Albert M. Baehny, CEO Geberit AG: «Für das Gesamtjahr erwarten wir ein Gesamtwachstum gegenüber Vorjahr in Schweizer Franken von 12% und einen operativen Cashflow (EBITDA) zwischen 25 und 26%»

Von Patrick Gunti

Moneycab: Herr Baehny, Geberit hat im 1. Halbjahr 2007 ein kräftiges Umsatzwachstum von 20,8 % auf 1,311 Mrd. Franken zu verzeichnen, der Nettogewinn legte um 21,6 % auf 227,8 Mio. Fr. zu. Was hat das 1. Semester des laufenden Geschäftsjahres generell gekennzeichnet?


Albert M. Baehny: Wir waren in der Lage, das starke Wachstum der zweiten Jahreshälfte 2006 in praktisch allen Geberit Märkten auch in den ersten sechs Monaten des Jahres 2007 fortzusetzen. Dies hat uns erlaubt, trotz stark gestiegenen Rohmaterialpreisen unser Nettoergebnis überproportional zu steigern.


Das Wachstum hat sich im 2. Quartal gegenüber dem 1. Quartal leicht abgeschwächt. Von welcher Entwicklung gehen sie für das Gesamtjahr aus?


Ich will vorausschicken, dass diese Abschwächung im 2. Quartal auf einem sehr hohen Niveau, weit über unseren mittelfristigen Zielsetzungen, erfolgte. Für das Gesamtjahr erwarten wir ein Gesamtwachstum gegenüber Vorjahr in Schweizer Franken von 12% und einen operativen Cashflow (EBITDA) zwischen 25 und 26%.



«Bei einem anziehenden Markt werden wir jedoch gestärkt bereitstehen, um vom Aufschwung überproportional profitieren zu können. Wann dies sein wird, ist zurzeit noch nicht absehbar.» Albert M. Baehny, CEO Geberit


Nach einem Wachstum von 18,9% im ersten Halbjahr erwarten Sie im zweiten Halbjahr in Deutschland eine Abschwächung des Marktes. Wie wird sich das in Zahlen ausdrücken und ab wann rechnen Sie für Deutschland wieder mit einer positiveren Entwicklung?


In Deutschland sind im Wohnungsbau die Baugenehmigungen deutlich zurückgegangen, dagegen sind sie im Wirtschaftsbau leicht angestiegen. Klar ist auch, dass die hohen Wachstumsraten von Geberit im Markt Deutschland im Jahr 2006 und im ersten Halbjahr 2007 nicht gehalten werden können. Die sehr gute Wirtschaftslage, die rückläufige Arbeitslosigkeit, vor allem aber der potentiell hohe Bedarf an Renovationen – 55% der total 39 Millionen Wohnungseinheiten sind älter als 35 Jahre alt – stimmen uns für die Zukunft aber zuversichtlich.


In welchen geografischen Regionen sehen Sie das grösste Wachstumspotenzial für Geberit?


Neben der noch stärkeren Durchdringung unserer grossen Märkte wie Deutschland, Italien und der Schweiz ist ein starkes, überdurchschnittliches Wachstum in Märkten wie Frankreich, Grossbritannien, Osteuropa und Asien ein wichtiger Faktor unseres langfristigen Erfolgs.


Gehen Sie von möglichen Verschiebungen der Umsatzanteile in den verschiedenen Regionen aus?


Selbstverständlich wird das vorgenannte überdurchschnittliche Wachstum in heute noch nicht so dominanten Geberit Märkten zu einer leichten Umsatzverschiebung weg von unseren heutigen Hauptmärkten führen.


Wächst die europäische Baukonjunktur weiter oder hat sie ihren Höhepunkt erreicht?


Wir gehen im Moment nur von einer leichten Abschwächung in den nächsten Monaten aus. Auf längerfristige Prognosen lassen wir uns zurzeit nicht hinaus, bleiben aber auch für die Zukunft eher positiv eingestellt.


In den USA war der Umsatz in den ersten sechs Monaten rückläufig. Welche Entwicklung erwarten Sie auf das eh schon schleppende Geschäft durch die Hypothekarkrise in den USA?


Im Wohnungsbau gelingt es trotz der überaus erfreulich angelaufenen Kooperation mit dem Keramikhersteller Duravit nicht, uns von der negativen Entwicklung abzukoppeln. Umsatzvermindernd wirkt sich zudem aus, dass wir uns selektiv von tiefmargigen Produktgruppen mit fehlendem Wachstumspotential getrennt haben. Bei einem anziehenden Markt werden wir jedoch gestärkt bereitstehen, um vom Aufschwung überproportional profitieren zu können. Wann dies sein wird, ist zurzeit noch nicht absehbar. Im halböffentlichen Bereich von Spitälern und Schulen – hier erzielen wir gegenwärtig mit Armaturen rund 85% unseres USA-Umsatzes – sind die Auswirkungen der Hypothekarkrise weniger gravierend.


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Trotz dem gestiegenen Reingewinn hat die Profitabilität durch die stark gestiegenen Rohmaterialpreise gelitten. Umsatzsteigerung und Kostenmanagement konnten die Entwicklung der Rohmaterialpreise nur teilweise kompensieren. Wie sehen Sie die weitere Preisentwicklung und wie lässt sich die Entwicklung kompensieren?


Als Konsequenz müssen wir heute unsere Preise nicht mehr nur einmal pro Jahr anpassen, sondern erhöhen sie selektiv quartalsweise. Die Situation hat sich mittlerweile auf einem sehr hohem Niveau konsolidiert. Im Markt ist zudem eine für Geberit erfreuliche Verschiebung weg von den teurer gewordenen Kupfersystemen hin zu C-Stahlsystemen und Verbundrohrsystemen festzustellen.


Die Aussicht auf ein erhöhtes Umsatzwachstum hat offenbar die Anlegergemeinde noch nicht über die verpassten Margenziele im letzten Halbjahr hinweggetröstet. Die Aktie fiel von 220 CHF Ende Mai auf aktuell noch 162 CHF. Wie wichtig ist für Geberit der Aktienkurs und wo sehen Sie eine faire Bewertung der Aktie?


Wir konzentrieren uns darauf, unser Geschäft optimal zu führen und überzeugende Marktleistungen zu bieten. Dies wird unseren längerfristigen Erfolg sichern. Daraus sollte sich langfristig auch eine adäquate Börsenbewertung ergeben, kurzfristige Schwankungen können wir aber nie ausschliessen. Zu einem konkreten Kursziel will ich mich nicht äussern.



«Wir konnten dank der Einführung geschlossener Wasserkreisläufe und dem Ersatz von direkter Wasserkühlung den Frischwasserverbrauch in den letzten drei Jahren um total 35% reduzieren.» Albert Baehny, CEO Geberit


Per 1. Juli hat Geberit das PVC-Rohrleitungsgeschäft in Grossbritannien für 42,5 Mio. Pfund an Polypipe verkauft. Was waren die Gründe für diesen Schritt?


Das PVC-Geschäft gehörte nicht zum Kerngeschäft der Geberit Gruppe. Deshalb haben wir mit dieser Transaktion die Ende 2005 gestarteten Desinvestionsaktivitäten erfolgreich abschliessen können. Aus der Transaktion resultierte ein Buchgewinn von rund CHF 40 Millionen.


Ihr Unternehmen hat in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres 23 Mio. Franken in Forschung- und Entwicklung investiert. Lässt sich festhalten, wo die Schwerpunkte der Forschungs- und Entwicklungsarbeit bei Geberit liegen?


Die Aufwendungen verteilen sich auf diverse anstehende Produktneueinführungen in unseren beiden Produktbereichen Sanitärsysteme und Rohrleitungssysteme.


Als europäischer Marktführer setzt Geberit die Trends in der Branche. Welches sind die aktuellen Trends im Bereich der Sanitärsysteme?


Die Branche entwickelt sich gegenwärtig rasant. Für unser aktuelles und zukünftiges Geschäft sehr wichtig ist die Vorwandtechnologie, die auf einer neuen Philosophie für den Bau eines Badezimmers beruht. In den Bereichen Wassersparen und Wasserhygiene sowie in der Sanitärakustik bietet Geberit bedeutende, zukunftsorientierte Lösungen für den Wassertransport im Haus an. Darüber hinaus ist ein globaler Trend hin zu designorientierten Badezimmern zu erkennen, den wir mit unseren Sanitärsystemen aktiv mitgestalten wollen.


Geberit legt grossen Wert auf Nachhaltigkeit. Wenn wir uns dabei auf die ökologische Seite konzentrieren – welche Aktivitäten von Geberit erfordern ein besonders nachhaltiges Handeln und welche Resultate wurden dabei in den letzten Jahren erzielt?


Bei den Produkten ist es uns gelungen, einen sparsameren Wasserverbrauch und verbesserte Standards bei der Hygiene zu erreichen. Unser Umweltmanagement in der Produktion wurde weiter ausgebaut. Dies zahlte sich konkret aus. Lassen Sie mich dazu zwei Beispiele geben. Als Gesamtunternehmen konnten wir trotz deutlich gesteigerter Wirtschaftsleistung und Wertschöpfung unsere Umweltbelastung leicht senken. Als Resultat verbesserte sich unsere Ökoeffizienz in den Jahren 2004 bis 2006 um durchschnittlich 9%. Des weiteren konnten wir dank der Einführung geschlossener Wasserkreisläufe und dem Ersatz von direkter Wasserkühlung den Frischwasserverbrauch in den letzten drei Jahren um total 35% reduzieren.


Zum Schluss des Interviews haben Sie noch zwei Wünsche frei, wie sehen diese aus?


Ich habe nur einen, dafür umso wichtigeren Wunsch. Geberit war in der Vergangenheit Jahr für Jahr trotz verschiedener negativer Einflüsse wie ein schwieriges wirtschaftliches Umfeld in einzelnen Märkten, steigende Rohstoffpreise, oder eine massiv erhöhte Wettbewerbsintensität immer in der Lage, ausgezeichnete Ergebnisse zu liefern. Ich wünsche mir deshalb von unseren Aktionären, potentiellen Investoren und der Finanzgemeinde, dass die Leistungen von Geberit nicht nur auf Basis eines Quartals analysiert und abschliessend beurteilt werden. In unserem Geschäft braucht man mehr Zeit um kurzfristige Schwankungen wie zum Beispiel steigende Rohmaterialpreise zu korrigieren. Eine längerfristige Sichtweise ist deshalb der Schlüssel für eine faire Beurteilung von Geberit.





Der Gesprächspartner
Albert M. Baehny (1952) ist verheiratet und hat ein Kind. Er wuchs in der französischen Schweiz auf und schloss 1978 sein Biologiestudium an der Universität Fribourg ab. Sein Berufsweg begann in der Forschung der Genfer Serono-Hypolab. Nach verschiedenen Leitungsfunktionen in Marketing- und Vertrieb bei Dow Chemicals Europe, Ciba Geigy, Ciba SC, Vantico und Wacker Chemie kam er zur Geberit-Gruppe. Dort startete er als Leiter des Konzernbereiches Marketing & Vertrieb Europa und trug Verantwortung für mehr als 90% des Umsatzes. Seit 1. Januar 2005 ist er Vorsitzender der Konzernleitung (CEO) der Geberit Gruppe.


Geberit
Die Geberit Gruppe mit Sitz in Jona ist der europäische Marktleader in der Sanitärtechnik mit globaler Ausrichtung. Das Unternehmen wurde 1874 gegründet und ist mittlerweile in 40 Ländern mit Vertretungen aktiv. Die 17 Produktionsstandorte verteilen sich auf acht Staaten, vor allem die Schweiz, Österreich und Deutschland. Das Produktspektrum ist sowohl für Neubauten wie auch für Renovationen und Modernisierungen konzipiert. Im Jahr 2006 erwirtschaftete die Geberit Gruppe 2,18 Milliarden Franken Umsatz. Sie beschäftigt weltweit rund 5’200 Mitarbeiter, davon knapp 1’000 in der Schweiz. Seit 1999 sind die Aktien an der SWX kotiert.

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