ArcelorMittal produziert weiter mit halber Kraft

In China, einem der wichtigsten Stahl-Märkte, habe die Nachfrage seit Oktober 2008 um 40 Prozent zugelegt. Auch in den USA und Europa werde bald mit einer Erholung gerechnet. Mittal ging davon aus, dass Ende des zweiten Quartals die Nachfrage nach Stahl langsam neu anziehe und der Stahlkocher in der zweiten Jahreshälfte seine Produktion «vorsichtig» wieder hochfahre.


Demonstration von Stahlarbeitern
Die Aktionärsversammlung wurde von einer Demonstration von rund 1.500 Stahlarbeitern aus Belgien und Frankreich begleitet. «Wir verlieren unseren Job und die Aktionäre bekommen die Dividende», sagte ein Arbeiter aus dem ArcelorMittal-Werk im lothringischen Florange. Ein Teil der wütenden Arbeiter riss die Absperrung der Polizei um und versuchte durch Tür und Fenster ins Gebäude zu gelangen. Nach Augenzeugen-Berichten warf ein belgischer Stahlarbeiter eine Rauchbombe durch ein Fenster, woraufhin sich ein nebeliger Gestank bis zum Raum der Aktionäre ausbreitete.


9.000 Stellen weniger
«Wir tun alles, um Jobs zu sichern», sagte Mittal vor rund 200 Aktionären. Wegen der Absatzkrise streicht der Stahlkocher 9.000 Stellen, davon 6.000 in Europa. Deutschland ist mit 750 Arbeitsplätzen, Frankreich mit 1.400 und Belgien mit 800 Stellen betroffen. Und: Im Februar konnte Mittal nicht ausschliessen, dass vom Programm zum «freiwilligen Abbau» noch mehr betroffen sein könnten. ArcelorMittal zahlt bei einem Gewinn von 9,4 Milliarden Dollar (2008) in diesem Jahr Dividenden in Höhe von 1,1 Milliarde Dollar.


Zwei Quartale mit Milliardenverlusten
Mittal, der nicht mit den Demonstranten sprach, forderte die Aktionäre auf, das Unternehmen «in einer der schwierigsten und herausfordernsten Zeiten» zu unterstützen. ArcelorMittal war mit der Wirtschaftskrise im Schlussquartal von 2008 erstmals in die roten Zahlen gerutscht und hatte einen Verlust von 2,6 Milliarden Dollar ausgewiesen. Auch im ersten Quartal 2009 betrug der Nettoverlust 1,1 Milliarden Dollar. Der Konzern beschäftigte Ende März 305.000 Menschen in mehr als 60 Ländern.


Dividende trotz Einschnitten
«Wenn es zu sozialen Einschnitten kommt, versteht niemand mehr, dass eine Dividende ausgezahlt wird», sagte der Gewerkschaftssekretär des Luxemburgischen Christlichen Gewerkschaftsbund LCGB, Patrick Dury, in Luxemburg. Die Situation in der Stahlbranche sei «schlimm bis dramatisch». Aufgrund der weggebrochene Nachfrage habe ArcelorMittal in Europa von 25 Hochöfen derzeit nur noch 9 in Betrieb. «Die Krise ist schlimmer als 1975», sagte Dury.


Aktienoptionen für besondere Leistungen
Die Hauptversammlung beschloss ausserdem, für 500 bis 700 Spitzenmanager ein bis 2018 laufendes langfristiges Programm aufzulegen, das besondere Leistung mit Aktienoptionen belohnt. Das Management des Stahlkochers darf künftig auch neue Aktien zur Refinanzierung von Schulden ausgeben. ArcelorMittal hatte Ende April eine Kapitalerhöhung von vier Milliarden Dollar beschlossen. Rund 3,2 Milliarden Dollar werden in Aktien, rund 800 Millionen Dollar in in Aktien umwandelbaren Schuldverschreibungen angeboten. Damit sollen vor allem die Schulden reduziert werden. (awp/mc/pg/28)

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