Amerika fährt auf Kleinwagen ab
Während der US-Automarkt insgesamt seine steile Talfahrt laut Experten im August fortgesetzt haben dürfte, steigen die Verkaufszahlen für kleine Flitzer rasant. Besonders auch deutsche Autobauer brachten den Trend zu «Small is beautiful» ins Rollen. Angesichts des grossen Interesses kommen die Hersteller gar nicht mit der Fertigung nach. Alle zusammen könnten in diesem Jahr 300 000 Autos der Einstiegsklasse mehr verkaufen als sie produzieren, meinte Top-Manager Mark LaNeve vom US-Branchenführer General Motors (GM) jüngst. Das ist eine ganze Menge, brach der US-Gesamtabsatz doch in diesem Jahr bisher um rund eine Million Wagen ein, für 2008 wird das schlechteste Ergebnis seit rund 15 Jahren befürchtet.
Verfehlte Modellpolitik
Die US-Hersteller GM, Ford und Chrysler fahren dem Trend zu kleineren Autos wegen einer verfehlten Modellpolitik meilenweit hinterher – zu lange verdienten sie an spritfressenden Trucks und Limousinen prächtig. Sie verschliefen den Wandel, schreiben Milliardenverluste und versuchen hektisch, das Steuer zu mehr Kleinwagen herumzureissen. Angesichts der knappen Firmenkassen hoffen US-Autobauer zur schnelleren Entwicklung sparsamerer Modelle nun auf staatliche Hilfen in Form zinsgünstiger Kredite in Höhe von bis zu 50 Milliarden Dollar (34 Mrd Euro). Laut Medienberichten könnten die Zinssätze Insidern zufolge nur etwa halb so hoch sein, wie sie die Konzerne wegen ihrer Schieflage an den Finanzmärkten zahlen müssten.
Japanische Hersteller profitieren
Vom Boom der Kompakt- und Kleinstwagen in den USA profitieren in erster Linie Autobauer aus Asien (Toyota, Honda, Nissan ) und Deutschland. In der Zwergenklasse setzte BMW vom MINI bis Ende Juli knapp 31.500 Stück ab – zum Vorjahr ein sattes Plus von 32 Prozent. «Im Gesamtjahr sollen es 50.000 werden», sagt US-Sprecher Jan Ehlen. «Wir könnten noch mehr verkaufen, aber die Fabrik im britischen Oxford ist an der Kapazitätsgrenze.» Daimler schickte von seinem im Januar auf dem US-Markt gestarteten smart bis Juli 14.000 Exemplare auf die Highways. «Weitere 30.000 Reservierungen liegen vor», so die für smart in den USA zuständige Daimler-Sprecherin Julia Engelhardt.
VW in USA gut unterwegs
Auch Volkswagen ist mit seinen für US-Dimensionen noch immer kleinen Kompaktklasse-Modellen vergleichsweise gut unterwegs: Am gefragtesten ist der Jetta, zuletzt gefolgt von Golf (Rabbit) und Beetle. Am besten laufen Kleinwagen generell in den Metropolen an den Küsten: Los Angeles und San Francisco im Westen, New York im Osten. Für die nächste Woche anstehenden August-Verkaufszahlen erwarten Experten eine Fortsetzung des Trends weg von den grossen Modellen: Bis Juli wurden 11 Prozent mehr kleine Autos abgesetzt, mit 1,63 Millionen machten sie bereits ein Fünftel aller Neuwagen aus.
GM setzt auf Opel
GM setzt nun massiv auf die deutsche Tochter Opel und deren modernere Modellpalette. Ford will ähnlich seine kleinen europäischen Wagen zu «Weltautos» machen. «Wir feiern heute den Beginn einer neuen Ära» sagte Ford-Chef Alan Mullaly kürzlich beim Produktionsstart des neuen Fiesta in Köln. «Der Trend zu kleinen und sparsameren Wagen ist dauerhaft.» Der Fiesta soll ab 2010 auch in die USA kommen – gefolgt von weiteren Modellen. Chrysler baut mangels eigener Europa-Marken auf Kleinwagen-Partner wie Nissan und Chinas Hersteller Chery.
«Klein» heisst nicht «einfach und billig»…
Doch bis die US-Anbieter neue Modelle auf die Strasse bringen, verstreicht viel kostbare Zeit. Im Vergleich zur Konkurrenz fehlt den Amerikanern selbst laut heimischen Experten nach Jahrzehnten grosser Kisten noch das rechte Image. Bei unter US-Flagge angebotenen Kleinwagen fremder Hersteller griffen Kunden meist lieber gleich zum Original des Partners etwa aus Japan. Eigenbauversuche waren oft halbherzig und scheiterten vielfach kläglich: US-Autobauer setzten «klein» meist mit «einfach und billig» gleich, so Fachleute.
…sondern «Klein, aber fein»
«Klein, aber fein» mussten sich Amerikaner erst von Rivalen etwa aus dem alten Europa vormachen lassen. «Vor einiger Zeit war hier kaum vorstellbar, dass man ein Premiumprodukt bei Kleinwagen haben kann», sagt BMW-Mann Ehlen. «Der grosse Wandel hat noch mehr als mit dem Benzinpreis mit einer ganz neuen Einstellung zum Auto zu tun», schrieb das Magazin «BusinessWeek». In der Tat bezahlen Kunden bei MINI wie smart kräftig für Sonderausstattung und grosse Motoren. BMW und Daimler berichten daher trotz des für sie schmerzhaft schwachen Dollars auch in den USA bei ihren «Kleinen» von Gewinnen.
Keine völlige Kehrtwende
Trotz des klaren Trends: Eine völlige Kehrtwende zu Kleinwagen wird es in Amerika laut Experten nicht geben. In den Weiten der USA mit Farmland, Bergen und Wüsten sind Pickups mit viel Ladefläche noch immer Standard. Viele US-Bürger hätten zudem ihr Leben auf grosse Autos für Familie, Sportgeräte und Einkäufe ausgerichtet, sagt Jeremy Anwyl vom Fachdienst Edmunds.com jüngst. Statt der «Superkleinen» würden am Ende eher sparsame Allrounder siegen. (awp/mc/ps/28)