ALV: Ständerat will mit milderem Kurs Referendum verhindern

So beschloss der Rat stillschweigend, dass unter 30-Jährige Anspruch auf 400 Taggelder haben sollen, wenn sie mindestens 18 Monate in die ALV einbezahlt haben. Der Nationalrat wollte die Bezugsdauer für diese Altersgruppe auf 260 Tage beschränken.


«Ungerechnet und willkürlich»
Die Grenze für die Bezugsdauer bei 30 Jahren anzusetzen, sei «ungerecht und willkürlich», sagte Alex Kuprecht (SVP/SZ), Präsident der Sozial- und Gesundheitskommission (SGK). Für Bundesrätin Doris Leuthard ist dies ohne Frage der umstrittenste Artikel der ganzen Vorlage. «Hier kommt es zur Einigungskonferenz», zeigte sie sich überzeugt.


Unnötige Mehrbelastung für junge Arbeitslose
Deutlich erteilte die kleine Kammer dem Nationalrat auch eine Abfuhr für seine Bestrebungen, die Wartefrist für Personen zu verlängern, die nach dem Studium arbeitslos werden. Die Ständeräte waren sich einig, dass die Version der grossen Kammer eine unnötige Mehrbelastung für junge Arbeitslose sei, zumal diese Kategorie mit den beschlossenen Leistungskürzungen bereits genügend belastet werde. Falls es zu einem Referendum komme, würde eine solche Wartezeit ein nicht zu unterschätzendes Risiko darstellen, gab Kuprecht zudem zu Bedenken.


Keine wissenschaftliche Beweise für Verhaltensänderung
Eine allfällige Volksabstimmung führte Kuprecht auch als Argument gegen eine Kürzung der Taggelder nach 260 Tagen um 5% und nach 330 Tagen um 10% an. Dies ändere die Situation von Langzeitarbeitslosen keineswegs, wie es dem Nationalrat vorschwebe. Diese Meinung vertritt auch die Volkswirtschaftsministerin. Es gebe keine wissenschaftlichen Beweise, dass solche degressive Systeme zu einer Verhaltensänderung der betroffenen Personen führten. «Eine unnötige Verschärfung», urteilte sie deshalb.


Weniger Taggelder für unter 25-Jährige
Einen Schritt auf die grosse Kammer zu machte der Ständerat hingegen bei der Anzahl Taggelder für unter 25-Jährige: Er wich von seiner ursprünglichen Forderung nach 400 Taggeldern ab und stimmte mit 29 zu 12 Stimmen für 200 Taggelder. Der Nationalrat will dieser Alterskategorie nur 130 Taggelder zusprechen.


Warnungen von linker Seite erfolglos
Vergeblich warnte die Linke ihre bürgerlichen Ratskolleginnen und -kollegen davor, mit diesem Beschluss ein miserables Zeichen gegenüber den Jugendlichen zu setzen, die wegen der Wirtschaftskrise ohnehin schon Mühe hätten, in den Arbeitsmarkt einzusteigen.


Lohnbeiträge sollen auf 2,2 % angehoben werden
Ganz auf die Linie des Nationalrates schwenkte die kleine Kammer bei der Beitragserhöhung ein. Im Gegensatz zum Bundesrat wollen die Räte die Lohnbeiträge nicht auf 2,3%, sondern lediglich auf 2,2% anheben. Verzichten wollen sie auch auf eine zusätzliche, befristete Erhöhung um 0,1 Prozentpunkte.


Einsparungen um rund 140 Mio. Franken geringer
Mit diesen Änderungen wären die Einsparungen gegenüber der Version des Bundesrates um rund 140 Mio CHF geringer, sagte Kuprecht. Die Sanierung der ALV würde 16 Jahre dauern. Der Linken dauert dies zu lange. «Das ist keine seriöse Sanierungsstrategie», monierte Anita Fetz (SP/BS). Vergeblich betonte sie, dass für eine «einigermassen zügige» Sanierung noch höhere Beiträge nötig seien.


Wegen der Schulden des Ausgleichsfonds würden die Beiträge per 1. Januar 2011 ohnehin erhöht, ob die Revision nun durchkomme oder nicht, stellte Leuthard klar. In welchem Ausmass sei allerdings noch nicht sicher.


Zurück in den Nationalrat
Die Vorlage geht nun zurück in den Nationalrat, wo sie für nächsten Mittwoch traktandiert ist. Die vorberatende Kommission signalisierte bereits Kompromissbereitschaft. Die ALV steht im Anschluss an eine ausserordentliche Session zum Thema Arbeitslosigkeit auf dem Programm. Im Gegensatz zum Ständerat, wo die ausserordentliche Session mangels Anträgen ohne Diskussion wieder geschlossen wurde, dürfte es in der grossen Kammer zu einer ausgiebigen Debatte kommen. (awp/mc/pg/24)

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