Die Gewinnwarnung von Kudelski ist ein Paradebeispiel dafür, wie man das Vertrauen der Finanzmärkte in ein Unternehmen nachhaltig zerstören kann. Daran wird André Kudelski noch lange zu beissen haben.
Kaum ein Lob, das sich André Kudelski in den letzten Jahren hierzulande nicht eingeheimst hat. Da war doch endlich wieder mal ein Manager, dessen bis dato unbekannte Firma wuchs und wuchs und die fast aus dem nichts zu einer der Marktführerinnen in ihrer Branche aufstieg. Innert kürzester Zeit etablierte sich André Kudelski als vom Erfolg verwöhnter Unternehmer und neuer Star in der Schweizer Wirtschaftsszene.
Der Lack ist ab bei KudelskiSo richtig begriffen haben zwar nur die wenigsten, was das Unternehmen eigentlich so alles tut. Die Verwirrung stieg zusehends, als der welsche Patron auch noch heftig zu expandieren und zu diversifizieren begann. Und als er sich finanziell an einer milliardenschweren Übernahme eines Kunden in den USA beteiligen wollte, da begannen auch bei Experten einige Alarmglocken zu läuten. Mittlerweile ist klar: der Lack ist ab im Hause Kudelski. Und es stellen sich Fragen.
Kein Einbruch aus heiterem HimmelWie ist es möglich, dass ein Geschäft innerhalb von sechs Wochen dermassen einbricht, dass die Umsatzerwartungen um 40 Prozent und die Gewinnprognosen gar 80 Prozent (!) zurückgenommen werden müssen? Und wie ist es möglich, dass man diese Angaben nur wenige Stunden später gleich nochmals relativiert und nun sogar einen Verlust per Jahresende nicht mehr ausschliessen kann?Noch am 23. Juli gab sich der Chef gegenüber der Nachrichtenagentur AFX zuversichtlich, seine ursprünglichen Prognosen zu erfüllen. Wörtlich sagte er: «Das Pay-TV ist eigentlich gar nicht so anfällig auf Konjunkturschwankungen.»
Klumpenrisiko oder ungenügende FrühwarnsystemeDie brutalen Einbrüche im Pay-TV-Geschäft und die Schieflage der hochverschuldeten Medienkonzerne waren seit dem Platzen der New-Economoy-Blase (das heisst seit Ende 90er-Jahre) offensichtlich. Wurde dies von Kudelski zu wenig oder zu spät erkannt? Dann umso schlimmer. Dies würde den Schluss zulassen, dass das Unternehmen offensichtlich über keine ausreichenden Frühwarnsysteme verfügt hat und sich viel zu spät auf die kommenden harten Zeiten eingestellt hat.
Gefahren am Horizont unterschätzt?André Kudelski hat die Gefahren unterschätzt und sich leichtfertig auf bestehende Verträge abgestützt. Verträge, die in Zeiten, in denen Unternehmen unter ihren milliardenteuren Akquisitionen ächzen, nicht mal mehr das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben sind. Sollte – wie Kudelski in einer Telefonkonferenz sagte – tatsächlich vor allem ein Grosskunde Schuld an der Misere sein, dann hat das Unternehmen zudem ein Klumpenrisiko, das bis jetzt in diesem Ausmass nicht bekannt war.
Drastischer Sparkurs in SichtOb der Mehrfach-Verwaltungsrat André Kudelski ein wirklich grosser Unternehmer ist und all die voreiligen Meriten verdient, muss er nun beweisen. Doch wenn Kunden nicht mehr bestellen oder Aufträge zurückstellen, dann ist guter Rat teuer. Ein drastischer Sparkurs dürfte deshalb das Unternehmen in den nächsten Monaten prägen, auch Teilverkäufe sind nicht ausgeschlossen.
Rücktritt aus Verwaltungsräten nötigEin positives Zeichen für die Mitarbeiter und die Aktionäre wäre beispielsweise ein Abbau der zahlreichen VR-Mandate, die überdurchschnittliche Präsenz erfordern. Der Problemfall Swiss beispielsweise benötigt wohl Verwaltungsräte, die den Kopf für die Airline frei haben und die nicht schon selber mit eigenen Problemen überhäuft sind. Den Sitz im Verwaltungsrat des Edelrestaurants von Philippe Rochat in Crissier mögen wir André Kudelski gönnen – auch wenn er nun wohl mehr zu beissen hat, als ihm lieb ist.