Moneycab: Herr Kudelski, Skifahrer in der Schweiz und Österreich können künftig ihre Skitickets zuhause auf eine RFID-Karte wie etwa die Postcard oder andere Kundenkarten laden und am Ferienziel direkt zum Drehkreuz an der Skipiste gehen. Möglich macht dies eine Zusammenarbeit zwischen der Schweizer Ticket-Verkaufsorganisation Ticketcorner und Skidata, einem Tochterunternehmen des Technologiekonzerns Kudelski. Welchen Stellenwert hat dieses Projekts für Kudelski?
André Kudelski
: Unseres Erachtens steckt der automatisierte Zugang zu spezifischen Bereichen noch in den Kinderschuhen. Das Ticketing übers Internet ist dabei lediglich ein Anfang. Die tatsächlichen Anwendungsmöglichkeiten sind viel umfangreicher. Wir haben zwar bereits ein interessantes Volumen im e-Ticketing und sehen auch ein ansprechendes Wachstum. Was jedoch noch fast wichtiger ist: Durch die zunehmende Verbreitung werden weitere Anwendungsgebiete erschlossen. Dadurch ergeben sich für Kudelski zusätzliche Entwicklungsmöglichkeiten.Welche weiteren Einsatzgebiete ergeben sich mit dieser Technologie?
Wir sehen überall da Potenzial, wo eine beschränkte Anzahl von Zugängen von einer grossen Anzahl von Besuchern frequentiert wird, also etwa bei Stadien und weiteren ähnlichen Situationen.
Ist das Projekt auf Europa beschränkt oder zielen Sie damit auch in andere Regionen?
Wir haben ein festes Standbein in Europa. Doch unsere Strategie zielt darauf ab, diese Technologie weltweit zur Anwendung zu bringen, überall dort, wo unbewachter Zutritt ein Thema ist. Das ist ein bedeutender Wachstumsmarkt, den wir für unsere Anwendungen erschliessen wollen. Die USA und Asien spielen dabei Katalysator und haben als Wachstumstreiber eine wichtige Rolle.
Welchen Stellenwert hat Skidata in der strategischen Ausrichtung von Kudelski?
Public Access ist ein integrierender Bestandteil der Kudelski Gruppe. In den letzten Jahren haben wir bewiesen, dass es sowohl technologische Synergien – vor allem im Bereich der IT-Technology & Security – gibt als auch bei den Wachstumsperspektiven. Physical Access als Branche steht erst am Anfang der Digitalisierung, während wir im Bereich des Digitalfernsehens bereits weit darin fortgeschritten sind.
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In Österreich steht die Nationalbank-Tochter Austria Card zum Verkauf. Drei Firmen dürften es auf die Shortlist geschafft haben: Als sicher gilt in involvierten Kreisen, dass der französische Weltmarktführer bei Smartcards, Oberthur, auf der Liste steht, ebenso wie der griechische Konkurrent Lykos. Auch seitens Kudelski scheint grosses Interesse zu bestehen, denn Nagra ID führte letzten Mittwoch eine Pressekonferenz durch, um die Ziele mit der Austria Card breiter bekannt zu machen. Wie wichtig wäre eine derartige Übernahme für die Expansion das Osteuropa-Geschäft oder welche anderen Vorteile ergäben sich dadurch?
Aus unserer Sicht würden sich durch die Akquisition für Nagra ID sehr interessante Möglichkeiten ergeben. Dazu gehört eine zweite Produktionsstätte und ein komplementäres Produktportfolio. Auch die geographische Komplementarität und die Erweiterung des Osteuropa-Geschäfts gehören dazu, denn wir wollen unsere globale Präsenz ausbauen. Eine potenzielle Akquisition von Austria Card würde auch zu Synergien führen mit der Entwicklung von Skidata. Das Unternehmen war zuerst auch auf Europa ausgerichtet, ermöglichte uns jedoch mit seiner Technologie den Zugang zum Weltmarkt. Das wäre mit Austria Card ebenfalls möglich.
Mit dem britischen Unternehmen NDS drängt ein internationales Schwergewicht nach Deutschland. Ende des Jahres wird Kabel BW auf das NDS-Cryptsystem Videoguard umstellen, bereits zuvor hatte sich der Bezahlsender Premiere mit den Briten über den Einsatz einer NDS-Middleware geeinigt. Gleichzeitig zeigen sich etablierte Anbieter wie die Schweizer Kudelski-Gruppe abwartend – noch immer ist kein Nagravision-geeignetes Common Interface-Modul verfügbar. Hat Kudelski da was verschlafen?
Sehen wir das positiv: Während wir bereits eine starke Position in diesem Markt haben, scheint der deutsche Markt interessant genug, dass sich unser Mitbewerber dort engagiert.. Hinsichtlich des Common-Interface-Moduls respektieren wir die Interessen unserer Kunden und welche Entwicklungen sie in die Wege leiten. Denn mit SmarDTV verfügen wir über alle notwendigen Voraussetzungen. Es geht also letztlich nicht darum, dass wir die Technologie nicht hätten, sondern vielmehr darum, dass wir sie hier noch nicht einsetzen. Insofern werden wir über das Timing gemeinsam befinden.
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Im Gegensatz zu NDS, die in der gesamten Wertschöpfungskette der Set-Top-Box Software (Conditional-Access, Middleware und interaktive Applikationen) aktiv ist, konzentrierte sich Kudelski in der Vergangenheit klar auf Conditional Access. Mit der Übernahme von OpenTV scheint eine Anpassung der Kudelski-Strategie vorgenommen worden zu sein, da die Kunden von Kudelski vermehrt nach Gesamtlösungen verlangen. Ist mit weiteren Strategieanpassungen zu rechnen, indem man etwa auch im Bereich interaktive Applikationen vordringt, da der Druck zur Erweiterung des Produktangebots zunehmend stärker wird?
Das ist so nicht richtig. Wir haben OpenTV, das im interaktiven Markt führend ist, immer als wichtigen Partner betrachtet. Mit der Übernahme der Kontrolle von OpenTV haben wir unsere Position gefestigt und auch stärkeren Einfluss auf die Entwicklungen in diesem Sektor. Insofern sind alle Elemente der Wertschöpfungskette vertreten. Damit sind wir «Best in Class». Zusätzlich können wir unseren Kunden attraktive Gesamtlösungen anbieten. Dabei können es sowohl Produkte aus unserem Haus sein, oder auch Lösungen, die Leistungen von Mitbewerbern einschliessen. Wir sind dabei sehr offen. Letztlich geht es darum, das anzubieten, was der Kunde will. Und dazu sind wir in der Lage.
In der Vergangenheit arbeitete Ihr Unternehmen zusammen mit OpenTV und Advanced Digital Broadcast. OpenTV wurde in der Zwischenzeit übernommen. Wäre ein derartiger Schritt auch mit ADB denkbar?
Nein, denn wir wollen unsere Partner nicht konkurrenzieren, was wir mit einem derartigen Schritt tun würden.
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Der britische Receiver-Hersteller Pace hat auf der Cable-Tec Expo in Orlando verschiedene Innovationen für künftige Settop-Boxen gezeigt. Darunter fällt auch das Downloadable Conditional Access (DCAS), das in künftigen Settop-Boxen von Pace zum Einsatz kommt. Die Technik soll als Alternative für den in den USA gebräuchlichen CableCard-Standard dienen, einem Derivat des bekannten Conditional Access Moduls (CAM). Statt mit einer starren Hardware wird das Entschlüsselungsmodul via Software simuliert. Netzbetreiber können dann jederzeit etwaige Updates automatisch auf die Box aufspielen und so Hackern das Leben schwerer machen. Werden Hardware-Lösungen durch eine derartige Entwicklung nicht uninteressanter und entwickelt Kudelski Lösungen in diesem Bereich?
Diese Lösung ist keine reine Software-Lösung, denn gewisse Sicherheitselemente sind im Decoder. Und die gezeigte Lösung ist speziell auf den amerikanischen Kabelmarkt ausgerichtet. Aus unserer Sicht werden gewisse Sicherheitselemente immer in der Hardware sein, während Elemente der Interoperabilität (also solche, die die Verbindung zwischen verschiedenen Systemen sicherstellen) auf der Basis von Software gelöst werden können. Die Limitierung der Sicherheitselemente auf Software ist zudem weniger sicherer als eine Hardwarelösung.
Zur Person
André Kudelski ist Physiker und übernahm 1991 als 31-Jähriger von seinem Vater Stefan das VR-Präsidium und die operative Führung der Kudelski-Gruppe. Davor hatte Kudelski bereits einige Jahre in der Forschung von Kudelski und später als Produktmanager für den Bereich Pay-TV gearbeitet, bevor er Geschäftsführer der Nagravision wurde. Der heute 47-Jährige ist Mitglied in den VR-Gremien von Nestlé, HSBC, Edipresse und Dassault Systèmes.
Das Unternehmen