben sehr viel Know-how in einer extrem spezialisierten Branche. Wir unternehmen auch grosse Anstrengungen um ausländische Lotsen zu rekrutieren, hier stehen wir jedoch auch im Wettbewerb mit den anderen Flugsicherungen, die ja ebenfalls zuwenig Lotsen haben. Wenn wir den heutigen Stand der Dinge nehmen, beispielsweise Verkehrsaufkommen oder zusätzliche Aufgaben, fehlen uns derzeit zirka 20 Lotsen um im optimalen Bereich zu sein. Ich hoffe, dass wir bis 2007 soweit sind, aber das hängt auch davon ab, was noch alles auf uns zukommt. Wenn man die letzten Jahre ansieht sind Prognosen sehr schwierig.
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Ihr Unternehmen bietet angehenden Fluglotsen also eine fundierte Ausbildung. Welches sind die Voraussetzungen, um bei skyguide die Ausbildung zum Flugverkehrsleiter antreten zu können?
Das sind eine ganze Reihe von Fähigkeiten, vor allem aber räumliches Vorstellungsvermögen, Teamfähigkeit, Stressresistenz und der Wille, Verantwortung zu übernehmen. Die Arbeit im Team, wie überhaupt die so genannten «Human Factors», gewinnen immer mehr an Bedeutung und es melden sich immer mehr Frauen, was sehr erfreulich ist. Das Interesse an diesem Beruf ist nach wie vor gross. Ich gebe ihnen ein paar interessante Zahlen. Wir erhalten mehrere hundert Bewerbungen pro Jahr für 46 Ausbildungsplätze und die Ausbildung kostet pro Person rund 700’000 Franken. Interessant ist auch die Fluktuation bei den Lotsen; die beträgt bei skyguide weniger als ein Prozent. Gegenwärtig haben wir 123 Fluglotsen in der Ausbildung.
Nicht nur skyguide fehlen Flugverkehrsleiter. Dies ist eigentlich fast überall der Fall. Woher rühren diese Kapazitätsengpässe?
Der Luftverkehr hat in den vergangenen Jahrzehnten eine rasante Entwicklung gemacht und ist zeitweise fast explosionsartig gewachsen. Die Ausbildung eines Lotsen hingegen dauert drei bis vier Jahre, da haben die Flugsicherungen mit dem Wachstum des Luftverkehrs und der neuen Aufgaben die damit verbunden waren einfach nicht Schritt halten können. Aber die Branche holt stetig auf ? mit der Ausbildung von Personal und der Entwicklung von neuen Technologien. Was in diesem Zusammenhang auch eine Erwähnung wert ist; die Lotsen der skyguide sind laut einer Studie von Eurocontrol die produktivsten in Europa, was mich speziell freut.
Das Projekt eines einheitlichen europäischen Luftraums, der so genannte Single European Sky (SES), ist für skyguide auch eine existentielle Frage. SES sieht die Bildung von «Functional Airspace Blocks» vor, die grösser sind als die bisherigen Kontrollgebiete. Ist das von skyguide heute kontrollierte Gebiet gross genug für einen solchen FAB?
Die Schweiz innerhalb der Landesgrenzen wäre sicherlich zu klein, zumal die Flughäfen Zürich und Genf sich auch unmittelbar an der Landesgrenze befinden. Das muss man sich immer wieder klar machen, ohne grenzüberschreitende Zusammenarbeit geht es nicht. Darum sind wir schon lange eine treibende Kraft in Sachen SES. Die so genannten FAB’s sind Lufträume, die sich einzig an funktionelle Bedürfnissen orientieren. Bereits heute sind fast die Hälfte der von uns kontrollierten Flugbewegungen im Ausland, das heisst, bereits heute haben wir einen ?FAB im Kleinformat?. Wir haben viel Know-how in grenzüberschreitender Zusammenarbeit und bringen dieses in die europäische Diskussion auch ein. Das ist mit ein Grund, dass wir in den Fachgremien ein gutes Ansehen geniessen und auch als Partner attraktiv sind. Mit Frankreich haben wir eben erst ein Abkommen unterzeichnet, um die Zusammenarbeit im Bereich des SES zu prüfen und der Start ist recht viel versprechend.
Die Schweiz hat als erstes europäisches Land eine Empfehlung des Single European Sky umgesetzt ? nämlich die enge Zusammenarbeit der zivilen und militärischen Flugsicherung. Können Sie uns kurz beschreiben, was diese Art Flugsicherung von einer in den militärischen und zivilen Bereich unterteilten Sicherung unterscheidet?
Wir haben in der Schweiz nicht nur eine enge Zusammenarbeit, sondern die militärische und zivile Flugsicherung unter dem Dach der skyguide zusammengeführt. Dabei geht es um eine effiziente Nutzung des Schweizer Luftraums. Wenn beispielsweise das Militär einen Luftraum für ihre Flüge nicht benötigt oder die Übung beendet ist, kann dieser Luftraum umgehend für den zivilen Verkehr genutzt werden. Mit diesem Konzept des «Flexible Use of Airspace» haben wir europaweit eine Spitzenposition erlangt. Dazu kommen eine ganze Reihe von Synergien, beispielsweise im technischen Bereich oder bei Anlässen wie dem WEF, wo das Zusammenspiel sich mehr als bewährt.
Eine letzte Frage: Sie sind seit bald vier Jahren CEO von skyguide. Sie haben sehr schwere und emotional sehr belastende Jahre hinter sich: Überlingen, der Mord an einem skyguide-Fluglotsen, Verspätungen, Diskussionen um das Anflugsregime in Zürich-Kloten etc. Macht der Job so überhaupt Freude? Wie motivieren Sie sich für die täglichen Herausforderungen?
Als CEO muss man gerüstet sein, die so genannten «täglichen Probleme» zu lösen. In der Diskussion um den Flughafen konnten wir nun aufzeigen, welche Verantwortungen wir zu tragen haben und welche nicht und was machbar ist und was nicht. Solche Probleme machen mir nicht Angst, denn sonst wäre ich am falschen Ort; im Gegenteil die Lösung ist die Motivation. Auch die Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen des Single European Sky sind spannend. Auf einen Unfall oder einen Mord kann man sich nur schwer vorbereiten. Diese Zeiten waren in der Tat emotional sehr anspruchsvoll und bewegend, aber auch lehrreich. Diese Ereignisse haben die Dimension der Verantwortung auf tragische und schmerzliche Weise vor Augen geführt. Das hat uns alle geprägt und in Sachen Sicherheit noch sensibler gemacht. Safety first muss im Zentrum allen Handelns stehen, da gibt es keine Kompromisse und Zugeständnisse irgendwelcher Art.
Der Gesprächspartner
CEO Skyguide AG (seit März 2001)
geboren am 28. Mai 1958, Verheiratet, zwei Kinder
Ausbildung:
Universität Bern, rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Abschluss als lic.rer.pol.
Berufliche Laufbahn:
1995 – 2000
Abteilungsleiter PTT und anschliessend Leiter Product-House Voice, Swisscom AG, Bern
1994
Abteilungsleiter Telecom Operating – Ascom Autelca AG, Bern
1992 – 1993
Zone Manager Telecom Operation – Ascom Communications Inc., Florida,
1987 – 1992
Produketbereichsleiter Telefax – Ascom Telematic AG, Bern
1986 – 1987
Direktionsassistent des Vertriebsleiters – Autophon AG, Bern
1983 – 1985
Sachbearbeiter für Kommerzielles und Absatzplanung – Radio Schweiz AG, Bern
1995 – 2001
Verwaltungsrat verschiedener nationaler und internationaler Telekom-Firmen