Die EZB hat neue Töne angeschlagen. Die zuvor noch beobachtete verbale Zurückhaltung der EZB vor dem September-Zinsmeeting war jüngst von den Marktteilnehmern als klares Signal gewertet worden, dass eine Zinssenkung vorerst nicht ins Haus steht.
EZB-Chef Willem (Wim) Frederik Duisenberg
Nun legt die EZB nach: Der Entscheid, die Zinsen unverändert zu las-sen, sei darauf zurückzuführen, dass die Inflationsperspektiven nach wie vor günstig seien. Im Klartext: Hier wurde keine weitere Zinssenkung diskutiert, sondern zum ersten Mal die Frage gestellt, ob eine Verschlechterung des Inflationsausblicks und damit die Notwendigkeit von Zinserhöhungen ins Haus stünde.
Risiken dafür können durchaus gesehen werden – zum Beispiel der anhaltend hohe Ölpreis und insbesondere die deutliche Wachstumsbeschleunigung in den USA, die zumindest kurzfristig auf den Euro drückt. In ihrem jüngsten Monatsbericht geht die EZB denn auch davon aus, dass die Inflationsraten erst im Jahr 2004 unter die 2%-Marke fallen. Für uns heisst dies, dass die EZB die Zinsen in diesem Jahr nicht mehr senken dürfte. Zwar lässt sie sich ein realwirtschaftliches Hintertürchen offen: Die negativen Wachstumsrisiken hätten sich zwar verringert, seien aber nicht verschwunden. Hier zeigt sich die von uns am 1. September beleuchtete Vorsicht der EZB.
Die Frühindikatoren in der Euro-Zone weisen nordwärts und insbesondere das Konjunktursorgenkind Deutschland wartete in den vergangenen Monaten mit guten Stimmungsindikatoren auf. Dass freilich diese Hoffnung trügerisch sein kann, belegt die Erfahrung mit dem misslungenen 2002er-Aufschwung in Deutschland.
Wenngleich eine erneute Zinssenkung nicht auszuschliessen ist (Stichwort Wachstumsenttäuschung), wird die EZB vorerst abwarten, ob sich zum einen die erhoffte Wachstumsbelebung auch in der Euro-Zone realisiert und ob zum anderen die Inflationsraten ab 2004 wirklich südwärts tendieren.Damit ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die europäischen Währungshüter in der nächsten Zeit eher negative Zinssignale aussenden, die insbesondere bei den Geldmarkt-Futures auf die Preise drücken können.
Die Autorin
Anja Hochberg
Anja Hochberg (Jahrgang 1970) studierte in Berlin Wirtschaftsgeschichte, Volkswirtschaft und Rechtswissenschaft, absolvierte am Europa-College in Brügge erfolgreich ein Postgraduate-Studium in «International Economics» und promovierte an der University of Wales. Dort war sie zudem 4 Jahre als Dozentin für Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt «Internationale Finanzmärkte» tätig. Im Frühsommer 1999 tauschte Frau Hochberg akademische Verantwortung gegen volkswirtschaftliche Praxis und wechselte in die volkswirtschaftliche Abteilung der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) nach Frankfurt. Dort zeichnete sie für die Analyse der G7-Ökonomien und der Finanzmärkte verantwortlich. Seit Januar 2001 ist Frau Hochberg für die Credit Suisse tätig, zunächst im Economic Research & Consulting für die Analyse der Weltkonjunktur und die Zinsentwicklung zuständig, übernahm sie im Januar 2002 die Leitung des Bereichs Fixed Income & Forex Analysis.Kontakt:
anja.hochberg@credit-suisse.com