Antoine Duchateau, CEO Odyssey Financial Technologies
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Duchateau, die Finanzkrise aus den USA hat sich zur weltweiten Wirtschaftskrise ausgeweitet. Welchen Einfluss hatte dies auf das Ergebnis von Odyssey Financial Technologies im 2008 und wie sehen Sie das Jahr 2009 bezüglich Umsatz und Profit?
Antoine Duchateau: Trotz der Unsicherheit im Finanzmarkt sind wir in der glücklichen Lage, eine höhere Anzahl an Neukunden als je zuvor vermelden zu können, besonders im letzten Quartal 2008. Selbstverständlich hinterlässt die Krise auch Spuren in Bezug auf die verfügbaren Budgets und die durchschnittliche Grösse der Projekte, welche kleiner sind als vor der Krise. Ins Jahr 2009 sind wir mit einer langen Liste potentieller Projekte in praktisch allen Bereichen gestartet, wobei wir jedoch längere Entscheidungsprozesse als in der Vergangenheit erwarten.
Die Finanzkrise hat gezeigt, dass es im Bezug auf die Anlagerisiken notwendig ist, die Transparenz und die Kommunikation mit den Kunden zu verbessern. Kundenberater müssen eine systematischere und strukturiertere Beratung zur Asset Allokation anbieten. In diesem Zusammenhang spielt die Technologie eine entscheidende Rolle, da sie die schnelle Einführung neuer Prozesse zu vernünftigen Kosten ermöglichen kann. Deshalb haben wir ein neues Modul zur Risikobewertung in Zusammenarbeit mit RiskMetrics eingeführt und sind daran, ein neues Modul zur Unterstützung bei der Eröffnung neuer Kundenkonten auf den Markt zu bringen.
«Die Kunden spielen eine zentrale Rolle in unserer Organisation. Wir sind bestrebt, ihnen vorausschauend unsere Leistungen und Erfahrung zur Verfügung zu stellen und ihnen das Gefühl einer echten Partnerschaft mit Odyssey zu vermitteln.» Antoine Duchateau, Vorstandsvorsitzender und CEO von Odyssey Financial Technologies
Seitdem Sie Odyssey im Jahre 1994 gründeten, hatte das Unternehmen ein kontinuierliches Wachstum. Welche Werte sind für Odyssey fundamental in der aktuellen weltweiten Rezession?
Unsere Unternehmenswerte wurden nicht einfach nur definiert und veröffentlicht, sondern sind die Grundlage für unsere strategischen und taktischen Entscheide. Die Kunden spielen eine zentrale Rolle in unserer Organisation. Wir sind bestrebt, ihnen vorausschauend unsere Leistungen und Erfahrungen zur Verfügung zu stellen und ihnen das Gefühl einer echten Partnerschaft mit Odyssey zu vermitteln. Den Erfolg unserer Bemühungen messen wir periodisch mit Hilfe einer weltweiten Kunden-Zufriedenheits-Umfrage. Für ein Unternehmen wie Odyssey sind die Mitarbeiter das wichtigste Kapital für das aktuelle und zukünftige Wohlergehen und wir setzen auf effiziente Organisations- und Führungsstrukturen, die im Einklang mit unserer langfristigen Zielsetzung stehen. Bei den Produkten wird Odyssey als führender Anbieter im Bereich Frontoffices bei der Vermögensverwaltung im Privatkundengeschäft und im Asset Management wahrgenommen. Deshalb wird Odyssey von den meisten Finanzinstituten herangezogen, wenn es darum geht, bestehende Lösungen in diesen Bereichen zu ersetzen, oder eine neue Plattform zu erstellen.
Ein anderer wichtiger Wert stellt für uns die Partnerschaft mit Beratungs- und Implementationsfirmen dar, von der wir besonders bei grossen und geografisch entfernten Projekten profitieren können.
«Die Budgets der Finanzinstitute sind in der Tat kleiner als zuvor. Das bedeutet, es gibt kleinere und kürzere Projekte, auch wenn die durchschnittliche Projektgrösse immer noch beachtlich ist.»
Da viele Finanzinstitute nach Möglichkeiten suchen, die Kosten zu verringern und Investitionen herauszuzögern, wie wird sich das auf Ihre Planung für neue Projekte auswirken und was bedeutet das für Ihre Mitarbeiter? Werden Sie Entlassungen vornehmen müssen, oder haben Sie Alternativen, um den Mitarbeiterbestand an die neue Situation anzupassen?
Wie ich schon erwähnte, sind die Budgets der Finanzinstitute in der Tat kleiner als zuvor. Das bedeutet, es gibt kleinere und kürzere Projekte, auch wenn die durchschnittliche Projektgröße immer noch beachtlich ist. Um unser Geschäft breiter abzustützen, haben wir unsere Aktivitäten um institutionelle Fondsmanager und auf das Retail-Vermögensverwaltungs-Geschäft ausgeweitet. Zudem haben wir unseren geografischen Fokus erweitert und sprechen auch aufstrebende Länder an, in denen ein grosses Potential bezüglich Anzahl und Grösse von Projekten besteht. Die erfolgreiche Umsetzung dieses Planes kann unsere Stellung festigen. Wie jedes Unternehmen überprüfen wir unsere Strukturen laufend, um unsere Ressourcen zu optimieren und sicherzustellen, dass wir den richtigen Fokus haben.
In der Schweiz haben Firmen wie Avaloq, Finnova oder Temenos einen hohen Bekanntheitsgrad, während Odyssey fast wie ein gut gehütetes Geheimnis ist. Was unterscheidet Ihr Unternehmen grundlegend von Ihren Mitbewerbern und wie positionieren Sie Ihre Lösungen im Markt?
Die von Ihnen erwähnten Unternehmen sind alles Anbieter von Kernbankenlösungen. Meistens, wenn eine solche Lösung ersetzt wird, berichtet die Presse breit darüber, da es um sehr hohe Beträge, sehr lange Implementationszeiten und die damit verbundenen Risiken geht. Odyssey spielt eine andere Rolle: Wir bieten eine Frontoffice-Plattform an, die gewöhnlich über eine Standard-Schnittstelle mit einem Kernbankensystem verbunden ist. Um die Einführung noch weiter zu vereinfachen, haben wir generelle Schnittstellen zwischen unseren Plattformen und Backoffice-Systemen wie zum Beispiel Olympic, T24, Avaloq und anderen entwickelt.
«Asien scheint die Region zu sein, in welcher die wirtschaftliche Entwicklung sich mittelfristig positiver gestaltet und wir erwarten, dass Amerika sich zuerst erholen und einen hohen Bedarf an Leistungen aus unserem Erfahrungsgebiet haben wird.»
Das Ziel unserer Plattform ist die Unterstützung der Portfolio Manager und Kundenberater in ihrer täglichen Arbeit, indem wir ihnen eine Lösung für die Pflege der Kundenbeziehung (CRM), die Kontoeröffnung, die Einhaltung von Anlagerichtlinien, den Verkauf und die Beratung, die Angebotserstellung inklusive Nacherfassung und das Portfolio Management zu Verfügung stellen. Meistens wird Odyssey als erfolgsentscheidende Komponente wahrgenommen, die am Ursprung eines Prozesses steht, während die Kernbankenlösung die Weiterbearbeitung im Hintergrund abwickelt. Diese Positionierung ist nicht überall im Markt gleich sichtbar, aber in über 120 Kundeninstallationen wird bereits eine solche zweistufige Architektur eingesetzt, um im «best-of-breed» Ansatz von den jeweiligen Stärken zweier Unternehmen zu profitieren.
Knapp 60% Ihres Geschäftes tätigen Sie in Europa, 20% in Asien und 20% in den USA. Besonders Europa leidet heftig unter der Krise mit früheren Flagschiffen wie UBS, Dexia oder Fortis, die ums Überleben kämpfen. Wird das zu einem Wechsel in der geografischen Ausrichtung von Odyssey führen und welche Regionen bieten Ihrer Meinung nach die attraktivsten Perspektiven?
Ihre Feststellung bezüglich der Probleme, denen die meisten Grossbanken ausgesetzt sind, ist heute eine offensichtliche Tatsache. Dennoch investieren viele dieser Institute gerade in ihre Vermögensverwaltungs- und Asset Management-Systeme, um ihre Führungsposition zu behaupten oder in diesem Marktsegment zu verbessern. Als einer der führenden Partner der Grossbanken in diesem Segment profitiert Odyssey von der Vorwärtsstrategie der Institute. Wie schon erwähnt, haben wir zusätzlich die Marketingstrategie auf das Retail / Mass-Affluent-Geschäft und das Fondsmanagement ausgeweitet. Asien scheint die Region zu sein, in welcher die wirtschaftliche Entwicklung sich mittelfristig positiver gestaltet und wir erwarten, dass Amerika sich zuerst erholen und einen hohen Bedarf an Leistungen aus unserem Erfahrungsgebiet haben wird.
Wie war der Umsatz im Jahr 2008 zwischen Lizenzen und Dienstleistungen aufgeteilt und welche Entwicklung erwarten Sie für das laufende Jahr?
Historisch gesehen machten die Lizenzen (Lizenzen plus wiederkehrende Unterhaltskosten) zwischen 60%-70% unseres Umsatzes aus. Dies wird auch 2009 so sein.
«Unsere Erwartungen an den «WealthManager» sind hoch. Er soll uns eine breite Durchdringung im weltweiten Retail / Mass-Affluent-Vermögensverwaltungs-Geschäft ermöglichen, einem Markt, den die meisten Experten als riesig einschätzen.»
Sie haben weltweit über 200 Kunden mit mehr als 25.000 Benutzern Ihrer Software. Welcher Anteil Ihrer Einnahmen stammt von existierenden Kunden und wie soll sich dieser Anteil in Zukunft entwickeln?
Der Grossteil des Umsatzes wird aus dem bestehenden Kundenstamm generiert, da unsere Plattform fortlaufend erweitert wird, um die sich ständig entwickelnden Geschäftsmodelle unserer Kunden in der Vermögensverwaltung zu unterstützen. Beispiele dafür sind unter anderem die Erweiterung der funktionalen Abdeckung, die Globalisierung mit dem Aufsetzen neuer Niederlassungen, der Erwerb neuer Geschäftseinheiten.
In den letzten zwei Jahren haben wir aufgrund von Übernahmen und der damit verbundenen Angebotserweiterung substantielle Beiträge von neuen Kunden und neuen Marktsegmenten generiert. Die Balance zwischen den beiden Einnahmequellen (Account Management bestehender Kunden und Neuverkäufe) ist für uns eine wichtige Messgrösse und ein sehr guter Indikator für den wahren Zustand des Marktes.
$$PAGE$$
Seite 2…
2008 übernahm Odyssey die kanadische Xeye, um die existierende Lösung mit Leistungen für Vermögensverwalter zu ergänzen. Wie verlief die Integration, wie hoch waren die Kosten und wie viel zusätzliches Geschäft konnten Sie durch die Übernahme generieren?
Die Übernahme war eindeutig eine hervorragende Entscheidung. Das Produkt «WealthManager» ist von hoher Qualität und sehr wettberwerbsfähig bezüglich der funktionalen Abdeckung und Skalierbarkeit. Dazu ist das kanadische Team absolute Spitzenklasse als Entwicklungszentrum mit umfassender Erfahrung im Wealth Management. Der Integrationsprozess verlief sehr gut, so dass heute sowohl das Produkt als auch das Team vollständig in Odyssey integriert sind. Unsere Erwartungen an den WealthManager sind hoch. Er soll uns eine breite Durchdringung im weltweiten Retail / Mass-Affluent-Vermögensverwaltungs-Geschäft ermöglichen, einem Markt, den die meisten Experten als riesig einschätzen. Der relative Anteil dieses Produkts an unserem Umsatz und Profit sollte sehr schnell wachsen und in wenigen Jahren einen substantiellen Teil ausmachen.
«In jeder Krise gibt es auch Raum für Möglichkeiten. Diese ergeben sich zum Beispiel aus den Compliance-Anforderungen und Regulierungen wie die MiFID (Markets in Financial Instruments Directive) sowie aus einer proaktiveren Beziehung der Bank zu ihren Kunden.»
Mit Xeye haben Sie auch eine zusätzliche Technologieplattform, Java, übernommen. Wie wird das Ihre technologische Ausrichtung in Zukunft beeinflussen? Gibt es Pläne, all die Anwendungen auf eine einheitliche Technologie zu bringen und wann wird das sein?
Klar versuchen wir, hier Synergien zu schaffen. Java wurde schon vor einigen Jahren erfolgreich als technologische Plattform in das Triple’A Plus? System von Odyssey integriert und in vielen erfolgreichen Implementationen angewendet. Mit Xeye haben wir diese Entwicklung noch verstärkt und beschleunigt. Für die Zusammenführung der Technologien haben wir einen Projektplan definiert, um dieselben Komponenten in beiden Produktlinien zu nutzen, wie zum Beispiel die Web Applikations-Server, Report-Generatoren, ETL-Mechanismen (Extraktion, Transformation, Load), Hardware Konfigurationen und so weiter. Neben dieser Technologie-Initiative wurden auf der funktionalen Ebene schon viele Synergien umgesetzt. Odysseys lange Erfahrung im Portfolio Management kommt der Erweiterung der WealthManager PMS-Funktionalität zugute. Im Gegenzug ist die CRM (Customer Relationship Management) Expertise im WealthManager für die Weiterentwicklung von Triple’A Plus im Bereich der Kundenpflege sehr interessant.
Verstärkt durch die Finanzkrise ergeben sich vermehrte Anforderungen für Compliance und regulatorische Vorschriften. Sehen Sie hier noch weitere Einflussfaktoren, welche zu Investitionen in Ihrem Marktsegment führen könnten?
Ganz bestimmt. In jeder Krise gibt es auch Raum für Möglichkeiten. Wie Sie schon in ihrer Frage erwähnten, ergeben sich diese aus den Compliance-Anforderungen und Regulierungen wie zum Beispiel die MiFID (Markets in Financial Instruments Directive). Odyssey ist hier schon sehr gut aufgestellt, um die Kundenbedürfnisse abzudecken. Ein anderes Gebiet, in welchem sich Möglichkeiten eröffnen, ist zum Beispiel die pro-aktive Beziehung der Bank zu ihren Kunden. Der Umgang mit automatisch generierten Benachrichtigungen (alerts), die Unterstützung des Kontakt-Prozesses, die globale und individuelle Überwachung, bessere Transparenz im Reporting, die Integration der Risikofaktoren in die Entscheidungsfindung und so weiter. Wir sind überzeugt, dass wir die richtigen Produkte, Mitarbeiter und Kunden haben, um diese neuen Möglichkeiten zu ergreifen.
Trotz des Mangels an ausgebildeten Informatik-Experten in unserem Land haben Sie den Hauptsitz und das Entwicklungszentrum immer noch in der Schweiz. Welchen Stellenwert messen Sie der «Swissness» bei und was muss die Schweiz tun, um konkurrenzfähig zu bleiben und Firmen wie Odyssey zu halten oder anzuziehen?
Die Schweiz ist unser Kompetenzzentrum für das Portfolio Management. Die Kombination aus der lokalen Erfahrung mit annähernd 200 Privatbanken mit unserem eigenen Wissen und unserer Erfahrung aus 14 Jahren Entwicklung von Portfolio-Management-Software erklärt, wieso wir an diesem Modell festhalten. Ein Beweis für die Richtigkeit dieser Strategie ist die große Zahl der Schweizer Banken, die bereits unsere Plattform einsetzen.
Haben Sie als Hauptaktionär Pläne für einen Börsengang, um zum Beispiel die nächste Wachstumsphase zu finanzieren?
In der momentanen Marktsituation benötigen wir die volle Aufmerksamkeit des Managements um die sich abzeichnenden Möglichkeiten am Markt wahrzunehmen und das Unternehmen so zu steuern, dass Odyssey aus dieser Phase stärker und noch wettbewerbsfähiger hervorgeht. Deshalb gibt es keine Pläne für einen Börsengang.
Zum Schluss des Interviews haben Sie noch zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?
Eindeutig eine schnelle Erholung des Marktes und die Rückkehr zu besseren Bedingungen für unsere Kunden und in deren Folge auch für unsere Branche. Der zweite Wunsch betrifft die Kunden der Vermögensverwaltungs-Institute. Zum Nutzen aller wünsche ich mir, dass sie das Vertrauen in die Märkte und in ihre Berater wiedererlangen.
Der Gesprächspartner:
Antoine Duchateau, 29. November 1953, belgischer Staatsbürger. Duchateau begann seine Karriere bei IBM in Belgien. 1981 wechselte er zu BIS Banking Systems. Hier baute er die Vertriebsorganisation für das MIDAS Bankensystem in Kontinental-Europa auf. Anschliessend wurde er zum stellvertretenden Direktor mit Verantwortung für das weltweite Vertriebsnetz befördert. Als er 1994 eine Nische für Vermögens- und Fondsverwaltung ausmachte, verliess er BIS und gründete Odyssey Financial Technologies. Heute ist er Vorstandsvorsitzender und Chief Executive Officer von Odyssey Financial Technologies. Antoine Duchateau erwarb im Jahr 1977 einen Master in Wirtschaft von der Solvay Universität in Brüssel.
Das Unternehmen:
Odyssey Financial Technologies ist einer der führenden Anbieter von Softwarelösungen und Dienstleistungen für Vermögens- und Asset Management. Weltweit setzen über 200 Finanzinstitute in mehr als 30 Ländern Lösungen von Odyssey ein. Odyssey hat sich darauf spezialisiert, ein umfangreiches Spektrum an Lösungsmodulen für die Bereiche Portfolio Management, Advisory und Verkaufsprozesse, Customer Relationship, Compliance sowie Risikomanagement und Analyse anzubieten. Die Implementierung dieser Komponenten auf einer skalierbaren Plattform für Wealth und Asset Management erleichtert die unternehmensweite Implementierung von Softwarelösungen. Odyssey wurde 1995 in Luxemburg gegründet und ist weltweit in allen wichtigen Finanzzentren präsent ? einschliesslich New York, Singapur, Zürich, Frankfurt, München, Brüssel, Genf und Tokio. Der Hauptsitz des Unternehmens liegt in Lausanne in der Schweiz. Die Entwicklungszentren befinden sich in Toronto, Lausanne und London.