Es werden Tausende von Personenstunden in die Budgetierung investiert, der Prozess dauert Monate. Auf allen Ebenen werden hitzige Diskussionen geführt. Der Zeitplan wird überzogen, und es gibt zahlreiche Schleifen und Iterationen. Zu viel des Guten?
von Andrew Mountfield
Machen wir den Google-Test: Sage und schreibe 74.300 Hits erhält man, wenn man «Budget», «Process» und «Dissatisfaction» eingibt.
Die meisten Budgetprozesse sind, was ich «Rückwärts-Ferngläser» nenne: «Man schaut konzentriert durch und sieht das Business von gestern. Meine Erkenntnis: Das Budget in seiner jetzigen Form gehört einfach abgeschafft. Warum? Weil das Perfide an konventionellen Budgetprozessen ist, dass sie vieles kaputt machen, was mit Mühe im Unternehmen aufgebaut wurde. Schwache Unternehmen gehen häufig den Weg des geringsten organisatorischen Widerstandes: das verfügbare Geld wird weitgehend anhand des Vorjahresbudgets verteilt. Aber nicht die eher zufällige Anzahl Mitarbeiter auf einer Kostenstelle sollte unser Massstab sein, sondern das, was wir als Organisation erreichen wollen.
Point the gun at the competition, not at yourself
Statt das Vorjahr als Basis für die Kalkulation des Ressourcenbedarfs zu nehmen, sollte man einen Vergleich mit entsprechenden Konkurrenten mit vergleichbarer strategischer Ausgangslage anstreben. Oder falls dies nicht möglich ist, vergleichbare Organisationseinheiten innerhalb des Unternehmens als Basis nutzen.
«Wir müssen neue, externe Kundeninformationen oder Aktionen der Konkurrenz rasch in unser Handeln integrieren.»
You can fool yourself, but you can’t fool the market
Um die Erwartungen der Investoren möglichst eng mit den internen Planungssystemen zu verbinden, verwenden wir vergleichbare Messgrössen in der Kommunikation an die Investoren und bei den Zielvorgaben für die eigene Organisation.
It’s the strategy, stupid!
Ziele gehören quantifiziert und sollten stufengerecht auf die Ebene delegiert werden auf welcher die Aktion stattfinden soll. Ich nutze relevante Industrie-Benchmarks oder entsprechende Ratios, eingebettet in Balanced Scorecards, welche den Grad der Umsetzung der Strategie messen, statt die Zeit mit dem Herunterbrechen sämtlicher Kostenarten bis auf Molekülebene zu verschwenden. Wir sollten die strategischen Schwerpunkte der Organisation unmittelbar aus dem Budget ablesen und steuern können.
Your competitors don’t wait 12 months to react, why should you?
Sogenannte rollierende Prognosen als Ergänzung oder sogar Ersatz von Planung und Budgetierung haben sich längst in der Praxis bewährt. Es leuchtet uns allen ein, dass wir neue, externe Kundeninformationen oder Aktionen der Konkurrenz rasch in unser Handeln integrieren müssen, um Ressourcen flexibel an den richtigen Ort zu lenken. Warum also erwarten, dass Ihre Wettbewerber sich an Ihre Budgetplanung halten werden? Eine quartalsweise überarbeitete qualitative und quantitative Planung, zeitlich auf die typischen Zyklen in Ihrer Industrie ausgerichtet – integriert mit einer regelmässigen Strategie-Überprüfung – ist sicher effektiver.
Der Autor
Andrew Mountfield
Andrew Mountfield (40), gebürtiger Engländer, ist Berater bei IBM Business Consulting Services. Er hält eine Professur für strategische Unternehmensführung an der privaten Hochschule für Wirtschaft und doziert an der Hochschule St. Gallen sowie an der Strathclyde Graduate Business School in Schottland. Bei IBM Business Consulting Services (früher PwC Consulting) ist er seit rund zehn Jahren tätig, davor sammelte er Erfahrungen in der Pharmaindustrie und in der Strategieberatung.Kontakt:
andrew.mountfield@ch.ibm.com