Alexander Hagemann, CEO Schaffner Gruppe
von Bob Buchheit
Moneycab: Herr Hagemann, die Börse hat Schaffner für die Reduktion der Overhead-Kosten und die gesteigerten F&E-Ausgaben seit Monaten Vorschusslorbeeren erteilt, welche jetzt durch die nach oben korrigierte Guidance bestätigt wurden. Statt zwischen 5 bis 7% dürfte die EBIT-Marge sogar noch darüber liegen. Ist eine zweistellige Zahl auch bald einmal ein Thema?
Alexander Hagemann: Unser Ziel, die operative Marge auf mindestens 10% anzuheben, bleibt bestehen. Wir wollen dieses Ziel hauptsächlich durch operative Verbesserungen im Segment Power Quality erreichen.
«Kurzfristig ist ein Rückschlag im chinesischen Automobilmarkt nicht auszuschliessen. Danach sollte aber wieder Wachstum einsetzen, jedoch moderater als wir das Anfang dieses Jahres erlebt haben.» Alexander Hagemann, Chief Executive Officer der Schaffner Gruppe
Die traditionell starken Märkte von Schaffner, wie die Telekommunikationsindustrie, waren im ersten Berichtshalbjahr noch eher schwach. Ist der generelle strategische Wechsel von Schaffner zu einem Unternehmen, das vornehmlich in erneuerbaren Energien als Zulieferer tätig ist, damit beschlossene Sache?
Die Märkte für energieeffiziente Antriebe und erneuerbare Energien, sowie der Bahnsektor, bleiben Wachstumstreiber für Schaffner. Dennoch ist es uns wichtig, die weltweit führende Position in den angestammten Absatzmärkten, wie zum Beispiel der Automatisierungstechnik, zu halten. Dadurch können wir die Anfälligkeit von Schaffner auf zyklische Schwankungen in einzelnen Teilmärkten reduzieren.
Energieeffizienz bleibt auch bei klassischen Antriebssystemen ein weiterhin wichtiger Absatzmarkt für die Komponenten von Schaffner. Ihr Geschäftssegment Power Quality (PQ) konnte im ersten Halbjahr den Umsatz von 22 auf 26,9 Mio. CHF steigern, vor allem wegen der Infrastrukturausgaben im pazifischen Raum. Dort liegen auch zwei von drei Produktionsstätten von Schaffner. Sind sie bald eine chinesische Firma?
Wenn man sich bei Schaffner China umsieht, könnte man das tatsächlich denken. Unsere starke Lokalisierung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor, um bei chinesischen Kunden erfolgreich zu sein. Nur so stellen wir sicher, dass wir schnell, flexibel und kostengünstig sind. Trotzdem ist es für unsere Kunden in China sehr wichtig zu wissen, dass Schaffner für Schweizer Technologie, Innovation sowie ein hohes Qualitätsbewusstsein steht.
«Wir rechnen damit, dass der zu erwartende Marktrückgang im Photovoltaikmarkt in Deutschland durch das Wachstum im Rest der Welt nur teilweise kompensiert werden wird»
Letztes Halbjahr fiel der Umsatzanteil Europas bei Schaffner von 68 auf 61%. Ist es nicht absehbar, dass Asien Europa abhängt? Diese Region war einer der beiden grossen Umsatzträger im zweiten Semester.
Das ist auf mittlere Sicht durchaus möglich und würde mich nicht überraschen. Aber auch in Europa bestehen gute Wachstumschancen, weil Initiativen zur Steigerung der Energieeffizienz, intelligente Stromnetze, sogenannte Smart Grids, Elektro- und Hybridfahrzeuge oder erneuerbare Energien mit Macht vorangetrieben werden.
Auch die kleinste von drei Schaffner-Divisionen, AM, – das steht für Automotive – wird in den nächsten Jahren vom Auto-Boom in Asien profitieren, denn auch dort wollen die Kunden nicht nur kleine, sondern auch sichere und komfortable Fahrzeuge. Wie gross schätzen Sie dort das mittelfristige Marktvolumen für Schaffner ein?
Der Auto-Boom in Asien hat bereits stattgefunden, und Schaffner hat davon profitiert. Kurzfristig ist ein Rückschlag im chinesischen Automobilmarkt nicht auszuschliessen. Danach sollte aber wieder Wachstum einsetzen, jedoch moderater als wir das Anfang dieses Jahres erlebt haben.
In Ihrer grössten Sektion, «elektromagnetische Verträglichkeit EMC», in der es um verlässlichen Stromfluss in Apparaten und Aggregaten geht, läuft es vor allem in der Fotovoltaik sehr gut. Allerdings ist seit dem 1. Juli die Einspeisevergütung für Solarstrom in Deutschland stark gesenkt worden. Was verlieren Sie damit auf einen Schlag an Umsatz?
Es hat noch keinen Einbruch im Fotovoltaikmarkt gegeben, weil die Reduzierung der Einspeisevergütungen durch sinkende Preise für Solarmodule weitgehend kompensiert wird. In China zum Beispiel wurden unlängst Lizenzen für grosse Freilandanlagen erteilt, für die nur eine Einspeisevergütung von 15 Rappen je kWh gewährt wird. Und damit wird Geld verdient! Im Vergleich dazu nimmt sich die Einspeisevergütung von 28 Rappen je kWh, die ab Januar 2011 für grosse Freiflächenanlagen in Deutschland gezahlt werden wird, immer noch recht grosszügig aus. Viele unserer Kunden sind bis über das Jahresende hinweg ausverkauft.
Wird dieser politisch bedingte Rückschlag durch das generell gute weltweite Photovoltaikgeschäft überkompensiert?
Nein, wir budgetieren vorsichtig und gehen von einem gewissen Rückgang des weltweiten Photovoltaikmarkts in 2011 aus. Wir rechnen damit, dass der zu erwartende Marktrückgang in Deutschland durch das Wachstum im Rest der Welt nur teilweise kompensiert werden wird.
Anleger mussten in den letzten Jahren bei Schaffner extreme Schwankungen bei der Auszahlung von Dividenden respektive Nennwertreduktionen erleben. Wo liegt denn eine langfristig vernünftig geglättete Ausschüttungszahlung?
Der Verwaltungsrat schlägt der Generalversammlung in der Regel vor, etwa 25% des Nettoergebnisses an die Aktionäre auszuschütten.
«Selbst bei vorsichtiger Betrachtungsweise entsteht im Bereich der Hybrid- und Elektrofahrzeuge ein für Schaffner gewaltiger Markt, der langfristig sogar das Segment EMC überflügeln könnte.»
Hybride oder Elektroautos sollen bereits in 2 bis 3 Jahren den Bereich AM zu Ihrem Kerngeschäft machen. Viele Autoexperten sehen aber erst in etwa zehn Jahren einen ersten Höhepunkt bei den Umweltautos. Was lässt Sie so extrem optimistisch sein?
Selbst bei vorsichtiger Betrachtungsweise entsteht im Bereich der Hybrid- und Elektrofahrzeuge ein für Schaffner gewaltiger Markt, der langfristig sogar das Segment EMC überflügeln könnte. Dies ist aber tatsächlich noch Zukunftsmusik, weil die Entwicklungszyklen in der Automobilindustrie 3 bis 5 Jahre dauern. Heute gehen wir davon aus, ab 2013 nennenswerte Umsätze in diesem Bereich zu erzielen, die dann zu einem deutlichen Wachstum des Segmentes führen sollten. Derzeit stehen aber noch Vorleistungen im Zentrum, die wir erbringen müssen, um im Bereich der Elektromobilität eine marktführende Position mit unseren Angeboten zu erreichen.
Der Auftragseingang stieg von 69,3 auf 98,3 Mio. CHF, wobei Schaffner auch von einigen Grossaufträgen profitierte. In wieweit kann ein Komponentenhersteller wie Schaffner bei Grossaufträgen Lobbying betreiben?
Es ist Tradition bei Schaffner, dass wir auf Europäischer Ebene in Normungs- und Standardisierungskomitees mitarbeiten. Daraus sind bereits wichtige Richtlinien im Bereich Elektromagnetische Verträglichkeit entstanden. Inzwischen werden auch im Bereich Power Quality verbindliche Normen erarbeitet, an denen wir ebenfalls mitarbeiten. Besonders freue ich mich über unsere Mitarbeit bei ‹CHAdeMO›. Das ist das japanische Konsortium, das die Standards für das Schnellladen von Elektrofahrzeugen erarbeitet. Schaffner ist hier das einzige Mitglied, das sich intensiv um Fragen der elektromagnetischen Verträglichkeit kümmert. Als erstes Ergebnis wurden unsere EMV-Filter bereits für die Schnellladestationen eines japanischen Herstellers spezifiziert.
Der Gesprächspartner:
Alexander Hagemann, studierte schloss sein Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen als Diplomingenieur ab. Vor seiner Ernennung zum CEO für Schaffner war er für die Schott-Gruppe in Mainz, Boston und Singapur, unter anderem als Executive Vice President Division Optics und davor in verschiedenen Managementfunktionen im Bereich Produktion und Logistik bei BMW in München tätig. Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder.
Das Unternehmen:
Die Schaffner Gruppe ist international führend in der Entwicklung und Produktion von Lösungen, die den effizienten und zuverlässigen Betrieb elektronischer Systeme sicher-stellen. Die vielseitige Angebotspalette umfasst EMC-Komponenten, Oberwellenfilter und magnetische Bauteile sowie die Entwicklung und Realisierung von kundenspezifischen Lösungen. Schaffner-Komponenten finden Anwendung in energieeffizienten Antriebssystemen und elektronischen Motorsteuerungen, in Wind- und Fotovoltaikanlagen, in der Bahntechnik, in Werkzeugmaschinen und Robotern sowie in Stromversorgungen einer Vielzahl elektronischer Geräte, zum Beispiel in der Medizintechnik oder in der Telekommunikation.