Arthur Wellinger, Präsident Biomasse Schweiz: «Der Grund der Förderung von Bioenergie hat wenig mit Engpässen zu tun, sondern eher mit Diversifizierung, um von den Ölstaaten weniger abhängig zu sein»
von Patrick Gunti
Herr Wellinger, zuerst eine Verständnisfrage: Was alles ist unter dem Begriff Biomasse zu verstehen?
Biomasse ist der Überbegriff aller Pflanzen, Pilze und Einzeller, schlicht allen biologischen Materials. In der Schweiz unterschiedet man oft zwischen Holz und übriger Biomasse. Der Hauptproduzent von Biomasse ist die Landwirtschaft, gefolgt von Forstwirtschaft und Hortikultur (Nutzgartenwirtschaft, Anm. der Red.).
Wer produziert heute in der Schweiz Bioenergie in den verschiedenen möglichen Formen?
Bioenergie beinhaltet ein extrem weites Feld von Energieträgern welche in der Biomasse ihren Ursprung haben: Biogas aus landwirtschaftlichen und gewerblichen Abfällen oder aus Energiepflanzen oder aus Klärschlamm, etc. Brennholz, Schnitzel oder Pellets. Rapsmethylester (RME) oder Biodiesel, Ethanol aus Kartoffeln, Zuckerrüben oder Mais. Pflanzenöl aus Raps, Sonnenblumen, etc
Obwohl eine der ältesten Energiequellen überhaupt, ist Biomasse erst in jüngerer Vergangenheit im Zusammenhang mit der Förderung erneuerbarer Energie wieder ins öffentliche Bewusstsein geraten. Wieso hat das so lange gedauert?
Mit der breiteren Erkenntnis, dass unsere fossilen Resourcen endlich sind, hat die Such nach mit aller Vehemenz begonnen. Die Biomasse lag daher nahe, weil es in der Schweiz neben der Wasserkraft die einzig einheimische Energieuelle ist.
Wenn man sich die vielversprechendsten Biomasse-Energieträger betrachtet, sticht das Holz heraus. Wo liegt das Potenzial von Holz in der Wärmeproduktion heute?
Holz deckt heute rund 5% des Wärmebedarfs ab. Der Anteil kann leicht verdoppelt oder gar verdreifacht werden.
Voraussetzung zur vermehrten Nutzung der Holzenergie ist, dass dadurch die Umwelt nicht übermässig belastet wird. Wo steht man im Bereich der Feuerungstechnik?
Es ist unbestritten, dass es eine ganze Reihe von älteren, schlecht gebauten Holzfeuerungen gibt, die eine zu starke Emission vreursachen. Wählt man jedoch im Bereich der kleineren Feuerungen ein Label-Produkt oder macht man bei grösseren Anlagen ein Qualitätsmanagement, dann kann man davon asugehen, dass die Abgaswerte mehr als in Ordnung sind
Wie sieht es mit dem Einsatz von Holz in der Stromproduktion aus?
Die wenigen Anlagen in der Schweiz, die neben Wärme auch Strom produzieren arbeiten mit Dampf oder einem organischen Mittel (organic ranking cycle, ORC) und weisen schlechte elektrische Wirkungsgrade unter 20% auf. Bessere Werte zeigen die ersten Vergasungsanlagen, welche mit geringen Aufwand bald Markstärke erreichen werden.
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Biogas kann zur Wärmeerzeugung, zur Stromproduktion und als Treibstoff verwendet werden. Biogas-Fahrzeuge weisen einzigartig tiefe Emissionswerte auf, auf der Strasse sind sie aber nur selten anzutreffen. Wie sehen Sie hier die weitere Entwicklung?
Die Entwicklung verläuft stürmisch. Bereits sind 3’600 Fahrzeuge im Betrieb (bei einem Potenzial von rund 10% des Fahrzeugbestandes mit 3 Mio Fahrzeugen. Insbesondere stehen aber Anfang 2007 82 Gastankstellen in Betrieb.
Geradezu einen Boom – vor allem in den USA und Brasilien – erlebt Bioethanol als Trei stoff. Aus was besteht Bioethanol?
In Brasilien wird Ethanol aus Zuckerrüben hergestellt in den USA aus Mais. Beide Länder liefern etwas gleich viel Bioethanol, was im Wesentlichen identisch ist mit der Weltproduktion.
Der Bedarf an Anbaufläche und Wasser zur Herstellung von Bioethanol ist riesig, wie umweltfreundlich kann Bioethanol letztlich in der Energiebilanz sein?
Diese Behauptung stimmt nicht: In der Tat braucht die Ethanolherstellung – im Gegensatz zum Biogas – Wasser, typischerweise etwas über 20 Liter pro Liter Ethanol. Das ist aber nicht weiter gravierend. Der grosse Wasserbedarf aus Regen oder Bewässerung hat der Anbau von Mais. Wir sprechen da von rund 5m3 pro Liter Ethanol. Diese Wassermenge ist aber unabhängig von der Bioenergie-Produktion.
Bioethanol aus Mais, so wie es die Amerikaner oder auch einige Europäer machen, hat eine sehr schlechte Energiebilanz. Das Verhältnis von Output zu Input beträgt nur rund 1.2 bis 1.4, d.h. trotz allem Aufwand kommt nur gerade 20% bis 40% mehr Energie heraus, als man reinsteckt. Etwas besser ist RME mit einem Faktor von 2 bis 4. Der Spitzenreiter ist Biogas mit einem Faktor 6 bis 8.
Entscheidend für eine gute Bioenergieproduktion aber ist, wie gross der Netto-Energieertrag pro ha und Jahr beträgt.
Dabei schlägt Biogas als Treibstoff die Ethanolproduktion um einen Faktor 2.5.
Mit dem Ziel, 5 % Benzin und Diesel durch Treibstoffe aus Biomasse zu ersetzen, will das Parlament letztere von der Mineralölsteuer befreien. Welchen Schub für alternative Treibstoffe erwarten Sie dadurch?
Ein Zusatz von 5% merkt kaum jemand, das ist heute in den meisten Ländern Standard.
Letzte Frage: Die Angst vor dem Klimawandel und Versorgungsengpässen, begleitet von der medialen Berichterstattung, haben einen Trend hin zu alternativen Energieformen eingeleitet. Wie nachhaltig wird dieser Trend sein?
In den letzten Jahrzehnten haben wir nie längerdauernde Versorgungsengpässe gehabt. Um den Preis zu wahren, steuern die OPEC Staaten einfach die Fördermenge. Gravierender ist schon die Tatsache, dass heute die grossen Kriege zwar mit Al-Quaida in Zusammenhang gebracht werden, tatsächlich aber nur um Oel geführt werden. Zudem ist der Transportweg für Oel sehr fragil, bedenkt man dass täglich rund die Menge an Öl durch die Strasse von Hormuz geschifft wird, die die USA verbraucht.
Der Grund der Förderung von Bioenergie z.B. durch die EU hat daher nur wenig mit Engpässen zu tun sondern eher mit Diversifizierung, um von den Ölstaaten weniger abhängig zu sein. Dieser trend wird kaum mehr rückgängig zu machen sein. Kommt dazu, dass man den Klimawandel nicht einfach abstellen kann. Stürme, Trocken- und Hitzeperiode, etc. werden uns in nächster Zeit begleiten und die Leute immer wieder daran erinnern, dass sie die CO2-Emission drosseln sollten.
Zur Person:
Arthur Wellinger, Präsident Biomasse Schweiz, ist Geschäftsleiter der Nova Energie GmbH, einer international tätigen Beratungs- und Entwicklungsfirma. Er betreut mitunter die Geschäftsstelle der Agentur für erneuerbare Energien und Energieeffizienz.
Nach seiner naturwissenschaftlichen Dissertation in ökologischer Mikrobiologie unterrichtete Arthur Wellinger zwei Jahre an der University of Illinois, Department. of Civil Engineering bevor er sich auf Forschung & Entwicklung, Consulting and PR spezialisierte. Nach Abschluss der akademischen Karriere richtete er diese Tätigkeit ganz auf die erneuerbaren Energien und die rationelle Energienutzung aus. Arthur Wellinger ist bekannt für seine Entwicklungen im Bereich der Biogasproduktion von landwirtschaftlichen und häuslichen Abfällen sowie der Gasaufbereitung und -verwertung; diese Innovationen werden weltweit angewandt.
Arthur Wellinger ist Mitglied von zahlreichen nationalen und internationalen Verbänden und Expertengruppen im Bereich des Stroms (RECS, VUE) und leitet die Vergärungsgruppe der IEA im Rahmen des Bioenergy Agreements. Seine wissenschaftlichen Publikationen verfasste er vor allem im Bereich der biologischen und mechanischen Abfallentsorgung -behandlung.
Zu Biomasse Schweiz:
Im Dachverband Biomasse Schweiz haben sich die grossen und zugleich aktiven Partner für eine fokussierte Förderung der Biomasse zusammengeschlossen. Biomasse Schweiz ist damit zum wichtigsten Verband im Bereich der erneuerbaren Rohstoffe und Energien geworden. Er setzt sich dafür ein, der Biomasse den nötigen Stellenwert zu verschaffen in Forschung und Umsetzung, als auch in politischen Entscheidungen, um die Biomasse-Anwendung zu steigern und die CO2-Emissionen zu senken.
http://www.biomasse-schweiz.ch
http://www.novaenergie.ch/