Von Jolanda Lucchini
Alice Stümcke, während andere wichtige Möbellabel wie Vitra oder Thonet im Januar an der Möbelmesse in Köln fehlten, war de Sede gross vertreten. Was versprechen Sie sich davon?
Die Kölner Messe ist nach wie vor eine wichtige Plattform für unsere Kunden und eine gute Gelegenheit zu zeigen, was wir mit der Marke vorhaben. Wir haben sehr gutes Feedback aus verschiedenen Teilen der Welt erhalten.
Unter den in Köln neu vorgestellten de-Sede-Produkten sind optisch ungewöhnliche Entwürfe des international gefragten Schweizer Nachwuchsdesigners Philippe Bestenheider, aber auch die Neuauflage eines de-Sede-Klassikers, des Freischwingers von Robert Haussmann. Was wollen Sie mit diesem Mix aus Alt und Neu manifestieren?
Es ist eine Kombination aus der Besinnung auf die grossartige Heritage des Hauses de Sede mit Schweizer Handwerkskunst und einer neu inszenierten Form von Eleganz. Damit wollen wir auch neue Zielgruppen erreichen und laden die Marke emotional auf.
Wie die ganze Möbelbranche war auch de Sede von der Wirtschaftskrise betroffen. Im vierten Quartal 2008 lag der Umsatz 25 Prozent unter jenem der Vorjahresperiode, für 2009 haben Sie eine weiteren Rückgang von insgesamt 10 Prozent budgetiert. Lagen Sie richtig?
Bei der Marke de Sede sehen wir länderspezifische Umsatzmuster. Benelux und Asien sind über Vorjahr, andere wichtige Exportländer wie USA, Russland, England und Frankreich unter Vorjahr. Das Objektgeschäft entwickelt sich insgesamt positiv, aber noch auf niedrigerem Niveau.
«Wir als Team sind sehr zufrieden, was wir in so kurzer Zeit bereits erreicht haben.»
Zur de Sede Group gehört die Möbelmarke FSM, seit Anfang 2009 sind auch die beiden Labels machalke und Living by Machalke dabei. Wie sah 2009 die Entwicklung bei diesen aus?
Die klare Trennung zwischen den Labels machalke und Living by Machalke, seit Jahresbeginn mit eigener Positionierung und eigenen Vertriebsteams, hat sich gut bewährt und wird daher konsequent weiter verfolgt. Die Marken FSM und machalke sind voll auf Vorjahresniveau, konnten also in einem rückläufigen Markt Zuwächse erzielen. Die neu auf Verbände und Key Accounts ausgerichtete freie Kollektion Living by machalke hat sich im Hauptmarkt Deutschland gut durchgesetzt, konnte aber die schwachen Umsätze im 1. Halbjahr in den Niederlanden, Österreich und der Schweiz trotz kontinuierlich steigender Umsätze im 2. Halbjahr nicht ganz aufholen. Derzeit ist einzig noch in den Niederlanden eine Umsatzschwäche zu verzeichnen. In allen anderen Ländern sind wir jetzt über Vorjahr.
Wo können Sie innerhalb der Gruppe Synergien nutzen?
In der Qualität des Managements, im Know-how Transfer, im Einkauf von Basismaterialien, im Verhandeln von Rahmenverträgen, im Aufbau und Pflege der Infrastruktur, im gesamten Verwaltungsbereich und nicht zuletzt im Aufbau von Marktwissen.
Nach Ihrem Antritt als Chefin der de Sede Group Mitte 2008 formulierten Sie als Ziel das Wachstum der gesamten Gruppe, national wie international. Als Strategiemassnahmen nannten Sie neue Materialien, freches Design, breites Sortiment, noch exklusivere Lederqualität, Stärkung des Vertriebs. Wie weit sind sie umgesetzt?
Wir als Team sind sehr zufrieden, was wir in so kurzer Zeit bereits erreicht haben. Zu Beginn des letzten Jahres haben wir für de Sede und FSM die neue, hochwertige, extrem weiche Lederqualität Naturale eingeführt, die sehr gut angenommen wurde. Zum gleichen Zeitpunkt wurden die Lederfarben, das erste Mal seit vielen Jahren, komplett überarbeitet. Auch die Stoffkollektionen von FSM und machalke wurden runderneuert. Die de Sede Neuheiten 2009 zählen mit ihrem Umsatzbeitrag zu den erfolgreichsten der letzten sechs Jahre. Beim Vertrieb sind wir jetzt fast komplett.
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Wann wird die Krise in Ihrer Branche soweit überwunden sein, dass diese Massnahmen zu einem Wachstum von de Sede führen?
Wir sehen gute Wachstumschancen für de Sede selbst in einem noch unsicheren Marktumfeld, da wir uns auf unsere zwei wichtigsten Qualitäten Tradition im Handwerk und Innovation in Design und Funktion besinnen. Wir interpretieren diese immer wieder neu und entwickeln sie weiter.
Bei der Marke de Sede ist man seit November 2009 daran, zur selektiven Distribution zurückzukehren. Was bedeutet das?
Die Kurskorrektur ist vor allem in den beiden Hauptmärkten Deutschland und Schweiz notwendig geworden. In Deutschland, weil man zu breit und undifferenziert auch in die Grossfläche gegangen ist. In der Schweiz, weil man schlichtweg bei zuvielen Händlern war und dabei zu wenig auf deren Vermarkungsqualität geachtet hatte. International sind wir in der Distribution von Anfang an exklusiv ausgerichtet gewesen, hier sehen wir eher noch Aufbaupotential.
Um wieviel wurde das Händlernetz in Deutschand und in der Schweiz verkleinert?
Bezogen auf die Werte von 2009 um mehr als 50%. Zielgrösse für Deutschland sind 220 bis 250 Fachhändler und maximal 50 auf das Objektgeschäft ausgerichtete Händler. Dabei eingerechnet sind auch Zielkunden, die wir noch gewinnen möchten. In der Schweiz sind wir von fast 200 Kunden auf eine Zielgrösse von 90 Fachhändlern und von ca. 20 bis 25 auf das Objektgeschäft ausgerichteten Partnern herunter. Für diesen wichtigen Schritt nehmen wir bewusst einen kurzfristigen Umsatzrückgang in Kauf, um dafür mittelfrisitg nachhaltiges Wachstum mit den definierten Partnerhändlern zu generieren.
«Die Kurskorrektur ist vor allem in den beiden Hauptmärkten Deutschland und Schweiz notwendig geworden.»
Welches sind nebst der Schweiz und Deutschland die wichtigsten Absatzländer für de Sede?
de Sede macht über 50% seines Umsatzes ausserhalb von Deutschland und der Schweiz. Die wichtigsten Länder sind dabei die Niederlande, Belgien, Japan, USA, England und Russland. Weiteres Potential sehen wir vor allem wieder in Deutschland und in den entwickelten Exportländern.
De Sede ist vor allem im Home-Bereich etabliert. Wieviel macht der Office- und Objektbereich am Umsatz aus?
de Sede ist erst vor kurzem wirklich konsequent in den Objektbereich eingestiegen und hat 2009 den Umsatzanteil bereits von unter 2% auf über 5% gesteigert.
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Auf welche Weise wollen sie den Office- und Objektbereich weiter stärken?
Die Strategie im Objektbereich heisst Fokus auf wenige Top-Objekthändler mit eigenem Vertrieb und auf die Bereiche «Executive office» und «Representative Waiting / Lounge area» sowie Fokus im Vertrieb auf etablierte Agenten, die unsere selektive Strategie voll unterstützen und umsetzen wollen.
Als Geschäftsführerin der Tela AG haben sie einst Papier für Haushalt und Hygiene verkauft. Was ist der Unterschied zwischen der Vermarktung von WC-Papier und der von Luxus-Ledermöbeln?
Eine erfolgreiche Vermarktung heisst für mich immer auch eine intensive Auseinandersetzung mit verschiedenen Facetten, möglichen Fallen und Potentialen des Marktes.
Ein grosser Unterschied ist die Professionalität, der man in den zwei Industrien begegnet. Diese ist allein schon durch die Konzentration der Markteilnehmer im Bereich Hygienepapiere wesentlich höher, fakten- und endkundenorientierter. Dafür spürt man bei Menschen, die mit Möbeln zu tun haben, viel mehr Leidenschaft, Emotionalität, Identifikation und viel eigene Überzeugung. Das reisst mit und macht es für mich so spannend.
Bei der Tela hatte man Sie geholt, um die damalige Attisholz-Tochter zu restrukturieren und für den Verkauf fit zu machen. Und bei de Sede?
Hier sehe ich es als meine Aufgabe an, aus dem ganzen Gruppenportfolio ein nachhaltig leistungsfähiges, wachstumsorientiertes Unternehmen zu schaffen, das begehrenswerte Möbelkonzepte entwickelt und mit dem und für das man gern arbeitet.
Laut Alexander Krebs, Partner bei der Beteiligungsgesellschaft Capvis, die die Mehrheit an der de Sede Group besitzt, bleiben Firmen nur über einen begrenzten Zeitraum im Portfolio der Capvis. In einem Interview mit der «Handelszeitung» schloss er den einen oder anderen Verkauf im Laufe von 2010 nicht aus. Wird de Sede dabei sein?
Nein, eher nicht. Wir haben uns vorgenommen, uns jetzt auf das Potential zu konzentrieren, dass die Gruppe so offensichtlich hat und es auch auszuschöpfen und weiter zu entwickeln.
Laut Analysten gehört de Sede zu den Top-Kandidaten für einen Börsengang im Jahr 2010. Wie sehen Sie da die Chancen?
Als verfrüht.
Sie sind eine der ganz wenigen Frauen, die an der Spitze einer Möbelmarke stehen und somit bestimmen, was für Möbel auf den Markt kommen. Wo in der Kollektion wird spürbar, dass de Sede jetzt erstmals von weiblicher Hand geleitet wird?
Im Auftritt, in den Farben, den neuen Materialien und der emotionaleren Designstrategie. Allerdings wird dies noch wesentlich stärker von Anette Buchta-Krell und ihrem Team geprägt. Frau Buchta-Krell ist in der Geschäftsleitung und verantwortlich für die gesamte Produktentwicklung der Marken und ihren Marketingauftritt.
Zur Person:
Alice Stümcke, 46, ist seit Juli 2008 CEO und Teilhaberin der de Sede Group. Die in Deutschland aufgewachsene gebürtige Tschechin studierte Betriebswirtschaft in Köln. Vor ihrem Engagement bei der de Sede Group führte sie die 2002 von ihr gekaufte Basler Werbeagentur Favo. Aufgrund des Wechsels zur de Sede Group verkaufte sie die Favo an das europäische Agenturnetzwerk Scholz & Friends und sitzt seither im Verwaltungsrat der Schweizer Tochter. Von 1998 bis 2001 war sie Geschäftsführerin der Tela AG, die sie restrukturierte und nach dem Verkauf an Kimberly-Clark erfolgreich in den Konzern integrierte. Für diese Management-Leistung wurde sie mit dem Lady Waterman Preis ausgezeichnet. Von 1994 bis 1998 war sie als Unternehmensberaterin bei der Boston Consulting Group in Londin und Zürich tätig, von 1989 bis 1994 als Brand Managerin bei Procter & Gamble in Deutschland, Tschechien und der Schweiz.
Die Firma
Die de Sede Group mit Produktionsstätten in der Schweiz und Deutschland ist eine der weltweit führenden Hersteller hochwertiger Lederpolstermöbel.
Hervorgegangen ist das Unternehmen aus einem familiär geführten Sattlerbetrieb, der 1965 in die Aktiengesellschaft de Sede AG umgewandelt wurde. 1984 ging diese an den Beton-Konzern PCW, neun Jahre später wurde sie durch ein Management-Buy-out von Hans-Peter Fässler und Bernhard Schüler übernommen. Die beiden kauften 2000 das deutsche Unternehmen Frank Sitzmöbel (FSM) dazu. 2007 wurde de Sede im Sinn einer Nachfolgeregelung an die Zürcher Beteiligungsgesellschaft Capvis verkauft. Diese ist seit 2005 bereits Mehrheitsbesitzerin der deutschen machalke Polsterwerkstätten GmbH. Seit Anfang 2009 firmieren die Unternehmen Machalke (mit den beiden Labels machalke und Living by Machalke), de Sede und FSM unter dem Dach der de Sede Group. Die Marken agieren aber nach wie vor getrennt am Markt. Die de Sede Group erwirtschaftet mit über 500 Mitarbeitern (davon 240 bei de Sede) rund 150 Millionen Franken Umsatz. Das Vertriebsnetz der Gruppe umfasst international ca. 1000 Handelspartner.