von Patrick Gunti
Herr Burgener, in der Schweiz hat der positive Trend bei den Autoverkäufen auch im Juni angehalten. Gegenüber dem Vorjahr wurden 17,5 % oder 4500 Fahrzeuge mehr verkauft. Wie werten Sie die Entwicklung im ersten Halbjahr?
Der Automarkt entwickelt sich dieses Jahr erfreulich gut. Allerdings muss man die Zahlen genau analysieren und vergleichen: Wenn wir zurückschauen auf das Jahr 2008 wurden im ersten Semester 2,7% bzw. über 4’000 Neuwagen mehr verkauft als heuer. Trotzdem war 2009 bisher ein gutes Autojahr.
Welche Fahrzeuge verkauften sich in den letzten Monaten am besten?
Zurzeit fahren unsere Landsleute auf deutsche Autos ab: Die Rangliste wird vom VW Golf angeführt. Die deutschen Marken verkauften im ersten Halbjahr 2010 mehr Autos, trotzdem ging der Marktanteil minim zurück. Aber noch immer stammen fast 4 von 10 verkauften Autos aus Deutschland. Platz 2 in der Markenrangliste wird von Japan belegt und auch die Franzosen legten mit einem Plus von rund 29 % kräftig zu und liegen auf Rang 3 vor Italien.
Toyota war dieses Jahr von diversen Rückrufaktionen betroffen, Volvo wurde nach China und Saab in die Niederlande verkauft. Wie haben sich die Verkäufe dieser Marken entwickelt?
Toyota legte im Juni mit + 65,6% erheblich zu und liegt kumuliert erfreulicherweise bereits wieder in einem Plus von fast 5%. Der durch die technischen Probleme entstandene Imageverlust ist behoben. Volvo liegt auf Vorjahresniveau und wird sich dank neuer Modelle weiter entwickeln. Nach wie vor in einer schwierigen Situation befindet sich Saab. Nach den Turbulenzen der vergangenen Monate dürften die Kunden verunsichert sein, aber jetzt herrscht mit dem Verkauf der Marke an Königsegg ja Klarheit und bald wird es wieder aufwärts gehen ? Saab ist eine starke Nischenmarke und wird sich erholen.
«Wir befinden uns auf dem Weg der kontinuierlichen Verbesserung: Stichworte hier sind Motoren, Leichtbaumaterialien, rollwiderstandsärmere Bereifung aber auch Strassenbeläge, Alternativantriebe, usw..»&Andreas Burgener, Direktor auto-schweiz
2009 ist der durchschnittliche Treibstoffverbrauch der in der Schweiz zugelassenen Fahrzeuge auf 6,86 l/100 km gesunken, was einer Abnahme von 4 % entspricht. Die CO2-Emissionen sanken sogar um 4,6 %. Sind die Fahrzeuge auch effizienter geworden?
Neue Autos wurden nicht erst 2009 effizienter, dieser Prozess wurde schon vor Jahren eingeleitet und trägt jetzt Früchte. Das sieht man schon daran, dass z.B. die Direkteinspritzer-Benzinmotoren wieder mehr gefragt sind; Downsizing heisst hier das «Zauberwort». Inzwischen haben auch die Käufer geschaltet und zeigen grosses Interesse für sparsame, energieeffiziente und schadstoffarme Motoren. Bereits über die Hälfte der verkauften Neuwagen können den Energieeffizienzkategorien A und B zugeordnet werden.
auto-schweiz hat das Thema Energieeffizienz zuletzt aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Wie lautet Ihre Beschreibung eines energieeffizienten Wagens?
Energieeffizienz beschreibt das Verhältnis von Energiezufuhr und Energienutzen: Je besser die zugeführte Energie genutzt wird, desto grösser ist die Energieeffizienz. Ein Beispiel für die Steigerung der Energieeffizienz sind die neuen, treibstoffsparenden Technologien bei Autos: Es wird weniger Treibstoff (Aufwand) benötigt, um das Fahrzeug fortzubewegen (Leistung) als mit herkömmlichen Motoren.
Dr. Lino Guzzella, Professor für Thermotronik an der ETH Zürich, beschreibt das perfekte Auto von morgen so: Durchschnittsverbrauch 2 l/100 km, max. 800 kg schwer, kleinere aerodynamische und rollreibungsbedingte Verluste, hocheffizientes Antriebssystem. Wo befinden wir uns heute auf dem Weg zu diesem Fahrzeug?
Wir befinden uns auf dem Weg der kontinuierlichen Verbesserung: Stichworte hier sind im Sinne der letzten Frage Motoren, Leichtbaumaterialien, rollwiderstandsärmere Bereifung aber auch Strassenbeläge, Alternativantriebe, usw. Die Krux bei dem von Professor Guzzella beschriebenen Fahrzeug liegt natürlich beim Gewicht und bei der Sicherheit ? das ist eine enorme Herausforderung für die Hersteller, der man sich vorsichtig nähern muss, denn da geht es um Menschenleben.
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Elektrofahrzeuge sind eine vielbesprochene Alternative zu heutigen Antriebssystemen. Dr. Anja Peters vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung warnt aber vor zu hohen Erwartungen hinsichtlich der Marktentwicklung. Welche Probleme stellen sich?
Zuerst einmal dies: Benzin- und Dieselmotoren haben noch lange nicht ausgedient. Nämlich genau so lange, wie die Hauptprobleme beim Elektroantrieb nicht behoben sind: Hohes Gewicht, niedrige Reichweite aufgrund beschränkter Speicherkapazität und hohe Kosten. Umfragen zeigen, dass der Autokäufer nicht bereit ist, einmal erreichten «Komfort» wieder preiszugeben. Also wäre es falsch, alle Kräfte jetzt in die Elektromobilität zu werfen und die Effizienzsteigerung beim Verbrennungsmotor zu vernachlässigen. Man muss das eine tun und das andere nicht lassen.
Nicht nur die Hersteller sind gefordert, auch die Lenkerinnen und Lenker. Laut Guzzella könnten in der Schweiz 100 Mio. Liter Benzin oder Diesel sofort eingespart werden, wenn sie ihren Fahrstil auf Eco-Driving umstellen würden. Wie kann man Fahrzeughalter stärken in die Pflicht nehmen?
Das ist eine Frage der Information und Aufklärung, aber auch der Anreize. Die Behörden täten gut daran, mehr Geld in durchdachte Konzepte wie Eco-Drive oder Kaufanreize für hocheffiziente Fahrzeuge zu stecken als sich immer neue, kostspielige Schikanen – neuestes Beispiel sind die Abschnitts-Geschwindigkeitskontrollen – für die Automobilistinnen und Automobilisten einfallen zu lassen.
«Die Behörden täten gut daran, mehr Geld in durchdachte Konzepte wie Eco-Drive oder Kaufanreize für hocheffiziente Fahrzeuge zu stecken als sich immer neue, kostspielige Schikanen.»
Treibstoffarm, energieeffizient, umweltschonend müssen Autos heute für grosse Teile der Klientel sein. Welche Konzepte und Entwicklungen hat die Branche, um darauf reagieren zu können?
Die von der Autobranche entwickelten Konzepte sind ganzheitlich, sie entsprechen sowohl den Anforderungen der Kunden als auch der Umwelt, und zwar von der Entwicklung über die Produktion und den Gebrauch bis hin zur Entsorgung. Andere Produktionsbereiche könnten sich daran ein Beispiel nehmen. Keine andere Branche investiert so viel Geld in Forschung und Entwicklung wie die Autoindustrie. Jetzt sind auch einmal die Behörden am Zug: Dringende Vorhaben wie die Verflüssigung des Strassenverkehrs und die Verbesserung der Infrastruktur müssen dringend angepackt werden.
In der Kundenansprache hat sich Grundlegendes verändert. Auch hier stehen «grüne Werte» im Fokus, Leistung und PS wurden verdrängt. Welche Botschaften stehen ausserdem im Vordergrund oder umgekehrt: Welches sind neben dem Thema Energie die entscheidenden Kaufargumente?
Das ist in erster Linie der Kundenanspruch nach moderner, aber bezahlbarer Technologie im Markt der Volumenmodelle ? Vorreiter sind hier natürlich nach wie vor die Premiummarken. Weitere wichtige Kaufgründe sind der Platzbedarf, der Komfort und die Sicherheit.
Letzte Frage, die ich Sie bitte, in einem Satz zu beantworten. Was fasziniert Sie an Ihrem Job besonders?
Der technologische Fortschritt und die Entwicklung der individuellen Mobilität war noch nie so spannend wie heute.
Herr Burgener, herzlichen Dank für das Interview.
Zur Organisation:
auto-schweiz vertritt die Interessen von rund 40 offiziellen Automobil-Importeuren, die über ihre etwa 4500 Markenhändler in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein Personenwagen, leichte (bis 3.5t) und schwere (ab 3.5t) Nutzfahrzeuge, Busse und Cars im Wert von fast 12,7 Milliarden Franken vertreiben. auto-schweiz erbringt Dienstleistungen für ihre Mitglieder und die Öffentlichkeit in den Bereichen Statistik, Motorfahrzeugtechnik, Verkehrs- und Umweltpolitik, Treibstoffverbrauchsangaben für Personenwagen, Rückrufaktionen, etc. und setzt sich für die Motorfahrzeugbranche und die Automobilistinnen und Automobilisten ein.
Zur Person:
Andreas Burgener, seit 2003 Direktor auto-schweiz
Geburtsdatum: 21.01.1959
Zivilstand: ledig
Sprachen: Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch
Schulen / Studium
2000 ?2002 Nachdiplomstudium Executive MBA HSG Universität St. Gallen
1991 ?1992 Nachdiplomstudium Unternehmungsführung Ingenieurschule Burgdorf
1983 ?1986 Studium Automobilingenieur Ingenieurschule Biel
1982 ?1983 Technikumsvorbereitungsschule in Bern
1975 ?1979 Berufsschule in Solothurn
Zertifikate / Diplome
2002 Nach-Diplom in Unternehmensführung Executive MBA HSG
1992 Zertifikat Unternehmensführung
1986 Diplom Automobilingenieur HTL
1979 Fähigkeitsausweis Auto- / Lastwagenmechaniker