Andreas Burgener, Direktor auto-schweiz

von Patrick Gunti


Herr Burgener, in Folge der Finanzkrise und der nachlassenden konjunkturellen Entwicklung ist auch die Automobilindustrie in die Krise geschlittert. Wie schlimm ist die Lage der Branche?

Im Gegensatz zu praktisch allen anderen europäischen Ländern, die zum Teil massive Verkaufseinbrüche zu verzeichnen haben, stehen wir in der Schweiz noch gut da. Die Neuwagenverkäufe sind auch im Oktober stabil geblieben, liegen sogar minim über dem Vorjahresmonat.


Welches Resultat erwarten Sie für das Gesamtjahr?

Wir rechnen mit einem leichten Wachstum von maximal 1 Prozent. Die Neuwagenverkäufe werden sich so um die 285’000 Einheiten herum einpendeln.


Anfang November fand die Messe Auto Zürich statt. Lassen sich auf Grund der Nachfrage an dieser Auto-Show Rückschlüsse auf die Entwicklung für das kommende Jahr ziehen und von welchen Zahlen gehen Sie für 2009 aus?

Die Auto-Zürich Car Show ist zwar ein recht guter Indikator, trotzdem aber nicht repräsentativ für das ganze Land. 2009 wird auf jeden Fall eine grosse Herausforderung für die Importeure und ihre Händler. Als oberste Zielgrösse haben wir 280’000 Neuwagenverkäufe im Visier.


«Der Trend zu kompakteren, energieeffizienten und sparsamen Modellen ist offensichtlich.» (Andreas Burgener, Direktor auto-schweiz)


Renault-Generaldirektor Patrick Pélata rechnet für 2009 mit einem Rückgang des europäischen Automarkts um etwa 20 %. Halten Sie einen entsprechenden Verkaufseinbruch in der Schweiz für möglich?

Nein. Gerade in Zeiten eines technologischen Um- und Aufbruchs bei den Herstellern, die auch nächstes Jahr viele Neuheiten auf den Markt bringen werden, halte ich einen solchen Verkaufsrückgang für unwahrscheinlich. Und mit über 1,3 Millionen 10-jährigen und älteren Modellen auf den Strassen gibt es in der Schweiz einen nicht zu unterschätzenden Ersatzbedarf.


Welches Segment und welche Hersteller sind von der bereits oder dann im kommenden Jahr nachlassenden Nachfrage betroffen und welche Wagen werden derzeit noch am meisten nachgefragt?

Die Schweizer kaufen kleinere Autos: Der Trend zu kompakteren, energieeffizienten und sparsamen Modellen ist offensichtlich. Allein die Microwagen haben um fast einen Drittel zugelegt, und auch bei den Kleinwagen sowie in der oberen und unteren Mittelklasse registrieren wir ein deutliches Plus. Bei den grösseren, d.h. stark motorisierten und teuren Autos zeichnet sich ein Rückgang ab.


Der Trend hin zu kleineren, effizienteren und sparsameren Autos dürfte sich also verstärken, aus wirtschaftlichen, aber auch aus Umweltschutzgründen?

Sagen wir es einmal so: Die Konsumenten handeln auch ohne behördliche Eingriffe und immer mehr einschränkende Vorschriften eigenverantwortlich im Sinne des Klimaschutzes und der Energieeffizienz. Sie nutzen die neuen Technologien, die ihnen die Autoproduzenten zur Verfügung stellen: Kompakte, leistungsfähige, sichere und sparsame Autos.


$$PAGE$$


Welche Auswirkungen könnte die Krise auf das Leasinggeschäft haben?

Hier sehe ich vor allem das latente Risiko der Restwertberechnungen bzw. gewisser sich möglicherweise abzeichnender Restwertverluste bei grossen, «muskelbepackten» Autos, vor allem bei den klassischen Premium-Limousinen. Auch mit Blick auf die Occasionslager bei den Händlern mache ich mir da schon Sorgen.


Praktisch alle Automobilhersteller verfügen Produktionsstopps, entlassen Mitarbeiter, setzen auf Kurzarbeit und/oder ersuchen um staatlichen Schutz. Welche Auswirkungen sind auf die Niederlassungen der Hersteller in der Schweiz zu erwarten?

Die Auswirkungen solcher Massnahmen sehe ich allenfalls in längeren Lieferfristen für bestimmte Modelle. Dazu aber noch dies: Ich finde es allemal besser, rechtzeitig die Produktion zurückzufahren, die Mitarbeiter in verlängerte Feiertagsferien zu schicken oder auf Kurzarbeit zu setzen, als Autos auf Halde zu produzieren – denn Überproduktion führt zu unrentablen Rabattschlachten und Margenverlusten bei Herstellern, Importeuren und Autohändlern. In der Folge fehlt dann das Geld für weitere Investitionen in neue Technologien, Modelle und in das Personal.


Die grössten Probleme haben die US-Automobilhersteller GM, Ford und Chrysler. Haben diese einfach zu lange auf grosse und viel Treibstoff verbrauchende Modelle gesetzt, die sich im wirtschaftlich gebeutelten Land nun viele Menschen nicht mehr leisten können, oder wurden auch andere Fehler gemacht?

Während vieler Jahre verlangte der US-Markt nach solchen Modellen. Für die Hersteller und die Händler verkörperten sie willkommene «Cashcows». Aber der Wind hat sich gedreht, die Wirtschaft dümpelt dahin und die Amerikaner mussten sich an Treibstoffpreise gewöhnen, die für sie nur schwer vorstellbar waren. Vermutlich wurde mit der Entwicklung neuer, zeitgemässer Autos zu lange zugewartet – das Resultat ist bekannt. 


Werden die grossen drei der US-Automobilindustrie «überleben» – oder wo könnte aus ihrer Sicht eine Fusion Sinn machen?

In den Vereinigten Staaten ist die Autoindustrie eine Schlüsselindustrie, die man schon wegen der Arbeitsplätze nicht einfach so fallen lassen kann. Das hat auch der designierte Präsident Obama bereits deutlich durchblicken lassen und man kann davon ausgehen, dass die amerikanischen Hersteller finanzielle Hilfe staatlicherseits erhalten werden. Weitere Fusionen sind meines Erachtens wenig sinnvoll, denn schiere Grösse war noch nie ein Garant für Innovationsfähigkeit. Und genau das braucht die amerikanische Autoindustrie, wenn sie wieder vorne mitmischen will.&


Wie beurteilen Sie die Situation bei den europäischen und asiatischen Herstellern?

Neben tauglichen Massnahmen zur Überbrückung der Wirtschaftsflaute sehe ich hier die grösste Herausforderung bei den durch die Europäische Union gesetzten CO2-Zielen. Das Problem für die Autoindustrie besteht nicht darin, dass diese erreicht werden, sondern vielmehr, wann dies realistischerweise der Fall sein könnte. Aber nehmen wir doch ein anderes Beispiel: Bei der Renovation sanierungsbedürftiger Bauten geht es ja auch nicht von heute auf morgen, weil schlussendlich alles bezahlbar sein muss.


Herr Burgener, besten Dank für das Interview.





Zur Organisation:
auto-schweiz vertritt die Interessen von rund 40 offiziellen Automobil-Importeuren, die über ihre etwa 4500 Markenhändler in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein Personenwagen, leichte (bis 3.5t) und schwere (ab 3.5t) Nutzfahrzeuge, Busse und Cars im Wert von fast 12,7 Milliarden Franken vertreiben. auto-schweiz erbringt Dienstleistungen für ihre Mitglieder und die Öffentlichkeit in den Bereichen Statistik, Motorfahrzeugtechnik, Verkehrs- und Umweltpolitik, Treibstoffverbrauchsangaben für Personenwagen, Rückrufaktionen, etc. und setzt sich für die Motorfahrzeugbranche und die Automobilistinnen und Automobilisten ein.
 
Zur Person:
Andreas Burgener, seit 2003 Direktor auto-schweiz


Geburtsdatum: 21.01.1959
Zivilstand: ledig
Sprachen: Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch


Schulen / Studium
2000 -2002 Nachdiplomstudium Executive MBA HSG Universität St. Gallen
1991 -1992 Nachdiplomstudium Unternehmungsführung Ingenieurschule Burgdorf
1983 -1986 Studium Automobilingenieur Ingenieurschule Biel
1982 – 1983 Technikumsvorbereitungsschule in Bern
1975 – 1979 Berufsschule in Solothurn


Zertifikate / Diplome
2002 Nach-Diplom in Unternehmensführung Executive MBA HSG
1992 Zertifikat Unternehmensführung
1986 Diplom Automobilingenieur HTL
1979 Fähigkeitsausweis Auto- / Lastwagenmechaniker

Exit mobile version