Von Artur P. Schmidt
artur.schmidt@unternehmercockpit.com
Selbst wenn das aktuelle Konjunkturprogramm kurz- bis mittelfristig für Stimulans sorgen kann, es löst keines der Probleme, die zur Weltwirtschaftskrise geführt haben. Es ist zu leicht, als Schuldige der aktuellen Krise alleine die Wallstreet auszumachen. Hauptverantwortlich war die Federal Reserve die mehr als 13 Jahre lang die Geldmenge stärker steigen liess als das Wachstum des Bruttosozialproduktes. Die Notenbank handelte grobfahrlässig, das sie die Zinsen immer tiefer senkte, um Krisen zu lösen und so eine Blase nach der anderen auslöste. Der amerikanische Kongress, der die Gründung der unregulierten mit Staatsgarantien ausgestatteten Monopole Fannie Mae und Freddy Mac gestattete, trug massgeblich dazu, dass sich die gesamte US-Ökonomie in ein riesiges Ponzi-Schema verwandelte. Selbstverständlich ist es nicht akzeptabel, dass Banker dieses System radikal zu ihren Gunsten ausgenützt haben, jedoch die Schuldigen der Krise sassen in den Zentralbanken und den Regierungen dieser Welt.
Clintons grosser Fehler
Eine der katastrophalsten Fehlentscheidungen wurden von Bill Clinton und Al Gore getroffen, als diese im Jahr 1999 das «Glass Steagall Act», welches eine Trennung von Investmentbanken und Geschäftsbanken vorsah, aufhoben. Damit wurde der immense Leverage bei Finanzprodukten der letzten Jahre und somit die Blase am amerikanischen Häusermarkt erst ermöglicht. Um im internationalen Wettbewerb mitzuhalten, mussten Investmentbanken immer höhere Risiken eingehen, was letztendlich zu deren völligem Kollaps im Herbst 2008 führte. Dass Obama den Federal Reserve-Chef Bernanke in seiner ausufernden Gelddruckmaschinerie jetzt nicht bremst, wird sich als eine fatale Fehlentscheidung herausstellen, da mit einer inflationären Politik letztendlich der gesamte Mittelstand in den USA quasi enteignet wird. Obamas Diagnose fehlt die Erkenntnis, dass sich durch die bisherige Politik die Kreditklemme nicht verbessert hat. Hätte er diese, dann würde er nicht einem Bailout von Banken zustimmen, sondern das Geld besser direkt den Unternehmen zur Verfügung stellen. Nur durch eine derartige Kreditluftbrücke kann verhindert werden, dass die Realwirtschaft weiter kollabiert. Wenn es genügend Kredite für die Wirtschaft gibt, können auch die Zinsen angehoben werden, denn wenn es den USA an etwas mangelt, dann ist es eine höhere Sparquote. Diese lässt sich jedoch nicht durch niedrige Zinsen und das Verschenken von Steuergeldern an Banken realisieren, da hier falsche Anreize und Zeichen gesetzt werden.
Exogene Abschwungfaktoren
Zwar mag es unter ökonomischen Gesichtspunkten Sinn machen, dass aktuelle Haushaltsdefizit von 10 % des Bruttosozialproduktes auf 3 % bis zum Jahr 2013 zu reduzieren, jedoch funktioniert so etwas nicht in Phasen der Rezession sondern nur in einer Phase der boomenden Wirtschaft. In Amerika boomt jedoch nicht die Wirtschaft, sondern das Schuldenmachen und durch die Inflationierungspolitik soll dieses durch den Rest der Welt jetzt mitfinanziert werden. Wenn es nach Bernanke geht, wird man in Bälde sogar Staatsanleihen selbst aufkaufen, um das Zinsniveau niedrig zu halten. Doch halt: Warum steigen dann die 10-jährigen und 30-jährigen Zinsen auf Staatsanleihen aktuell deutlich an? Sollte der Markt Bernankes Milchmädchenrechnung nicht tolerieren? Obama tut gut daran zu erkennen, dass die zwei wesentlichen Kräfte, die den Wirtschaftsabschwung in den USA beschleunigen werden, exogene Faktoren sind: Erstens spricht der demographische Faktor klar dafür, dass durch das Ausscheiden der Babyboomer-Generation aus dem Berufsleben eine klare Wachstumsschwächung der US-Wirtschaft in den nächsten zwei Jahrzehnten eintritt und zweitens werden ausländische Investoren immer weniger bereit sein, der USA zu niedrigen Zinsen Geld zu leihen wenn man Helikopter-Bernanke weiter gewähren lässt.
Erhards Vermächtnis: Die Reallöhne müssen wieder steigen!
Die Doch woher kann dann das Geld kommen, welches für die Restrukturierung Amerikas benötigt wird? Es kann nur von denjenigen kommen, die es über Jahrzehnte der Unter- und Mittelsicht geraubt haben, nämlich der amerikanischen Oberschicht. Wenn in einem Land die Vermögensdisparität so gross geworden ist, wie in den USA, muss hier der ökonomische Hebel angesetzt werden, wenn es wieder auswärts gehen soll. Auch die Grosse Depression der 30er Jahre hatten ihren Ausgangspunkt in einer unglaublichen Umschichtung der Vermögen hin zu einer Minderheit. So zeigen Erhebungen der letzten Jahre, dass etwa 300.000 Amerikaner zusammen etwa soviel Einkommen erzielten wie 150 Millionen Amerikaner aus der unteren Einkommensschicht ( http://www.nytimes.com/2007/03/29/business/29tax.html ). Pro Person erhielt die Topgruppe der Verdiener das 440-fache an Gehalt als eine durchschnittliche Person der unteren Einkommensklasse. Damit haben sich diese Zahlen seit dem Jahr 1980 nahezu verdoppelt. Es hat nun beileibe nichts mit Sozialismus zu tun, wenn man von den so genannten Eliten, dass der Mittelschicht gestohlene Geld über höhere Steuern wieder eintreibt. Die angebliche Wirtschaftsfeindlichkeit einer solchen Massnahme lässt sich sofort entkräften, da es gerade die Akkumulierung von Kapital in immer weniger Händen war, welche die Weltwirtschaftskrise erst ermöglicht hat. Wenn Obama als erfolgreich die vielleicht grösste Depression der Wirtschaftsgeschichte bekämpfen will, dann muss er hier ansetzen. Der Schlüssel im Erfolg seiner Wirtschaftspolitik wird darin liegen, dass die Reallöhne der unteren Einkommensgruppen und der Mittelschicht wieder ansteigen. In den USA wirft mittlerweile nur noch jeder zweite Arbeitsplatz ein Gehalt ab, welches für die Aufrechterhaltung eines Familienhaushaltes ausreicht. Die Folge sind Doppel- oder Dreifachbeschäftigungen mit oftmals erheblichen sozialen Konsequenzen für allein erziehende Mütter, Väter und ihre Kinder. Für Ludwig Erhards Mahnung, dass der Tatbestand einer sozialen Marktwirtschaft nur dann erfüllt werden kann, wenn «echte Reallohnsteigerungen» möglich werden, war im Neoliberalismus kein Platz.
Die Vermögensdisparität umkehren
Wenn Obama also später daran gemessen werden wird, ob seine Wirtschaftspolitik erfolgreich war, dann muss er es schaffen die Vermögensdisparität wieder umzukehren und die 10 % der US-Bevölkerung die zwei Drittel der Vermögenswerte kontrollieren durch höhere Steuern zur Solidarität zu zwingen. Hätte Roosevelt in den 30er Jahren hier angesetzt wäre sein New Deal wesentlich erfolgreicher gewesen. Obama hat jetzt die Chance, der Welt zu zeigen, dass Amerika nicht nur die Rassentrennung durch seine Präsidentschaft endgültig überwinden wird, sondern auch die Einkommenstrennung, die zu einer der ungerechtesten Ökonomien geführt hat, die die Welt je gesehen hat. Es ist eine Schande für die USA, dass mindestens 1/5 der Bevölkerung, d.h. etwa 60 Millionen Amerikaner, unterhalb der Armutsschwelle leben, während die Reichen über Jahrzehnte rauschende Feste feierten. Seit Milton Friedman galt bei Top-Managern die Doktrin: «Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht», ohne auf Solidarität, Gleichheit und Gerechtigkeit allzu viel Rücksicht zu nehmen. Yes we can bedeutet, dass Obama diese Doktrin durchbricht und die wahren Ursachen der aktuellen Krise erkennt und nicht nur Symptome behandelt.
Artur P. Schmidt
Der Wirtschaftskybernetiker Dr.-Ing. Artur P. Schmidt wurde in Stuttgart geboren. Er besuchte im Stadtteil Zuffenhausen das Ferdinand-Porsche-Gymnasium und machte dort das Abitur. Das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart und Berlin schloss er im Alter von 27 Jahren mit der Bestnote im Fachgebiet Raketentechnik ab, so dass ihm von Prof. H.H. Koelle die Promotion angetragen wurde. Im Alter von 30 Jahren erhielt Artur P. Schmidt den Doktortitel für ein kybernetisches Marktanalyse-Verfahren am Beispiel der Strategischen Planung von Airbus Industries. Nach einer Beratungstätigkeit bei Anderson Consulting sowie als Leiter der Strategischen Analyse der Ruhrgas AG war Dr. Schmidt Stipendiant der Stiftung zur Förderung der systemorientierten Managementlehre und letzter Schüler von Prof. Hans Ulrich, dem Begründer des St. Galler Management-Ansatzes. Während dieser Zeit begann Dr. Schmidt seine publizistische Laufbahn, aus denen Bestseller wie «Endo-Management» und «Der Wissensnavigator» sowie Wirtschaftsbücher wie «Wohlstand_fuer_alle.com» oder «Crashonomics» hervorgingen. Sein neuestes Buch, welches im EWK-Verlag (www.ewk-verlag.de ) erschienen ist, heisst «Unter Bankstern».
Heute ist Artur P. Schmidt Herausgeber des Online-News-Portals www.wissensnavigator.com sowie der Finanz-Portale www.bankingcockpit.com , www.wallstreetcockpit.com , www.futurescockpit.com und www.optioncockpit.com sowie Geschäftsführer der Tradercockpit GmbH (www.cockpit.li ). Dr. Schmidt ist ein gefragter Keynote-Speaker sowie Kolumnist für zahlreiche Finanzpublikationen.