Grosse Kurschancen, grosses Risiko: So lautet die Devise bei Engagements in Turnaround-Kandidaten. Bei stark verschuldeten Unternehmen wie Mikron, Ascom und Swisslog ist das Risiko weiter gestiegen.
Von Andreas Kälin und Daniel Zulauf
Ist die Zeit reif, um in Turnaround-Situationen zu investieren? Vorsicht ist angebracht. Die Risiken sind grösser geworden. Das zeigen die Halbjahresberichte: Für diverse Turnaround-Kandidaten wie Mikron hat sich die Lage zugespitzt. Bei Swisslog wird einige Hoffnung verbreitet, aber die zuletzt erbrachte Leistung verheisst wenig Gutes. Ascom präsentiert die Halbjahreszahlen erst am Dienstag, Anlass zu Optimismus gibt es aber auch hier nicht (vgl. Kasten).
Mikron: Zweckoptimismus
Die Wahrscheinlichkeit, dass Investoren bei Mikron einen Totalverlust erleiden, hat zugenommen. Die Industriegruppe hat auch jüngst wieder enttäuscht: In den ersten sechs Monaten dieses Jahres schnitt sie klar schlechter ab als budgetiert. Der Turnaround im Bereich der Komponentenfertigung benötigt mehr Zeit und das widrige wirtschaftliche Umfeld hat auch Spuren hinterlassen.
Das Prinzip HoffnungDabei rennt die Zeit Mikron davon. Die Nettoverschuldung konnte lediglich um 19 auf 344Millionen Franken vermindert werden. Das genügt nicht. Einen beträchtlichen Teil dieser hohen Schulden soll noch in diesem Jahr mittels Verkauf des einstigen Stammgeschäfts, des Maschinenbaus, abgebaut werden. Hier scheint sich Mikron dem Zweckoptimismus hinzugeben. Im derzeitigen Umfeld wird wohl niemand bereit sein, ein akzeptables Angebot für das Werkzeugmaschinengeschäft abzugeben. Ohne den Verkauf der Sparte käme Mikron noch mehr in Zeit- und Geldnot. Selbst wenn die Transaktion gelänge, kann die Gruppe, wie sie im Semesterbericht zugestand, die bisherigen Jahresziele eines Gearing (Nettoverschuldung im Verhältnis zu Eigenkapital) von 1,2 und einer Eigenkapitalquote von 30 Prozent bis Ende Jahr nicht mehr erreichen. Die Fehlprognosen zeigen, wie sich Mikron ans Prinzip Hoffnung klammert. Mikron-Aktien sind eine Anlage auf gut Glück geworden; je länger der Aufschwung auf sich warten lässt, um so mehr schwinden die Chancen.
Swisslog: Gute Erholungschancen?
Während die Finanzgemeinde Mikron schon fast abgeschrieben hat, wie der kümmerliche Börsenwert von 25 Millionen Franken belegt, werden dem Logistikspezialisten Swisslog da und dort «gute Erholungschancen» («Cash») eingeräumt. Die Hoffnung beruht hier auf dem satten Wachstum des Auftragseinganges im bisherigen Jahresverlauf, das Swisslog in ihrem Halbjahresbericht hervorstreicht.
Kennzahlen haben sich verschlechtertWir sind aber skeptisch und richten unser Augenmerk auf andere, weniger vorteilhaft ausgefallene Kennzahlen: Die Nettoverschuldung hat sich in den sechs Monaten bis Ende Juni sogar noch erhöht, auf 306 Millionen Franken, bei einem Eigenkapital von gerade noch 143 Millionen Franken (wobei die Qualität des Eigenkapitals angesichts eines Goodwills von knapp 250 Millionen Franken auf der Aktivseite fragwürdig bleibt). Zusätzlich befremdet uns, dass der Betriebsgewinn (auf allen Stufen von Ebitda bis Ebit) trotz leicht höherem Umsatz im ersten Halbjahr deutlich gesunken ist – was die kreditgebenden Banken beunruhigen müsste. So ist das Verhältnis von Ebitda und Zinsaufwand nicht mehr in einem vernünftigen Rahmen, es beträgt weniger als drei.
IPO der Softwaresparte? Kürzlich tauchte das Gerücht auf, Swisslog wolle einen Minderheitsanteil seiner Software-Sparte an die Börse bringen. Eigentlich macht es wenig Sinn: Schliesslich will sich Swisslog verstärkt auf die weniger kapitalintensiven, mehr Wachstum und bessere Margen versprechenden Wachstumsbereiche Supply Chain Solutions und Supply Chain Software konzentrieren; diese erhielten im ersten Semester auch namhafte Grossaufträge von Kunden wie Roche oder Wal-Mart. Dagegen behandelt Swisslog die Hardwaresparten Material Flow Systems und Robotic Systems zunehmend stiefmütterlich.
Roche mit grösstem AuftragVielleicht ist das Gerücht trotzdem nicht völlig aus der Luft gegriffen: Wir interpretieren es als ein Bedürfnis, die Zukunft der vielversprechenderen Sparten zu sichern, indem diese vom unattraktiveren Rest und dem Grossteil der Schuldenlast gelöst werden. Ein Interesse an einer gesicherten Zukunft der Wachstumssparten hätte nicht zuletzt derenKunden wie Roche Diagnostics, die der Swisslog-Gruppe im Juni die Reorganisation der ganzen IT-Landschaft des Logistikzentrums in Mannheim übertragen und ihr damit den bisher grössten Software-Auftrag verschafft hat.
Der Börsengang könnte den Wachstumsbereichen, deren Auftragseingang im ersten Semester 24 beziehungsweise 39 Prozent gestiegen ist und deren Attraktivität bei jeder Gelegenheit herausgestrichen wird, zu zusätzlichen Mitteln verhelfen und er würde sie von den Ungewissheiten um die Zukunft von Swisslog befreien. Doch was droht dann dem Rest und was würde diese Umstellung für den Aktionär von Swisslog bedeuten? Wir bleiben vorsichtig und raten zu Zurückhaltung gegenüber Swisslog.