Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr von Rueden, eBay hat weltweit im Jahr 2004 mit einem Netto Umsatzwachstum von 51% gegenüber dem Vorjahr auf 3.27 Milliarden US Dollar geglänzt. Im vierten Quartal wuchsen die Einnahmen in Europa um 64% gegenüber der gleichen Periode im Vorjahr. Sie waren mit 344 Millionen US Dollar annähernd gleich hoch wie die Einnahmen in den USA. Wo stehen Sie mit eBay in der Schweiz?
Anton von Rueden: Ich denke, wir können mit dem Ergebnis unserer Arbeit sehr zufrieden sein. eBay hat es in nur einem Jahr geschafft, sich in der Schweiz hervorragend zu etablieren. Während noch in 2003 kaum ein Schweizer wusste, was eBay ist, war der weltweite Online-Marktplatz im Jahr 2004 ein beliebtes Thema in den Schweizer Medien. Im November 2004 besuchten über 1.500 Schweizerinnen und Schweizer die eBay Schweiz Tage in Zürich und machten die Veranstaltung damit zum grössten eBay-Nutzertreffen des vergangenen Jahres in Europa. Im gleichen Quartal wurde ein weiterer Europa-Rekord durch eBay Schweiz mit dem erfolgreichen Verkauf eines Ferrari Enzo aus Zürich für 1.2 Millionen Franken aufgestellt.
Dennoch ist die Schweiz für uns natürlich immer noch ein junger Markt. Wir rechnen in diesem Jahr mit einem Wachstum auf dem gleichen hohen Niveau wie in 2004. Was die Reichweite anbelangt, wollen wir mittelfristig gesehen so gross werden wie Google. Deren Website wird im Monat bereits von mindestens jedem zweiten Schweizer Internet-Nutzer angewählt. eBay Schweiz steht erst bei 16% Internet-Reichweite. Es gibt also auch in 2005 noch einiges für uns zu tun.
«Interessant ist sicher der Bereich der Online-Kleinanzeigen. Da ist eBay aber noch in der Experimentierphase» Anton von Rueden, eBay
Das enorme Wachstum birgt auch Risiken. In Indien wurde der CEO des eBay Portals Bazee.com verhaftet, weil auf der Plattform ein Video mit pornografischem Inhalt angeboten wurde. Wie kann eBay alle gehandelten Angebote auf Inhalt und Gesetzeskonformität überprüfen?
Um es noch einmal zu erklären: Für die Rechtmässigkeit der Artikel, die auf dem eBay-Marktplatz zum Verkauf angeboten werden, ist grundsätzlich nicht eBay, sondern der jeweilige Verkäufer verantwortlich. eBay ist in die über den Online-Marktplatz getätigten Transaktionen nicht eingebunden und kommt mit der Handelsware nicht in Berührung. Nichts desto trotz missbilligen wir ausdrücklich jeden Versuch, den eBay-Marktplatz für den Handel mit unzulässigen Artikeln zu missbrauchen.
Wenn zeitweise unzulässige Artikel auf unserem Marktplatz sichtbar sind, so bedeutet dies nicht, dass wir diese Angebote dulden oder erlauben, sondern, dass wir von diesen Artikeln bis dahin noch keine Kenntnis hatten und diese deshalb leider noch nicht gelöscht wurden. eBay-Nutzer können zu jeder Zeit ausserhalb unserer Kontrolle Artikel auf den eBay-Marktplatz einstellen. Aufgrund der Vielzahl der Artikel, die bei eBay eingestellt werden, ist es nicht möglich, jeden Artikel individuell zu prüfen, bevor diese auf dem Marktplatz erscheinen. Jeder, der dabei gegen Gesetze, die guten Sitten oder die eBay-Richtlinien verstösst, riskiert den Abbruch seiner Angebote, Sperrung seines Mitgliedskontos und gegebenenfalls auch rechtliche Konsequenzen.
Während die Zahlen beeindruckendes Wachstum signalisieren, hält sich die Euphorie der Analysten in Grenzen. Die Auswertung zahlreicher Analystenempfehlungen ergibt im Schnitt eine Empfehlung zum «Halten», mit einer leichten Tendenz zum «Kaufen». Die Bewertung liegt in der Nähe des aktuellen Kurses, lässt also nicht viel Spielraum nach oben offen. Unterschätzen die Analysten eBay oder ist dies eine Folge der schlechten Erfahrungen mit Internet Firmen?
Ich möchte Analystenempfehlungen grundsätzlich nicht beurteilen. Fakt ist, dass unsere Geschäftssparten auf jeden Fall noch enorme Chancen bergen. eBay wächst auch in den USA noch immer ziemlich schnell. Das internationale Geschäft steckt noch in den Kinderschuhen. Deutschland war eBays erster Auslandsmarkt und ist heute der grösste. In Asien fangen wir gerade erst an und unser Online-Zahlungssystem Paypal ist da, wo eBay vor sechs Jahren stand, ganz am Anfang. Wir managen eher konservativ und das immer mit dem Ziel vor Augen «to build a company to last», um unsere CEO Meg Whitman zu zitieren.
Im letzten Moneycab Interview vom 10. Mai 2004 betonten Sie, dass die Sicherheit für Sie höchste Priorität habe. Eine der Massnahmen, die Sie am 27. Januar 2005 eingeführt haben, ist die Zusammenarbeit mit der Pro Fiducia Treuhand AG. Jetzt können die Geldbeträge via den Treuhänder einbezahlt und nach Erhalt der einwandfreien Ware freigegeben werden. Dieser Service ist jedoch nicht kostenlos. Es fallen eine Grundgebühr von 50 Franken und eine Provision an. Wieso muss man bei eBay zusätzlich dafür bezahlen, um mit Sicherheit einwandfreie Ware zu erstehen?
Jede Erweiterung der Sicherheitsangebote auf dem Marktplatz eBay hilft, Missbrauch immer weiter einzudämmen. Jeder Internet-Nutzer sollte sich darüber im klaren sein, dass er den grössten Teil zu seiner eigenen Sicherheit selbst beitragen kann, indem er sich entsprechend vorab informiert und dann entsprechend seinem Sicherheitsbedürfnis individuell über die Annahme unserer Sicherheitsangebote entscheidet. Wir unterstützen hierbei unsere Nutzer, wo wir nur können. Zum Beispiel ist der wichtigste Ort aus unserer Sicht das Sicherheitsportal von eBay Schweiz ( www.ebay.ch/sicherheitsportal ). Wir wollen den Nutzer aber nicht bevormunden. So wird man beispielsweise den hochwertigen Treuhandservice von eBay Schweiz nicht mehr benötigen, wenn man vom eBay-Händler seines Vertrauens bereits zum zehnten Mal kauft.
Eine weiter Neuerung, die Sie einführten am 07. Februar sind die so genannten eBay Xchange-Points an sieben RailCity-Standorten der SBB. Hier können sich Käufer und Verkäufer für die Übergabe der Ware persönlich treffen. Ist dies ein erster Schritt für die Entwicklung von eBay zu einer «brick and mortar» Company (Internet Firma mit physischen Verkaufs- oder Handelsstellen)?
Die eBay Xchange-Points sind eine lokale Lösung für den Schweizer Markt, die übrigens in der Schweiz erstmals weltweit testweise eingesetzt wird. Die Idee hierzu stammt – wie so oft – direkt von unseren Kunden. Wir hatten festgestellt, dass aufgrund der besonderen Stellung der Bahn in der Schweiz viele eBay-Nutzer Bahnhöfe zum direkten Warenaustausch ihrer gehandelten eBay-Artikel nutzen, weil sie sich persönlich treffen wollen. So lag es nahe, dahin zu gehen, wo unsere Kunden sind – und es sieht so aus, als hätten wir damit ins Schwarze getroffen. So haben wir inzwischen auch Anfragen zur Aufstellung von eBay Xchange-Points an Flughäfen und Autobahnraststätten erhalten.
Vor allem der Handel in der Schweiz dürfte einen grossen Anteil an grenzüberschreitendem Handel in beiden Richtungen haben. Dabei gibt es eine Anzahl von Zollgebühren und Formalitäten zu berücksichtigen. Sind sich die Benutzer über entsprechende Vorschriften im Klaren und was tut eBay hier zur Schulung seiner Benutzer?
Es ist richtig, dass gerade die Nutzer von eBay Schweiz bereits sehr oft die unglaubliche Vielfalt von Artikeln nutzen, die sich aus dem internationalen Handel bei eBay ergibt. Es gibt hierfür bereits ein Informationsportal, welches wir von eBay Deutschland übernommen haben und welches wir nun sukzessive an die Schweizer Bedürfnisse anpassen werden. Das Informationsportal für den weltweiten Handel ist unter folgender Internetadresse erreichbar: www.ebay.ch/weltweithandeln
Als eBay In der Schweiz ins Rennen stieg, gab es mit Ricardo.ch einen klaren Marktführer. Wie sieht die Situation heute aus?
Ricardo.ch ist bereits seit fünf Jahren in der Schweiz am Markt. eBay hingegen bearbeitet den Schweizer Markt mit einem eigenen Marketing-Team erst seit rund einem Jahr. Dennoch liefern wir uns bei allen wichtigen Erfolgskennzahlen in der Schweiz bereits heute schon ein Kopf-an-Kopf-Rennen, was eBay.ch anbetrifft. Die Schweizer nutzen aber neben eBay.ch auch eBay.de und eBay.com. Wenn wir diesen Fakt berücksichtigen kommen wir jeden Monat auf mehr als eine Million eBay-Besucher aus der Schweiz und auf eine Reichweite von 32 Prozent. Damit sind wir mehr als doppelt so gross wie der zweitgrösste eCommerce-Anbieter in der Schweiz. Insofern sind wir mit der gegenwärtigen Situation sehr zufrieden.
Bevor Sie eBay Schweiz aufbauten, haben Sie schon beim Aufbau von eBay Deutschland entscheidend mitgearbeitet und sind auch für eBay Österreich zuständig. Was sind die signifikantesten Unterschiede im Kauf- und Verkaufverhalten in den drei Ländern?
Die Nutzer von eBay Deutschland und eBay Österreich nutzen ihre Ländermarktplätze sehr ähnlich. In beiden Ländern spielt die Jagd nach Schnäppchen eine sehr grosse Rolle. Hierbei fällt auf, dass man in Deutschland noch stärker als in Österreich nach günstigen Markenartikeln sucht.
In der Schweiz spielen die Preise offensichtlich nicht so eine wichtige Rolle beim eBay-Handel. Hierzulande sind es mehr die Raritäten wie zum Beispiel im Sammlerbereich Münzen und sehr hochwertige Artikel wie Uhren und Schmuck, die besonders gerne gehandelt werden. Dieser hohe Anspruch der Schweizer eBay-Nutzer ist uns täglich eine neue Herausforderung, der wir mit immer besseren Services speziell für die Schweiz, wie zum Beispiel einem eigenen, besonders hochwertigen Treuhandservice in Zusammenarbeit mit der Pro Fiducia Treuhand AG aus Zürich, begegnen.
Momentan hat eBay dank der Anzahl seiner Benutzer weltweit eine eindeutige Führungsrolle. Wo sehen Sie die wichtigsten Konkurrenten in Ihrem Geschäftsmodell und wie werden Sie Ihre Marktstellung weiter ausbauen?
eBay ist mit Sicherheit der grösste Online-Marktplatz. In 2004 haben unsere Kunden weltweit Waren im Wert von 34.2 Milliarden Dollar gehandelt. Aber wir konkurrieren alle um das Geld der Konsumenten und die Verbraucher haben jede Menge Alternativen. Wenn sie ein paar Ski kaufen wollen, bekommen sie die in einem Sportgeschäft, im Kaufhaus, in einem Internet-Skishop oder bei eBay. Unsere Nutzer haben also jede Menge Ausweichmöglichkeiten. Sie können über andere Internetseiten kaufen und verkaufen. Sie kommen aber meistens zurück, weil sie das höchste Erfolgsniveau und die grösste Auswahl bei eBay erleben.
Interessant ist sicher der Bereich der Online-Kleinanzeigen. Da ist eBay aber noch in der Experimentierphase. Äusserst attraktiv ist bereits jetzt das neue US-Format «Want it now», bei dem die Käufer Gesuche auf dem eBay-Marktplatz aufgeben und die Verkäufer dann ihre Angebote unterbreiten können. Hier wird das eBay-Prinzip quasi umgedreht. Bei weltweit über 135 Millionen eBay-Nutzern ist das eine sehr spannende Neuentwicklung, die wir voraussichtlich noch in 2005 auch in den Schweizer eBay-Marktplatz implementieren werden.
Besonders teure oder seltene Auktionsstücke sorgen zwischendurch für Aufsehen. Was ist das Kurioseste, das bis anhin in der Schweiz versteigert wurde auf eBay und was haben Sie selbst schon ver- oder gekauft auf eBay?
Auf unseren bereits erwähnten Europa-Rekord mit dem im vergangenen Oktober versteigerten Ferrari Enzo aus Zürich, der für 1.2 Millionen Franken bei eBay Schweiz an einen Schweizer Nutzer verkauft wurde, sind wir schon ein wenig stolz – oder besser stolz auf unsere Schweizer eBay-Nutzer, die diesen Rekord erst möglich gemacht haben.
Ich selbst nutze eBay ständig zum Kaufen und Verkaufen. So habe ich meine komplette Ski-Ausrüstung bei einem eBay-PowerSeller aus Bern gekauft. Zuletzt verkauft habe ich einen FCB-Schal, wohl an einen echten Fan aus Basel.
Sie haben zwei Wünsche frei, wie sehen diese aus?
Ich würde mir wünschen, noch öfter Zeit dafür zu finden, die einzigartige Natur der Berner Region beim Radfahren, Wandern und Skifahren geniessen zu können. Und ich hoffe noch viele schöne Jahre gemeinsam mit meiner wundervollen Frau in Gesundheit und Freude leben zu dürfen.
Der Gesprächspartner
Managing Director eBay Switzerland & Austria eBay International AG
Anton von Rueden , geboren 1976 in Hannover, studierte Wirtschafts-Wissenschaften an der Humboldt-Universität in Berlin. Bei eBay ist von Rueden seit 1999, wo er in der Marketing-Abteilung der deutschen Niederlassung begann, ein halbes Jahr später schon deren Direktor war. In der weltweiten eBay-Organisation war er für die Ausbildung von Markting-Fachleuten zuständig, u.a. am US-Hauptquartier, in Japan und in Australien. Ab 2001 baute er das europäischen Service-Center des Unternehmens auf, in dem heute aus 550 Mitarbeitern aus 11 Ländern arbeiten.
Im Juli 2003 wurde er zum Geschäftsführer von eBay Schweiz und Österreich gewählt. Anton von Rueden führt ein Team von 20 Beschäftigten, die am europäischen Sitz des amerikanischen Unternehmens in Bern sowie in Wien ihre Büros haben.