Von Artur P. Schmidt
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Von Extrembergsteigern wissen wir, dass sie sich jenseits der Sargzone befinden, wenn Sie eine senkrechte Wand ohne Sicherung hochklettern. Ein Absturz ist absolut tödlich. Von Bankern wussten wir dies bisher nicht, bis sie sich auf den Weg machten senkrechte Derivate-Berge anzuhäufen, dort ohne Seil hochzuklettern und ihre spekulativen Absturzrisiken ausserhalb der Bilanz zu positionieren. Josef Ackermann kletterte mit seiner Bankster-Vorstandscrew seit Jahren ohne Seil um spektakuläre 25 Prozent Gewinne einzusammeln bevor sie kollektiv abstürzten. Doch anders als bei einem Bergsteiger, der bei einem Fehltritt keine Überlebenschance hat, rief «Papa Joe» sofort nach der Bad Bank, um dem Volk die Kosten für seinen Sturz aus der Steilwand aufzuhalsen. Die Deutsche Bank, durch Bilanzmanipulationen wiederbelebt, eigentlich jedoch pleite, ist das Paradebeispiel für eine Bank die angebliche Milliardengewinne realisiert, während der Rest der Realwirtschaft durch die einstürzenden Derivate-Himalayas und die daraus folgende Kreditklemme begraben wird.
Der Besoffene schätzt sich selbst ein
Josef als «Hans-Dampf-in-allen-Gassen» Ackermann rühmte sich nicht nur, keine Staatshilfe zu brauchen, vielmehr versäumt er keine Gelegenheit, sich und seinen Vorstandskollegen zu beweisen, dass er als Gladiator der «Last Man Standing» im globalen Banken-Kolosseum ist. Mit Hilfe neuer Bewertungsansätze gelang es dem Shooting Star unter den Bankster-Vollversagern sogar seine Level 3 Assets von 80 Milliarden auf 64 Milliarden Euro zu senken, indem die Schätzpreise neu fixiert wurden. Ein Meisterleistung des Selbstbetruges – oder sollten wir hier nicht besser eine Analogie aus dem Alltag heranziehen? Man stelle sich vor, man kommt in alkoholisiertem Zustand in eine Verkehrskontrolle und der Polizist hat kein Messgerät dabei. Deshalb überlässt er es dem Besoffenenen selbst seine Fahrtauglichkeit einzuschätzen. Die völlig alkoholisierte Deutsche Bank darf weiterfahren, weil Sie den tatsächlichen Alkoholgehalt von 3 Prozent (eine völlige Vergiftung mit toxischen Wertpapieren) auf nur noch 0,5 Prozent einstuft. Eine Wiederbelebung in Millisekunden durch eine bilanztechnische Fälschung ist somit heute scheinbar die Lösung aller Vergiftungsprobleme.
Neue Überschwemmungskatastrophe?
Der Zaubertrick erinnert an den berühmten Zauberer Merlin. Obwohl die Bank eigentlich bereits 2,5 Mal pleite war, ist sie durch einen neuen Bilanzierungstrick jetzt nur noch 2 Mal pleite. Um ihre Wertschriftenbestände neu bewerten zu können, die durch die deflationäre Krise völlig abgewertet wurden, mussten die Banken massiven Druck auf die Politik zum Initialisieren einer Gelddruckorgie ausüben, um nicht instantan Konkurs zu gehen. Kann es sein, dass die bisherigen Verluste der Banken nicht über-, sondern unterschätzt worden sind? Scheingewinne bei Bankaktien taugen deshalb aktuell wenig dazu, Rückschlüsse auf das Ende der Weltwirtschaftskrise zu ziehen, im Gegenteil: Sollte sich ein neuer Hurrikan im Derivatemarkt zusammenbrauen, könnte es zu einer Überschwemmungskatastrophe kommen wie bei der Katastrophe von Longarone in Italien. Das Aufstauen des Stausees Vaiont führt dazu, dass das Wasser den Berg Toc 1963 zum Rutschen brachte. 260 Millionen Kubikmeter Dolomiten-Gestein stürzten in den Stausee, wobei eine riesige Flutwelle zwei Dörfer überschwemmte und durch diesen vorsätzlichen Mord bis zu 3000 Menschen starben.
Wette auf die Dummheit der Politiker
Ein ähnliches Verbrechen an den Finanzmärkten – verübt an der Allgemeinheit – wurde auch von denjenigen Bankstern geplant, die ausufernde Eigenkapitalrenditen vorgaben. Der Tod des Systems wurde eingeplant, ohne die Bürger zu warnen, weil man wusste, dass man auf einen Bailout und damit auf das Abwälzen des eigenen Versagens auf die Steuerzahler zählen konnte. Das Kalkül war klar: Politiker sind dumm genug um dieses Spiel mitzuspielen, weil man sich dort keine Wachstumsschwäche leisten kann. Und schon konnte Ackermann tief in seine Trickkiste greifen, um durch Bewertungs- und Buchungstricks aus Verlusten Gewinne zu generieren. Doch wo kommen die wundersamen Gewinne her? Diese stammen aus dem extrem risikoreichen Investmentbanking, dort, wo man eigentlich kurz zuvor von der Nordwand gestürzt ist. Beim Privat- und Firmenkundengeschäft brachen die Gewinne um mehr als 80 Prozent ein und die Vermögensverwaltung schloss sogar mit einem Verlust ab. Gesamtökonomisch sind die Kredite an Firmen ausserhalb des Finanzsektors um mittlerweile 35 Milliarden Euro gefallen. Der Sargdeckel für die Real-Ökonomie ist somit gelegt und dem Zinswucher wurde Tür und Tor geöffnet. Die Deutsche Bank hat im 2. Quartal 2009 rund 1,1 Milliarden Euro verdient, vor allem mit dem Anleihegeschäft. «Die Deutsche Bank ist ein Gewinner der Krise» hiess es sogar beim Analysehaus Independent Research. Während sich Ackermann Geld bei der EZB für 1 Prozent leiht, verleiht er es an Unternehmen nur noch zu 10 Prozent und mehr weiter. Mit einer derartigen kriminellen Ausbeutung kann selbst der dümmste Banker Gewinne machen.
Was wenn der Aufschwung ausbleibt?
Ackermann braucht den Aufschwung, um sein Schwarzes Finanzloch in den Derivaten zu verstecken. Bleibt dieser aus, kann die nächste Zeitbombe, die 500 Milliarden Dollar Risikokredite in der US-amerikanischen Bauindustrie, platzen. Der Zusammenbruch des Marktes für Geschäftsimmobilien dürfte dann eine riesige Insolvenzwelle auslösen, welche die Massenarbeitslosigkeit in ungeahnte Höhen treiben könnte. Ohne einen massiven Aufschwung wird «Victory Joe» die Deutsche Bank und sich selbst nicht retten können. Deshalb wohl auch der Machtkampf in der Deutschen Bank zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Börsig und Josef Ackermann. Könnte es sein, dass Börsig die Manipulationen satt hat und die Risiken besser kennt als sein Vorstandsvorsitzender? Schliesslich war Börsig von 2002 bis 2006 verantwortlicher Chief Risk Officer der Deutschen Bank. Börsig hat gegen den Sonnenkönig Ackermann aufbegehrt, weshalb dieser nun den eitlen Oberaufseher zur Strecke bringen will. Und bei der Deutschen Bank ist wohl nur deshalb kein Nachfolger in Sicht, weil Ackermann einen echten Kronprinzen nie zugelassen hat. Warum will Ackermann nun den Kopf seines Oberkontrolleurs Clemens Börsig opfern? Was hat er zu verbergen? Ackermann scheint Börsigs starke Kontrolle zu stören. Als Sonnenkönig regiert man bekanntlich ohne Aufsichtsorgan. Ohne den Bilanzfachmann Börsig dürften jedoch dem Schönrechnen der Zahlen und der Risikofreude der Investmentbanker in der Deutschen Bank keine Grenzen mehr gesetzt sein. Willkommen in der Sargzone!
Artur P. Schmidt
Der Wirtschaftskybernetiker Dr.-Ing. Artur P. Schmidt wurde in Stuttgart geboren. Er besuchte im Stadtteil Zuffenhausen das Ferdinand-Porsche-Gymnasium und machte dort das Abitur. Das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart und Berlin schloss er im Alter von 27 Jahren mit der Bestnote im Fachgebiet Raketentechnik ab, so dass ihm von Prof. H.H. Koelle die Promotion angetragen wurde. Im Alter von 30 Jahren erhielt Artur P. Schmidt den Doktortitel für ein kybernetisches Marktanalyse-Verfahren am Beispiel der Strategischen Planung von Airbus Industries. Nach einer Beratungstätigkeit bei Anderson Consulting sowie als Leiter der Strategischen Analyse der Ruhrgas AG war Dr. Schmidt Stipendiant der Stiftung zur Förderung der systemorientierten Managementlehre und letzter Schüler von Prof. Hans Ulrich, dem Begründer des St. Galler Management-Ansatzes. Während dieser Zeit begann Dr. Schmidt seine publizistische Laufbahn, aus denen Bestseller wie «Endo-Management» und «Der Wissensnavigator» sowie Wirtschaftsbücher wie «Wohlstand_fuer_alle.com» oder «Crashonomics» hervorgingen. Sein neuestes Buch, welches im EWK-Verlag (www.ewk-verlag.de ) erschienen ist, heisst «Unter Bankstern».
Heute ist Artur P. Schmidt Herausgeber des Online-News-Portals www.wissensnavigator.com sowie der Finanz-Portale www.bankingcockpit.com , www.wallstreetcockpit.com , www.futurescockpit.com und www.optioncockpit.com sowie Geschäftsführer der Tradercockpit GmbH (www.cockpit.li ). Dr. Schmidt ist ein gefragter Keynote-Speaker sowie Kolumnist für zahlreiche Finanzpublikationen.