Es offenbarte sich einmal mehr ein tiefer ideologischer Graben zwischen Rechts und Links, wobei die Bürgerlichen die Rolle des Mediators übernahmen. Gerungen hat der Rat etwa bei der von ihm verlängerten Wartezeit für Studien- und Lehrabgänger. Das Resultat fiel mit 94 zu 86 Stimmen bei 1 Enthaltung dementsprechend knapp aus. Zu Diskussionen führte vor allem die Kürzung der Taggelder für unter 30-Jährige ohne Kinder auf maximal 260 Tage und für unter 25-Jährige ohne Kinder auf maximal 130 Tage. Die kleine Kammer möchte die Kürzung für die erste Altersgruppe ganz aus dem Gesetz streichen. Für die unter 25-Jährigen plädiert sie für ein Maximum von 200 Taggeldern.
Die Wahl zwischen Pest und Cholera
Die nationalrätliche Wirtschaftskommission (WAK) riet dem Plenum beim ersten Beschluss zu bleiben. Die jungen Leute hätten schliesslich noch nichts in die Arbeitslosenversicherung (ALV) einbezahlt und sollten deshalb nicht bevorzugt behandelt werden, forderte Hans Kaufmann (SVP/ZH). Gerade in Krisenzeiten hätten es unter 30-Jährige besonders schwer, eine Arbeit zu finden und müssten speziell unterstützt werden, hielt Jean-Claude Rennwald (SP/JU) dagegen. Für Hans-Jürg Fehr (SP/SH) war der Entscheid zwischen der Version des National- und jener des Ständerates für die unter 25-Jährigen die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Beide Vorlagen bedeuteten einen «Taggeldklau», ein «Leistungsmassaker» und einen «Frontalangriff auf die Jugend». Das beste sei ohnehin, die ganze Revision zu kippen und auf das geltende Recht zurückzukehren.
«Orientalischer Kuhhandel»
Einen «orientalischen Kuhhandel» nannte Pirmin Bischof (CVP/SO) die Wahl zwischen der grossen und der kleinen Kammer. Mit Blick auf das von den Gewerkschaften und der SP angedrohte Referendum erscheine ihm die ständerätliche Kompromisslösung allerdings die gangbarste. Die Mehrheit des Rates gab ihm Recht und schwenkte in beiden Punkten auf die Linie des Ständerates ein.
Keine Kürzung der Leistungen für Langzeitarbeitslose
Der Nationalrat lehnte es zudem ab, die Leistungen für Langzeitarbeitslose zu kürzen. Mit 120 zu 53 Stimmen strich der Rat die Klausel, wonach die Taggelder nach 260 respektive 330 Tagen um je 5% gekürzt werden sollten.
Mit einer letzten Differenz bei der Datenbekanntgabe bei Ausländerinnen und Ausländern geht die Vorlage zurück in den Ständerat. Die AVIG-Revision dürfte aber unter Dach sein und die Sanierung der Versicherung mit den vorliegenden Beschlüssen rund 17 Jahre dauern.
Sonderdebatte zu Arbeitslosigkeit
Vor der Debatte zum AVIG fand in der grossen Kammer eine von den Grünen und der SP geforderte Sonderdebatte zum Thema Arbeitslosigkeit statt. Die Voten der Parteien drehten sich um die bekannten Positionen. So forderten die SP und die Grünen etwa mehr Aus- und Weiterbildungsangebote, mehr Möglichkeiten für Teilzeitbeschäftigung und Jobsharing-Modelle und mehr Massnahmen, um jungen Leuten den Einstieg ins Berufsleben zu vereinfachen. Bei der FDP standen die Schaffung von Arbeitsplätzen und bessere Rahmenbedingungen für Unternehmen im Fokus. Die SVP ortete die Gründe der hohen Arbeitslosigkeit in der Personenfreizügigkeit und bedauerte mehrfach, dass der Bundesrat bisher auf die Anrufung der Ventilklausel verzichtet hat.
Von den 32 Vorstössen nahm der Rat nur vier an. Sie fordern etwa die Weiterführung der Innovationsförderung der KMU, eine Weiterbildungs- und Ausbildungsoffensive im Pflegebereich zur Integration arbeitsloser Personen und Steuererleichterungen für Unternehmen, die Lehrstellen anbieten oder Personen mit Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt beschäftigen. (awp/mc/pg/22)