Arcandor: Zukunft unklar – Staatshilfe doch möglich
«Wir wollen nicht, dass der Konzern zerschlagen oder verramscht wird», sagte ihr Ehemann und Arcandor-Aufsichtsrat, Leo Herl, der «Bild am Sonntag». Schickedanz werde ihr Aktienpaket nicht verkaufen. In dieser Woche werde es bei einer Aufsichtsratssitzung erste Gespräche mit dem Insolvenzverwalter geben.
Regierung prüft Antrag auf Massekredit
Wie am Wochenende deutlich wurde, kann Arcandor doch noch auf staatliche Unterstützung hoffen. Dabei geht es um einen sogenannten Massekredit, der in der Insolvenz ein Instrument ist, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Der Bund könnte einen solchen Kredit mit einer Bürgschaft absichern. Das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» berichtete, die Regierung sei bereit, einen möglichen Arcandor-Antrag wohlwollend zu prüfen. Unternehmenssprecher Gerd Koslowski sagte am Sonntag, Arcandor prüfe zurzeit, ob ein Antrag gestellt werde: «Das ist ja ein ganz normales Instrument in dieser Situation», sagte er.
Merkel setzt auf zügiges Insolvenzverfahren
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt unterdessen auf ein zügiges Insolvenzverfahren, damit die 43.000 betroffenen Beschäftigten bald Klarheit für ihre Zukunft haben. «Die zuständigen Ministerien innerhalb der Bundesregierung werden ihre Hilfe – soweit das möglich ist – anbieten», sagte Merkel. Dabei gehe es auch um Stadterneuerungsprogramme und Hilfestellungen der Bundesagentur für Arbeit.
Metro erneuert Übernahmeangebot
Konkurrent Metro erneuerte am Samstag ihr Übernahmeangebot für Arcandors Karstadt-Kaufhäuser. «Wir haben weiterhin Interesse, 60 der 90 Karstadt-Filialen zu übernehmen», sagte ein Metro-Sprecher in Düsseldorf. Er bestritt, dass Metro im Fall einer Übernahme einen KfW-Kredit von 200 Millionen Euro in Anspruch nehmen wolle. «Bei unserer Planung haben Staatshilfen bisher keine Rolle gespielt und werden weiterhin keine Rolle spielen», sagte er.
Metro-Pläne
Metro will seine Kaufhof-Filialen mit den Karstadt-Häusern zusammenlegen. Kaufhof-Chef Lovro Mandac sagte der «Bild am Sonntag»: «Alle Beteiligten sind sich einig, dass die Rettung der Karstadt- Warenhäuser eilbedürftig ist.» Gleichzeitig warnte er vor einem «Verkauf von einzelnen Häusern oder kleinen Paketen von Standorten». Kaufhof habe ein profitables Warenhaus-System, in das die 60 Karstadt-Häuser ohne Verzug integriert werden könnten.
Sanierungsprogramm liegt vor
Bei der Rettung von Arcandor stützen sich Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg und der Generalbevollmächtigte Horst Piepenburg nach einem Bericht von «Euro am Sonntag» auf das bereits Mitte April von Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick vorgestellte Sanierungsprogramm. Eick habe das Konzept gemeinsam mit Piepenburg erarbeitet.
Standortschliessungen und Stellenabbau
Der Plan sah vor, dass sich der Konzern auf die profitablen Kernbereiche von Primondo und Karstadt konzentriert und den Wachstumskurs der Reisetochter Thomas Cook als Teil des Gesamtkonzerns fortsetzt. Im Warenhausbereich wollte man sich auf das mittlere Preissegment konzentrieren und sich von Edeladressen wie KaDeWe (Berlin), Alsterhaus (Hamburg) und Oberpollinger (München) trennen. Ausserdem sollten Standorte geschlossen und in der Versandhandelssparte Primondo (Quelle) Stellen abgebaut werden.
Gespräche mit weiteren interessierten Unternehmen
Parallel zu dem bestehenden Plan führe Görg Gespräche mit an Konzernteilen interessierten Unternehmen, schreibt «Euro am Sonntag». Neben den Gesprächen mit Metro fänden auch Gespräche mit Otto sowie Rewe statt.
Insolvenzverwalter legt erste Einschätzung vor
Nach dem Insolvenzantrag der Karstadt-Muttergesellschaft Arcandor will der vorläufige Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg voraussichtlich noch in dieser Woche eine erste Einschätzung vorlegen. Derzeit sei man dabei, die Lage zu sichten, sagte ein Sprecher des Insolvenzverwalters am Montag. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens werde bis zum 1. September gerechnet. Nach dem Insolvenzantrag sind die Löhne und Gehälter der Beschäftigten noch bis Ende August gesichert.
520 Gesellschaften unter dem Dach von Arcandor
Die komplette Umsetzung des Verfahrens werde sich voraussichtlich bis «weit ins nächste Jahr» hinziehen, sagte der von Arcandor als Generalbevollmächtigter bestellte Insolvenzexperte Horst Piepenburg in einem Interview mit dem WDR. Dabei wies er auf die komplizierte Struktur der Arcandor AG mit 520 Gesellschaften hin. «Wir sind in einer extrem schwierigen Lage», sagte Piepenburg. Zur Beantragung eines möglichen Massekredits für Arcandor sei bislang noch keine Entscheidung gefallen, sagte ein Unternehmenssprecher in Essen. Ein Massekredit ist in der Insolvenz ein Instrument, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. (awp/mc/ps/02)