ALV: Parlament einigt sich auf Revision

Am liebsten wäre es den Linken, wenn das Geschäft in der Schlussabstimmung noch Schiffbruch erleiden würde. Dann nämlich bliebe vorerst alles beim Alten und anstatt mit Leistungsabbau müsste der Bundesrat das Milliarden-Defizit der Arbeitslosenversicherung (ALV) mit Beitragserhöhungen bekämpfen.


Schuldenberg von 9 Milliarden Franken
Mit der 4. AVIG-Revision soll der aufgelaufene Schuldenberg der ALV von 9 Mrd CHF, 6 Mrd CHF davon strukturell bedingt, mit Massnahmen auf der Einnahmen- und der Ausgabenseite abgebaut werden. Ohne Massnahmen käme jedes Jahr eine weitere Milliarde Franken Defizit hinzu. Mit den Beschlüssen des Parlaments steigen die Einnahmen jährlich um 646 Mio CHF, die Ausgaben sinken um 622 Mio CHF. Damit sollte die ALV innert 17 Jahren saniert sein, wie Alex Kuprecht (SVP/SZ) namens der Gesundheitskommission sagte.


Leuthard: «Ausgewogenes Paket»
Obwohl die Räte den bundesrätlichen Vorschlag zugunsten eines verstärkten Leistungsabbaus abänderten, sprach Bundespräsidentin Doris Leuthard von einem ausgewogenen Paket, das man sehr gut so vertreten könne. Auf Seite der Einnahmen einigten sich die Räte auf eine Beitragserhöhung um 0,2 auf 2,2% und ein zusätzliches Solidaritätsprozent für Einkommen zwischen 126’000 und 315’000 CHF. Der Bundesrat hätte mehr gewollt und schlug eine Erhöhung auf 2,3% vor.


Leistungsabbau ausgedehnt
Beim Leistungsabbau ging das Parlament deutlich weiter als der Bundesrat – und löste damit die Referendumsankündigungen aus. Die grosse Kammer, die zunächst vor allem gegen junge Arbeitslose einen unerbittlichen Kurs fuhr, schwenkte zwar am Ende auf die mildere Linie des Ständerats ein. Die Jungen treffen die Neuerungen dennoch besonders hart. Zwar kamen unter 30-Jährige ohne Kinder um Leistungskürzungen herum. Sie sind aber künftig verpflichtet, auch eine Arbeit anzunehmen, die ihren Qualifikationen oder ihrer Erfahrung nicht genügend Rechnung trägt.


Noch 90 Taggelder für Schüler und Studenten
Unter 25-Jährige ohne Unterhaltspflichten haben mit 200 Taggeldern nur noch Anrecht auf die Hälfte der bisherigen Leistung. Schüler und Studenten sind zwar knapp an einer Wartezeit von 260 Tagen vorbeigeschrammt. Die maximale Anzahl der Taggelder kürzte das Parlament für sie und alle anderen Beitragsbefreiten aber von 200 auf 90. Weiter erhalten Arbeitslose, die während zwölf Monaten in die Kasse einbezahlt haben, anstelle von bisher 400 nur noch 260 Taggelder. 400 Taggelder erhalten die Versicherten neu erst nach einer Beitragszeit von mindestens 18 Monaten.


Wartefristen neu zwischen 10 und 20 Tagen
Das Maximum von 520 Taggeldern gibt es für über 55-Jährige erst nach einer Beitragszeit von mindestens 24 Monaten, ein halbes Jahr länger als bisher. Dasselbe gilt für Personen, die eine Teil-Invalidenrente von mindestens 40 Prozent erhalten. Geschraubt hat das Parlament auch an den Wartefristen. Heute müssen alle Arbeitslosen fünf Tage warten, bis sie Arbeitslosengeld erhalten. Künftig müssen sich Personen ohne Kinder mit einen Einkommen ab 60’000 CHF zwischen 10 und 20 Tagen gedulden.


Kantonsklausel
Eine weitere Neuerung betrifft Kantone, die von hoher Arbeitslosigkeit betroffen sind. Sie können künftig keine vorübergehende Verlängerung der Taggelder mehr beantragen. Bisher sah das Gesetz eine Erhöhung um 120 Taggelder vor. Derzeit profitieren die Kantone Neuenburg, Jura und Waadt von der Regelung. Unabhängig davon, wie es mit der AVIG-Revision nun weiter geht, um eine Beitragserhöhung ab nächstem Jahr kommen die Beitragspflichtigen ohnehin nicht herum. Da der Ausgleichsfonds der ALV im laufenden Jahr wohl die Schuldenobergrenze erreicht, muss der Bundesrat die Beiträge erhöhen. Um wieviel steht allerdings noch nicht fest. (awp/mc/ps/31)

Exit mobile version