André Lühti, CEO Globetrotter Travel Service AG: «Reisen auf eigene Faust entspricht einer generellen gesellschaftlichen Entwicklung»

von Patrick Gunti


Herr Lüthi, Globetrotter hebt sich von weiteren Anbietern ab, die sich ebenfalls als «anders» verstehen. Wie sehen Sie die Positionierung von Globetrotter im Schweizer Reisemarkt?


Wir positionieren uns klar als Spezialist für Baukasten- und Individualreisen. Unsere Kernkompetenz liegt in der überdurchschnittlichen, weltweiten Reiseerfahrung unserer Mitarbeitenden. Wir komponieren jedem Kunden seine ganz individuelle Reise, genau nach seinen Wünschen und Bedürfnissen.


Ihr Unternehmen ist in den letzten Jahren stark gewachsen, vor allem auch stärker als der Markt. Wo sehen Sie die Gründe?


Der Hauptgrund liegt wohl darin, dass das Reisen auf eigene Faust einer generellen gesellschaftlichen Entwicklung entspricht. Individualisierung liegt im Trend und ist eine immer beliebtere Lebensform. Ein weiterer Grund liegt sicher darin, dass die Familien und Senioren uns «entdeckt» haben. Die einerseits lockere Atmosphäre in unseren 18 Reisebüros in Verbindung mit der hohen Fachkompetenz unserer Reiseberater scheint die Menschen anzusprechen. Und es braucht zu jedem geschäftlichen Erfolg natürlich auch Glück.


Sie stufen Reisen als eine Lebens- und Managementschule ein. Sie haben die Welt gesehen – was haben Sie persönlich daraus für Lehren gezogen?


Für mich ist Reisen eine Persönlichkeitsschulung. Ich lernte mich auf Reisen von einer ganz anderen Seite kennen – eine Art Selbstreflektion hat eingesetzt. Ich lernte auch, anderen Kulturen und Religionen mit Respekt und Toleranz gegenüberzutreten. Reisen öffnet die Augen – und Mann/Frau geht vielleicht nach einer Reise mit etwas anderen Augen durch das Alltagsleben hier in der Schweiz.


«Für mich ist Reisen eine Persönlichkeitsschulung» (André Lüthi, CEO Globetrotter)


Wie sähen Sie Ihre Vision «Reisen statt Ferien» gerne umgesetzt?


Dass immer mehr Menschen das altbekannte Strandhotel ab und zu mit einer Reise auf eigene Faust ersetzen. Und so einem Land, seinen Menschen und seiner Kultur wirklich näher kommen. Man muss weder abenteuersüchtig noch risikobesessen sein, im Gegenteil. Eine Reise auf eigene Faust kann, muss aber nicht, von A-Z organisiert sein. Der Kunde bestimmt zusammen mit einem Reiseprofi Zeit, Dauer und Route. Der Kunde entscheidet, welche und wie viele Hotels reserviert werden, ob er einen Mietwagen wünscht oder eine lokale Reiseleitung. Er geniesst so ein hohes Mass an Flexibilität und Unabhängigkeit auf der speziell für ihn komponierten Reise.


Entsprechend stellen Sie besondere Anforderungen an Ihre Reiseberaterinnen und -berater. Welches sind die Voraussetzungen, um bei Globetrotter einen Beraterjob zu erhalten?


Die Reiseberaterinnen und -berater müssen zwei bis drei Kontinente ausserhalb Europas über mehrere Monate auf eigene Faust bereist haben und über ein gutes kaufmännisches Grundwissen verfügen.


Das Unternehmen hat sich in den 33 Jahren seiner Existenz stark entwickelt – wie weit entspricht Globetrotter heute noch den Grundsätzen seines Gründers Walter Kamm?


Den Grundsätzen von Walter Kamm, der Förderung des Entdeckens fremder Länder und Kulturen auf eigene Faust, entspricht das Unternehmen zu 100%. Doch in den letzten 30 Jahren wurde diese Gründeridee laufend dem Zeitgeist angepasst ohne jedoch von der Ursprungsphilosophie abzuweichen.


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Wie ist es Ihnen gelungen, aus Globetrotter einen modernen Reisekonzern zu machen, der mittlerweile 18 Filialen umfasst und 2006 einen Rekordumsatz von 123 Mio. Franken erzielt hat, ohne die Kultur des Unternehmens zu verändern?


Weil 180 Mitarbeitende ihre Leidenschaft ,das Reisen, zum Beruf machten. Und weil wir klar an unserer Positionierung festhalten. Wir haben ein klares Gesicht – alle, gegen innen und gegen aussen, wissen, um was es bei Globetrotter geht. Wir sprechen nicht nur von Kultur, wir leben sie tagtäglich.


Anlässlich der Veröffentlichung der Geschäftszahlen 2006 erklärten Sie, dass mit einer konsequenten Positionierung als Individualreisenspezialist im Markt noch einiges bewegt werden könne. Welches sind die dazugehörigen Schritte?


Ich bin überzeugt, dass in Zukunft noch viele Schweizerinnen und Schweizer das individuelle Reisen entdecken werden. Dementsprechend planen wir auch weitere Filialen.


Und wie schätzen Sie das weitere Wachstumspotenzial ein?


Ich glaube, dass die klassischen Badeferien und Pauschalreisen nur noch marginal wachsen werden und weltweit «selbst komponierte Reisen» immer mehr Menschen fasziniert. Ohne «grössere Ereignisse» auf diesem Planeten rechne ich in den nächsten zwei bis drei Jahren mit einem jährlichen Wachstum von 5-10% in unserem Segment.


«Wenn schon fliegen, warum dann nicht was Gutes tun?» (André Lüthi, CEO Globetrotter)


Sie engagieren sich stark für den Klimaschutz, gleichzeitig gehören vor allem Flugreisen zu den schlimmsten «Umweltsünden» – ist das kein Widerspruch?


Nein. Wenn schon fliegen, warum dann nicht was Gutes tun?


Seit Anfang 2007 zahlt Globetrotter pro Kunde einen Franken an ein ausgewähltes «myclimate» Klimaschutzprojekt. Wieso gerade dieses Projekt?


Wir wurden von myclimate über die verschiedenen Projekte informiert und beraten. Das Projekt in Madagaskar hat uns am meisten überzeugt. Der Dieselgenerator zur Stromerzeugung wird durch «Windmühlen» ersetzt.


Im Mai sind Sie am Swiss Economic Forum zum «KMU-Highflyer» gekürt worden. Was bedeutet Ihnen eine solche Auszeichnung?


Für mich ist diese Auszeichnung ein Zeichen dafür, dass eine echt gelebte Firmenkultur mit einer klaren Positionierung für jedes Unternehmen die Basis zum Erfolg ist.


Letzte Frage: Wie Ihre Mitarbeiter sind auch Sie viel auf Reisen – wohin führt die nächste Reise?


Mit meiner Frau und unseren beiden Kindern nach Kenia – wir wollen für zwei Wochen die Tierwelt Ostafrikas entdecken.


Herr Lüthi, herzlichen Dank für die Beantwortung unserer Fragen.





Zur Person:
André Lüthi ist seit 1992 CEO und Geschäftsleiter von Globetrotter. Sein Ziel ist es, der Firma Visionen zu vermitteln und sie fit zu halten für die Zukunft. Weltenbummler Lüthi ist mit der Garant dafür, dass bei Globetrotter an den Grundfesten der ursprünglichen Gründeridee nicht gerüttelt wird. Dass er als «Entdecker und Abenteurer» in all den Jahren in die neue Rolle eines souveränen Geschäftsführers gewachsen ist, bezeichnet er selbst als «komplexe Gratwanderung», die er aber durchaus geniesse: Denn der Erfolg als Manager basiere gewissermassen auf seinen Erfahrungen als Reisender: «Ich nehme die Menschen so, wie sie sind – genauso, wie ich es im Himalaya, in Sibirien oder im tiefsten Afrika stets gemacht habe.»


Zum Unternehmen
Globetrotter Travel Service wurde 1974 von Walter Kamm gegründet. Daraus entstanden ist der grösste Schweizer Anbieter für Individualreisen mit 18 Filialen, 184 Mitarbeitern und einem Umsatz von 123 Mio. Franken 2006. Globetrotter bietet ein umfassendes und spezielles Dienstleistungs-, Informations- und Produkteangebot für Individualreisende jeglichen Alters. Globetrotter ist unterteilt in die Geschäftsbereiche Travel Service für weltweite Individualreisen, Gruppenreisen für Vereine, Firmen und Clubs, Business Travel, die Globotrek und Background Tours AG für Trekking-, Erlebnis-, Bahn-, Studien- und Politreisen, den Globetrotter-Club sowie die Explora Events AG, einem Forum für die besten Dia-Shows, Reise-, Expeditionsvorträge und Multivisionen.

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