Andreas Burgener, Direktor auto-schweiz

von Patrick Gunti


Herr Burgener, im Juni sind die Autoverkäufe in der Schweiz gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,9 % zurückgegangen, aber gegenüber Mai um rund 14 % gestiegen. Wie werten Sie die aktuellsten Resultate, ist die Talsohle damit erreicht?

Ich glaube, dass wir punkto Rückgang bei den Neuwagenverkäufen die Talsohle erreicht haben. Der moderate Zuwachs gegenüber dem Vormonat lässt diesen Schluss zu. Deutlich schwieriger ist das Umfeld im Bereich schwere Nutzfahrzeuge. Die Bestelleingänge sind hier um 53% rückläufig.


Wie schätzen Sie die Entwicklung in den kommenden Monaten ein?

Das vorauszusagen ist schwierig. Vermutlich wird sich die Verkaufsbaisse weiter verlangsamen und der Automarkt wird sich langsam aber stetig erholen. Der Nutzfahrzeugbereich braucht aber eindeutige positive Signale aus der Wirtschaft, ansonsten verharren die Bestelleingänge auf sehr tiefem Niveau.


Insgesamt liegt das Resultat des ersten Halbjahres 2009 11,9 % hinter dem Vorjahreswert. Welche Bilanz ziehen Sie nach sechs Monaten, ist das Resultat in etwa wie erwartet oder doch weniger schlimm, als man von den Prognosen her hätte ausgehen können?

Realistischerweise musste man mit einem gewissen Verkaufsminus rechnen, unsere Prognose für das Jahr 2009 belief sich auf einen Absatzrückgang von 7 %. Nun liegen wir etwas tiefer, doch der Absatzrückgang hat auf dem Schweizer Markt weniger stark durchgeschlagen als in anderen Ländern.


«Ich glaube, dass wir punkto Rückgang bei den Neuwagenverkäufen die Talsohle erreicht haben.»


Wie steht die Schweiz mit den aktuellen Resultaten im europäischen Vergleich da?

Wir bewegen uns ungefähr im europäischen Mittel, aber verglichen mit einzelnen Ländern wie etwa Spanien, die rund 40% weniger Autoverkäufe hinnehmen müssen, stehen wir recht gut da. Es hätte viel schlimmer kommen können. Wir stellen erfreut fest, dass die Stimmung bei unseren Mitgliedern, den Importeuren, gut ist und man zuversichtlich in die Zukunft schaut. 


Die internationale Entwicklung in den Herstellerländern ist auch für die zahlreichen Autozulieferer in der Schweiz von grosser Bedeutung. Wie schätzen Sie deren aktuelle Situation ein?

Aufgrund der modernen Just-In-Time-Konzepte und durch langjährig bindende Verträge sitzen die Zulieferer natürlich mit den Herstellern im gleichen Boot, d.h. sie sind genauso der Krise unterworfen wie ihre Auftraggeber. Die Folge davon sind Kurzarbeit, im schlimmsten Fall sogar Entlassungen. In der Schweiz wären rund 310 Firmen mit insgesamt 34’000 Beschäftigten, die einen Jahresumsatz von immerhin 16 Mrd. Franken erwirtschaften, davon betroffen. 


Deutschland hatte dank der Abwrackprämie ein sattes Plus zu verzeichnen. Sie haben mehrmals auch für die Schweiz eine Abwrackprämie gefordert. Was würden Sie sich davon versprechen?

Für mich sind zwei Dinge ausschlaggebend: Erstens müssen wir dafür sorgen, dass möglichst viele neue, moderne, saubere und energieeffiziente Autos auf die Strassen kommen; das ist in Zeiten der Klimadiskussionen und der CO2-Minderungen einfach ein Muss. Und zweitens könnten mit einer Verschrottungsprämie für ältere Autos, sagen wir ab 13 Jahren, die Verkäufe angekurbelt und damit dem Autogewerbe, das ja in unserem Land ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist, schneller wieder auf die Beine geholfen werden. Nicht weniger wichtig scheint mir auch, dass aufgrund der Technologiesprünge in den letzten Jahren neue Autos einfach sicherer sind als ältere Fahrzeuge. 


Und wer würde die Kosten die Massnahme tragen?

Das «Kässeli» zur Finanzierung dieser Massnahme ist randvoll: Unsere Autofahrerinnen und Autofahrer ? die meisten sind sich dessen zwar leider nicht bewusst  ? bezahlen beim Kauf eines Neuwagens vier Prozent  Automobilsteuer, dies generiert pro Jahr mindestens 300 Mio. Franken, die der allgemeinen Bundeskasse zufliessen und von denen niemand weiss, wie sie verwendet werden. Bei einer Verschrottungsprämie wären diese Mittel zumindest zweckgebunden.


Der ökonomische Aspekt der Abwrackprämie ist umstritten. Werden damit nicht einfach heute Autos verkauft, die damit in 1-2 Jahren nicht mehr verkauft werden können?

Sozusagen automatisch werden mit solchen Förderungsmassnahmen auch ein Teil der Verkäufe vorgezogen, das ist der sogenannte Mitläufereffekt, aber das ist sicher nicht das Gros. Unsere Idee war ja auch, nur für hocheffiziente Neuwagen eine Prämie zu bezahlen, im Sinne einer CO2-Reduktion. Und wenn der Patient sich heute nicht wohlfühlt und kränkelt, holt er sich auch nicht erst  1-2 Jahren ärztliche Hilfe, sondern jetzt. Was eine solche Aktion bewirken kann, sieht man am Beispiel von Deutschland, dessen Autoverkäufe in einem satten Plus von 26.1% liegen.


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Hat sich bei den Verkäufen der letzten Monate der Trend hin zu kleineren, effizienteren und sparsameren Autos verstärkt? Wie hoch ist der Anteil der Modelle der Energieeffizienzkategorien A und B?

Nicht nur der Trend hin zu diesen Autos ist ausgeprägter geworden, auch der durchschnittliche Treibstoffverbrauch ist innert Jahresfrist um bemerkenswerte 3,9 % gesunken, und damit auch der CO2-Ausstoss. Herr und Frau Schweizer achten also explizit auf einen niedrigeren Treibstoffverbrauch. Das schlägt sich auch in den Zahlen nieder: Zwei Drittel aller Neuwagenverkäufe können den drei besten Energieeffizienzkategorien A ? C zugeordnet werden.


Der dritte Mobilitätsmonitor des Forschungsinstituts gfs.bern im Auftrag von auto-schweiz hat gegenüber 2007 eine deutliche Priorisierung des Umweltaspekts ergeben. So umweltfreundlich wie möglich lautet das Motto einer deutlichen Mehrheit. Welche alternativen Antiebssysteme stehen dabei im Vordergrund?

Im Moment liegt die Nachfrage nach einer echten Alternative ganz klar beim Hybridantrieb. Aber auch Benzin- und Dieselmotoren mit ihren treibstoffsparenden und umweltschonendenTechnologiepaketen wie Efficient Dynamics, BlueTec, BlueMotion und wie sie alle heissen, erfreuen sich grosser Beliebtheit. In Zukunft wird der Elektroantrieb eine wesentliche Rolle spielen, daran arbeiten praktisch aller Hersteller mit Volldampf.


Gleichzeitig hat die Handlungsbereitschaft, etwas zum Klima- und Umweltschutz beizutragen, abgenommen. Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch?

Aktuell wird diese Handlungsbereitschaft – so sagt die repräsentative Studie, abzurufen unter www.cleverunterwegs.ch – von der Finanz- und Wirtschaftskrise überlagert. Ist diese einmal überwunden, und einige Zeichen deuten darauf hin, dass dies schon recht bald der Fall sein könnte, wird sich das Blatt wieder zugunsten des Umweltschutzes wenden.


Der seit Monaten diskutierte VW-Porsche-Deal, Fiat neuer Mehrheitsaktionär bei Chrysler, Ausverkauf bei GM – in der Automobilindustrie bleibt derzeit kaum ein Stein auf dem anderen. Wie werden Deals dieser Art die Automobilindustrie verändern?

Die Zahl der Autohersteller wird weiter ausgedünnt, es wird noch weniger, dafür aber bedeutend grössere geben als heute. Und es wird auch niemand mehr, selbst nicht der Mächtigste und Erfolgreichste, um Kooperationen herumkommen ? erbitterte Gegner auf dem Markt werden sich an den gleichen Tisch setzen und schauen, wie sie schneller, effizienter und kostengünstiger voran kommen. Solange diese Bemühungen uns, also den Kunden zugute kommen, und darum geht es im Endeffekt ? wunderbar!


Herr Burgener, besten Dank für das Interview.





Zur Organisation:


auto-schweiz vertritt die Interessen von rund 40 offiziellen Automobil-Importeuren, die über ihre etwa 4500 Markenhändler in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein Personenwagen, leichte (bis 3.5t) und schwere (ab 3.5t) Nutzfahrzeuge, Busse und Cars im Wert von fast 12,7 Milliarden Franken vertreiben. auto-schweiz erbringt Dienstleistungen für ihre Mitglieder und die Öffentlichkeit in den Bereichen Statistik, Motorfahrzeugtechnik, Verkehrs- und Umweltpolitik, Treibstoffverbrauchsangaben für Personenwagen, Rückrufaktionen, etc. und setzt sich für die Motorfahrzeugbranche und die Automobilistinnen und Automobilisten ein.
 
Zur Person:


Andreas Burgener, seit 2003 Direktor auto-schweiz


Geburtsdatum: 21.01.1959
Zivilstand: ledig
Sprachen: Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch


Schulen / Studium
2000 ?2002 Nachdiplomstudium Executive MBA HSG Universität St. Gallen
1991 ?1992 Nachdiplomstudium Unternehmungsführung Ingenieurschule Burgdorf
1983 ?1986 Studium Automobilingenieur Ingenieurschule Biel
1982 ?1983 Technikumsvorbereitungsschule in Bern
1975 ?1979 Berufsschule in Solothurn


Zertifikate / Diplome
2002 Nach-Diplom in Unternehmensführung Executive MBA HSG
1992 Zertifikat Unternehmensführung
1986 Diplom Automobilingenieur HTL
1979 Fähigkeitsausweis Auto- / Lastwagenmechaniker

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