André Lüthi, CEO Globetrotter

von Jolanda Lucchini


Herr Lüthi, Globetrotter steigerte 2008 den Umsatz um 7% auf 148 Mio. Franken. Einen Hauptgrund dafür führen Sie auf den Trend zu organisierten Individualreisen zurück. Wird dieser Trend auch 2009 anhalten?

Grundsätzlich ja. Aber das Ganze wird sich vermutlich etwas verlagern: Leute mit einem Einkommen über 10’000 Franken werden weiterhin verstärkt auf organisierte Individualreisen setzen. Wer weniger verdient, dürfte dagegen in nächster Zukunft generell zurückhaltender buchen.


Die als reisefreudig geltenden Pensionierten halfen ebenfalls tüchtig mit, Ihren Umsatz zu steigern. Die demografische Entwicklung ihrerseits wird dafür sorgen, dass diese Kundengruppe in den nächsten Jahren noch grössere Bedeutung für die Reisebranche gewinnen wird. Wie schätzen Sie hier die Situation und Möglichkeiten ein?

Europaweit zeichnet sich ab, dass auch bei dieser Kundengruppe eher die Pauschalreise stagnieren wird, die Individualreise dagegen klar im Trend liegt. Die Pensionierten wollen immer mehr ihr eigener Reiseleiter sein, es macht ihnen Spass sich gründlich vorzubereiten. Es wird auch zum Teil gezielt darauf gespart. Interessant für uns sind aber auch die Frührentner: Sie sind fit, haben Geld und Zeit und buchen auch gerne mal eine Reise durch Indien mit Privatchauffeur.


Zugenommen haben letztes Jahr auch die Reisebuchungen durch Familien. Auf was führen Sie das zurück?

Zum einen auf die Individualisierung der Gesellschaft. Eine Rolle spielen aber auch die vielen Reise- und Länderinfos, die man via Internet, von weitgereisten Freunden oder durch die Presse bekommt. Nach zwei oder drei Mal Ibiza fragen sich deshalb viele: «Warum sollen wir nicht auch einmal mit dem Camper oder Miet-Auto durch Südafrika reisen. Und den Kindern die wilden Tiere im Krüger-Park zeigen.» Ganz billig ist dies allerdings nicht. Für viele Familien wird es deshalb weiterhin bei zwei Wochen Ibiza oder Costa Brava bleiben. 


«Was sich im Moment überschlägt, sind die Preise der ganzen Pauschalarrangements. Diese müssen wegen Überkapazitäten und sinkender Nachfrage massiv gesenkt werden.»


Derzeit übertreffen sich die Reiseveranstalter mit Dumpingpreisen. In den Medien wird propagiert, dass man jetzt so billig wie nie verreisen kann. Trifft das auch auf die Angebote von Globetrotter zu?

Nein. Bei unserem Baukastensystem, welches sich aus Flug, Transfer, Mietwagen, Hotel, Sprachschule oder Tauchkursen zusammensetzt, ist dies überhaupt nicht der Fall. Was sich im Moment überschlägt, sind die Preise der ganzen Pauschalarrangements. Diese müssen wegen Überkapazitäten und sinkender Nachfrage massiv gesenkt werden. Man kann ja mittlerweile für neunzig Franken ohne Taxen nach New York fliegen. Einige Fluggesellschaften verschleudern fast panikartig ihre Flugsitze. Ich würde mir da manchmal etwas mehr Weitsicht und Nachhaltigkeit wünschen.


Welches ist 2009 für Sie die vielversprechendste Destination?

Seit länger im Trend sind Australien, Neuseeland und Südostasien mit Kambodscha, dem traumhaften Laos und Vietnam. Überraschend gut ? mit fast 3% Zunahme gegenüber dem Vorjahr – ist aber die USA. Ich führe dies auf den ganzen «Bush-Obama-Effekt» zurück. Es gibt Leute, die während der Bush-Regierung bewusst nicht in die USA gereist sind und das jetzt nachholen.


2008 eröffnete Globetrotter die 20. Filiale in der Schweiz. Werfen Sie Ihr Reisebüro-Netz in Zukunft weiter aus ? in der Schweiz oder sogar im Ausland?

Ich bin überzeugt, dass die Individualreise à la carte Zukunft hat. Krise hin oder her. Wir suchen derzeit deshalb auch Räumlichkeiten in Rapperswil, Solothurn ist ebenfalls ein Thema. Im Wallis sind Räumlichkeiten nicht das Problem, wir brauchen noch die geeignete Person, die dort eine Filiale aufbauen kann. Die Expansion ins Ausland ist dagegen kein Thema. Realistischer wäre da eher die Ausweitung des Filialnetzes auf die Städte Lausanne oder Genf, womit wir einem oft geäusserten Kundenwunsch entsprächen.


Seit dem 1. Januar 2009 ist Globetrotter Travel Service der offizielle Partner von Swiss Olympic. Welche Ziele verfolgen Sie mit dieser Kooperation? Und wie sind Sie damit bisher zufrieden?

Es ist eine WIN-WIN-Verbindung. Unsere Ziele sind einerseits kommerziell: Wir organisieren die  Reisen der Schweizer Athleten an die Olympischen Spiele. Dadurch wurden andere Sportverbände, die neben Swiss Olympic im Haus des Sports in Ittigen bei Bern domiziliert sind, auf unsere Leistungen aufmerksam, sie bauen jetzt etwa für ihre EM- und WM-Trainingslager auf uns. Dazu kommt, dass wir durch den Deal mit Swiss Olympic exklusiver Ticketagent für die Schweiz sind: Billette für die Olympiade bekommt man nur bei uns, verbunden mit der Buchung eines Flugs oder Hotels. Andererseits ist das Ganze auch ein Imagegewinn für uns. Wir sind stolz auf die Zusammenarbeit und kommunizieren sie auch entsprechend.


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Im Grossraum Zürich bieten Sie Reiseberatung beim Kunden zuhause an. Wie kommt diese innovative Geschäftsidee an?

So gut, dass wir jetzt auch in Bern mit zwei Freelance-Mitarbeiterinnen einen ähnlichen Service anbieten. Was wir zudem ganz neu anbieten, ist die persönliche Reiseberatung im einem Restaurant oder Café.


Was kostet dieser Service?

Zwischen 100 und 200 Franken mehr als bei uns in der Filiale. Wir müssen dem Kunden also einen echten Mehrwert bieten.


Wie steht es mit der Umsetzung des «Code of Conduct» gegen Kindersex-Tourismus, den Globetrotter 2007 unterzeichnet hat? Spüren Sie die Auswirkungen Ihrer Sensibilisierungsarbeit bei Mitarbeitenden und Kunden? 

Bei den Mitarbeitenden spüren wir das Engagement sehr. Sie wurden intern geschult nach dem Motto «Hin- statt wegschauen». Seitens der Kunden wissen wir nur, dass beim Bundesamt für Polizei bereits sieben Hinweise von Reisenden auf potentielle Geschehnisse im Bereich sexuelle Ausbeutung von Kindern in Ferienländern eingegangen sind. Da die Meldenden aber anonym bleiben, ist nicht bekannt, ob sie mit uns oder einem anderen Veranstalter reisten.


Seit 2007 greift Globetrotter auf Kuoni als Lieferanten für die Landleistungen zurück. Neuerdings kann man bei Ihnen zudem auch Business-Reisen buchen. Wie passen diese Veränderungen zum Image Ihrer Firma, die einst als alternativer Reiseveranstalter gegründet wurde?

Den alternativen One-Way-Goa-Reisenden «Joint Birkenstock» gibt es nicht mehr. Wir haben uns glücklicherweise zum Baukastenspeziallisten für alles und für jeden entwickelt: Für Studenten über VRPs bis hin zu Pensionären. Unser Geschäftserfolg basiert gerade darauf, dass wir uns auf der Service- und Produktlinie stark professionalisiert haben und auf die Top-Produkte von Kuoni zurückgreifen.


«Unser Job ist es, den Jungen authentisch und ehrlich mitzugeben, was wir für Fehler gemacht haben. Und wenn ich mit Tourismus-Studierenden arbeite, spüre ich oft, dass da wirklich ein Umdenken stattfindet.»


Auf was führen Sie Ihren Erfolg bei den Business-Reisen zurück?

Dass Leute, die früher als Hippie nach Goa reisten und heute als CEOs oder sonst in wichtigen Funktionen tätig sind, unsere lockere und zugleich professionelle und persönliche Betreuung nach wie vor schätzen.


Heute ist mancher Manager reif für die Insel. Was raten Sie Ihnen?

Ich sage immer: Manager verreist (lacht). Reisen ist eine Lebensschule.


Und welche Destinationen empfehlen Sie Ihnen?

Natürlich können Manager bei uns auch Ferien auf Mauritius und den Seychellen buchen, Golfplatz muss ebenfalls im Angebot sein. Aber es gibt immer mehr Managern, die lieber aktiv herumreisen. Oder beim Reisen etwas lernen wollen und eine Azoren-Reise mit Wetterfrosch Thomas Bucheli oder eine Politreise mit Nahost-Experte Arnold Hottinger in den Iran buchen. Auch die Antarktis ist eine klassische New-Manager-Destination.


Am diesjährigen Leader Circle der Schweizer Kader Organisation SKO vertraten Sie die Meinung, bald käme eine neue Generation von Führungskräften, die aus der Krise gelernt habe und deshalb eine andere, positivere Wertehaltung vertrete als ihre Vorgänger. Sind Sie da nicht zu blauäugig?

Vielleicht (lacht). Trotzdem glaube ich daran. Unser Job ist es, den Jungen authentisch und ehrlich mitzugeben, was wir für Fehler gemacht haben. Und wenn ich mit Tourismus-Studierenden arbeite, spüre ich oft, dass da wirklich ein Umdenken stattfindet. Der Nachwuchs ist noch nicht so in Systemen, Rollenbildern, Abhängigkeiten und Hierarchien gefangen wie wir und hat deshalb eine echte Chance, es anders zu machen und eine andere Führungskultur aufzubauen. Der neue Denkansatz geht Richtung Budgetabschaffung und mehr Eigenverantwortlichkeit.





André Lüthi, 48-jährig, ist seit 1992 CEO von Globetrotter Travel Service AG, gleichzeitig ist er Verwaltungsratspräsident der Globotrek & Background Tours AG. Nach einer Bäcker- und Konditoren-Lehre wechselte Andre Lüthi in die Reisebranche. Ab 1984 arbeitete er als Sachbearbeiter und Reiseleiter bei Baumeler AG in Luzern. Drei Jahre später wechselte er als Reiseberater zu Globetrotter und stieg dort 1989 zum Filialleiter auf. Lüthis Leidenschaft sind Reisen in den Himalaja, Kanu-Expeditionen in Alaska und Kanada, Bergbesteigungen in Südamerika und Russland.

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