Andreas Wicki, CEO HBM Healthcare Investments, im Interview
von Robert Jakob
Moneycab.com: Herr Wicki, trotz 5,5 Prozent Dividendenabgang verbleiben HBM 100 Millionen Franken zu Investitionszwecken in der Kasse. Bringt Ihnen der Brexit jetzt Schnäppchenpreise?
Andreas Wicki: Generell lässt sich der Effekt des Brexit’s derzeit noch nicht abschliessend beurteilen, er dürfte aber für weltweit tätige Gesundheits-Unternehmen mit diversifiziertem Geschäftsmodell limitiert sein. Wir werden unsere freien Mittel in vielversprechende, junge, aufstrebende private Biotech-Gesellschaften investieren. Ob Schnäppchen oder nicht lässt sich meist erst nach Jahren abschliessend beurteilen, da erfolgreiche Wertsteigerung Zeit braucht.
Mit dem Kauf von Put-Optionen auf das Pfund hatten ja Sie dieses Mal ein glückliches Händchen. War das Berechnung oder Intuition?
Wir verfolgen die Situation an den Devisenmärkten im Rahmen des Portfolio- und Risikomanagements kontinuierlich – nicht zuletzt aufgrund unserer hohen Fremdwährungsquote von gegen 90 Prozent. Unser Pfund-Exposure lag im Durchschnitt über die vergangenen Jahre bei stattlichen 15 bis 20 Prozent. Die steigende Unsicherheit im Vorfeld der Abstimmung und der doch substanzielle Anteil britischer Pfund-Investitionen am Portfoliowert hat uns letztlich bewogen das Währungsrisiko abzusichern.
«Unser Pfund-Exposure lag im Durchschnitt über die vergangenen Jahre bei stattlichen 15 bis 20 Prozent.»
Andreas Wicki, CEO HBM Healthcare Investments
Eine Viertel Milliarde wurde in den letzten Jahren für Rückkäufe eigener Aktien verwendet, trotzdem bleibt der Discount des Aktienkurses zum NAV bei einem Viertel. Was können Sie da noch machen?
Den Aktienpreis bestimmen letztendlich die Aktionäre. Wie verfolgen eine sehr aktionärsfreundliche Politik und zielen auf eine ausgewogene Balance zwischen Investitionen und Ausschüttungen. Die Aktionäre erhalten eine Ausschüttungsrendite von mehr als 5 Prozent pro Jahr in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen.
Auf der Generalversammlung wurde das neue dreijährige Programm zum Rückkauf von bis zu 10 Prozent eigener Aktien mit 98 Prozent der Stimmen ja gutgeheissen. Offenbar hoffen auch die Anleger, dass sich die Lücke zum inneren Wert schliesst?
Es ist unsere Absicht eine kontinuierliche und stabile Ausschüttungspolitik zu verfolgen. Dazu gehören die Aktienrückkäufe als sinnvolles Instrument.
Im letzten Geschäftsjahr waren es die privaten, also nicht-kotierte Unternehmen, die mit netto 15,5 Franken HBM in die Gewinnzone hievten. Könnte 2016 genau umgekehrt laufen?
Dies hängt sehr stark davon ab, wie sich die Kurse an den Aktienmärkten generell entwickeln und die Portfoliogesellschaften im Einzeln. Wir erwarten in den kommenden Monaten von AAA, Pacira und Ophthotech aus dem börsenkotierten Portfolio relevante Ereignisse mit potenziell substanziellem Wertbeitrag. Im Allgemeinen haben die Schwankungen in den letzten Wochen etwas abgenommen, jedoch bleibt das Sentiment, insbesondere im Sektor, eher fragil. Die wiederkehrenden, politisch motivierten Diskussionen über angeblich zu hohe Medikamentenpreise drücken auf die Stimmung. Zudem hängt der Erfolg auch von unseren Beteiligungen im privaten Bereich ab. Sollte hier ein Börsengang oder ein Unternehmensverkauf stattfinden, kann es sehr schnell einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung des Vermögens haben.
Skyepharma macht knapp 18 Prozent des Nettovermögens aus. Ein Klumpenrisiko?
Bei Skyepharma sind wir seit 2005 investiert und haben die Entwicklung des Unternehmens eng verfolgt. Nach dem die US-Gesundheitsbehörde FDA im 2007 die Zulassung für ihr Hauptprodukt Flutiform, ein Asthma-Inhalationsgerät, verweigert hatte, fehlten Skyepharma signifikante Umsätze, und die Gesellschaft kämpfte mit einer grossen Schuldenlast. Das Unternehmen machte in den darauf folgenden Jahren bedeutende operative Fortschritte. HBM hat 2013/14 seine Position vor und bei der Kapitalerhöhung – zum Zwecke des Rückkaufs der ausstehenden Obligationenanleihe – signifikant ausgebaut. Der Börsenwert entwickelte sich rasant positiv. Im Frühsommer 2016 erfolgte der Zusammenschluss mit der britischen Vectura, ebenfalls eine Gesellschaft mit Fokus Atemwegserkrankungen. Durch den Zusammenschluss entstand eine Gesellschaft mit einem Marktwert von weit über 1 Milliarde Dollar und erheblichem Wertsteigerungspotenzial.
HBM konnte im Zuge der Vectura-Fusion rund einen Fünftel der Position verkaufen. Vectura macht nun noch rund 16 Prozent des Nettovermögens aus bei einem Wert von rund 147 Millionen Franken per Mitte Jahr.
Nummer zwei bei Ihren kotierten Unternehmen ist frisch nach dem Börsengang Advanced Accelerator Applications (AAA). Was erwarten Sie hier für die Zukunft?
«Wir erwarten in den kommenden Monaten von AAA, Pacira und Ophthotech aus dem börsenkotierten Portfolio relevante Ereignisse mit potenziell substanziellem Wertbeitrag.»
Bei AAA steht Ende Jahr der Entscheid bezüglich der US-Marktzulassung für den Medikamentenkandidaten Lutathera zur Behandlung von seltenen neuroendokrinen Tumoren an. 2017 ist auch noch die EU-Zulassung möglich. Die Phase 3-Studiendaten zeigten eine signifikante Überlegenheit zu mit Sandostatin LAR von Novartis behandelten Patienten. Sandostatin LAR von Novartis sowie weitere auf dem Markt erhältliche Medikamente in ähnlichen Indikationsgebieten erzielten 2015 Umsätze von über 1 Milliarde Dollar. Im Vergleich dazu beträgt die Marktkapitalisierung von AAA derzeit etwas mehr als 1 Milliarde Dollar. Entsprechend besteht nach dem Zulassungserfolg bei AAA noch Luft nach oben.
Im letzten Jahr gab es auch einige Enttäuschungen. So schmetterte die FDA den Antrag von PTC auf Zulassung des Medikamentes Translarna ab. Daraufhin brach der Aktienkurs Ihrer Beteiligung um 90 Prozent weg. Wird die amerikanische Zulassungsbehörde in den nächsten Jahren strengere Massstäbe anlegen, weil die Gesundheitskosten explodieren?
Generell lässt sich sagen, dass ein Therapeutikum zur Zulassung ein vorteilhaftes Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil aufweisen muss. Zudem spürt die FDA wohl auch den Druck der Zahler, die bereits heute intensiv prüfen, ob ein vorteilhaftes Kosten-Nutzen-Verhältnis vorliegt beziehungsweise ein unerfüllter medizinischer Bedarf abgedeckt wird. Dies ist bei Translarna, und insbesondere bei potenziellen Medikamenten zur Behandlung der Duchenne Muskeldystrophie (DMD), für die derzeit keine Therapie existiert, klar gegeben. Interessanterweise erlebten andere Gesellschaften im DMD-Bereich kürzlich ähnliche Rückschläge (unter anderem Biomarin und Sarepta). In Europa hat Translarna von PTC, unter der Auflage von zusätzlichen Studien, die Marktzulassung vor rund zwei Jahren erhalten und dürfte im laufenden Jahr Verkäufe von 70 bis 80 Millionen Dollar erwirtschaften.
Nach Ihrer sehr erfolgreichen Beteiligung Ophthotech haben Sie sich mit Iconic Therapeutics erneut an einem Biotech-Unternehmen beteiligt, das ein Mittel gegen die feuchte Form der altersbedingten Makula-Degeneration entwickelt. Ist dieser Milliardenmarkt nicht irgendwann gesättigt?
Der Markt beläuft sich heute weltweit auf Verkäufe von rund 8 Milliarden Dollar pro Jahr, wird dominiert von einigen wenigen Wettbewerbern und wächst mit durchschnittlich über 20 Prozent jährlich. Grund für das Wachstum ist die Zunahme von Neuerkrankungen getrieben durch die demografische Entwicklung und die frühere Diagnostizierung. Eine Heilung der Krankheit ist nicht in Sicht, jedoch lässt sich das Sterben der Sehzellen, die zum Verlust der Sehfähigkeit führen, mit heutigen verfügbaren Therapien verlangsamen und mittelfristig verbessern. Bei längst nicht allen Patienten ist ein positiver Behandlungseffekt zu beobachten oder die Sehfähigkeit lässt nach 1 bis 2 Jahren wieder nach. Es gibt also Platz für Behandlungsverbesserungen.
Auf welche Weise wirken denn die neuen Mittel gegen Makula-Degeneration?
Die auf dem Markt zugelassenen oder sich in später Entwicklung befindenden Therapien fokussieren sich insbesondere auf die Hemmung der Botenstoffe (Wachstumsfaktoren) VEGF und PDGF, welche für die Gefässneubildung und die vermehrten Leckage dieser Gefässe verantwortlich sind. Iconic differenziert sich mit einem neuartigen Ansatz von der Konkurrenz. Die potenzielle Behandlungsform fokussiert sich auf den Gewebefaktor (tissue factor). Eine Behandlung ist komplementär zu den anti-VEGF und anti-PDGF Therapien und könnte potenziell zu einem langfristig besseren Behandlungserfolg in Form von anhaltender Sehfähigkeit führen.
Zum ersten Mal haben Sie sich mit einer kleineren Summe (4 Millionen Dollar) in Indien bei einem Pharma-Zulieferunternehmen engagiert. Wie unterscheidet sich der indische vom amerikanischen oder europäischen Markt?
Indien ist die Heimat zahlreicher etablierter Generikahersteller und verfügt über hervorragend positionierte Verfahrensentwickler. Zudem ist der Heimmarkt auf absehbare Zeit einer der am stärksten wachsenden Pharmamärkte (mehr als 15 Prozent Wachstum pro Jahr). Auf unserem Radar sind einige vielversprechende Wachstumsfirmen.
Zur Person:
Andreas Wicki ist ein erfolgreicher Unternehmer und Investor im Bereich des Gesundheitswesens und verfügt über mehr als zwanzig Jahre Erfahrung in der Pharma- und Biotechnologiebranche. Er war Miteigentümer und Geschäftsführer der ANAWA Holding AG und der Clinserve AG, zwei Auftragsforschungsgesellschaften für Analyse, Logistik und Datenmanagement klinischer und präklinischer Studienproben. Wicki studierte Chemie und Biochemie an der Universität Bern, schloss mit dem Doktorexamen ab und war u.a. Mitglied im Verwaltungsrat der Basilea und PharmaSwiss. Er ist aktiver VR bei Buchler GmbH, Pacira Inc. und HBM Healthcare Investments (Cayman) Ltd.
Zum Unternehmen
Die Beteiligungsgesellschaft HBM Healthcare Investments investiert im Sektor Gesundheit und hält gegenwärtig ein internationales Portfolio von rund 25 erfolgversprechenden Unternehmen in Humanmedizin, Biotechnologie, Medizinaltechnik und Diagnostik sowie verwandten Gebieten. Die Hauptprodukte vieler dieser Unternehmen sind in fortgeschrittener Entwicklung oder bereits am Markt eingeführt. Die Unternehmen werden eng begleitet und in ihrer strategischen Ausrichtung aktiv unterstützt. HBM Healthcare Investments wird von einem internationalen Aktionariat getragen und ist an der SIX Swiss Exchange kotiert.