Attraktivere Berufsbildung für Leistungsstarke

Die Berufsbildung ist bei den Luzerner Jugendlichen nach wie vor hoch im Kurs: Rund 70 Prozent aller Schulabgängerinnen und -abgänger wählen eine duale Berufslehre. Auch für die Wirtschaft ist die Berufslehre ein Erfolgsmodell: Sie stellt sicher, dass in den verschiedenen Branchen genügend qualifizierte Berufsleute zur Verfügung stehen. «Für die Betriebe ist es enorm wichtig, dass die Berufsbildung auch für leistungsstarke Jugendliche attraktiv bleibt», erklärte der Luzerner Bildungsdirektor Anton Schwingruber an der heutigen Medienkonferenz in Luzern. «Gelingt dies nicht, fehlen beim nächsten wirtschaftlichen Aufschwung gut ausgebildete Fachkräfte. Umso mehr, als ab Herbst 2011 die Zahl der Schulabgänger deutlich abnehmen wird.»


Zusammenarbeit mit Organisationen, Betrieben und Schulen
Nachdem der Kanton Luzern in den letzten Jahren den Fokus eher auf die Förderung von schulisch schwachen Lernenden gesetzt hat, will er nun die Berufsbildung mit einem Massnahmenpaket für leistungsstarke Lernende noch attraktiver machen. In enger Zusammenarbeit mit den Organisationen der Arbeitswelt, den Betrieben und den Berufsfachschulen hat die Dienststelle Berufs- und Weiterbildung des Kantons Luzern eine Reihe konkreter Massnahmen entwickelt, die zeitlich etappiert eingeführt werden und dazu beitragen sollen, Lernende mit berufspraktischer Leistungsexzellenz frühzeitig zu erkennen, zu fördern und auszuzeichnen.


Leistungsstarke erkennen
Leistungsstarke Lernende zeichnen sich laut Bildungsforscherin Margrit Stamm durch herausragende praktische Begabung und ausgeprägte Persönlichkeitsmerkmale wie Motivation, Zuverlässigkeit und Stressresistenz aus. Um solche Talente besser zu erkennen, erhalten die Instruktoren von überbetrieblichen Kursen sowie die Ausbildungsbetriebe im Kanton Luzern neu einen Beobachtungsbogen. Damit lässt sich bereits während der ersten Monate der Berufslehre ermitteln, ob der bzw. die beobachtete Lernende zur Gruppe der besonders Leistungsstarken gehört oder nicht. Später soll ein Diagnose-Tool eingesetzt werden, das es erlaubt, den Entwicklungsstand der «getesteten» Person mit demjenigen von 15’000 anderen Lernenden zu vergleichen. Schliesslich wird auch die verbesserte Lernortkooperation via Internet-Tool dazu beitragen, Leistungsstarke früher und besser zu erkennen. Denn Talentförderung ist laut Josef Widmer, Leiter der Dienststelle Berufs- und Weiterbildung des Kantons Luzern, «nur dann nachhaltig und erfolgreich, wenn Lehrbetriebe, Organisationen der Arbeitswelt und Berufsfachschulen optimal zusammenarbeiten».


Leistungsstarke fördern
Sind die Talente erst mal erkannt, bedürfen sie einer speziellen Förderung. Auf schulischer Ebene will der Kanton bestehende Angebote wie den bilingualen Unterricht, freiwillige Sprachkurse mit Diplomen oder die Talents School für sportlich oder künstlerisch Begabte besser aufeinander abstimmen und ausbauen. Ein Beispiel: Am Berufsbildungszentrum Bau und Gewerbe in Luzern werden seit diesem Schuljahr Koch- und Elektroinstallateur- Lernende im Fach Allgemeinbildung in Deutsch und Englisch unterrichtet. Benotet werden die Sachkenntnisse, nicht die Fremdsprache. «Studien belegen, dass die Lernenden in zweisprachigen Klassen an der Lehrabschlussprüfung nicht schlechter abschliessen als monolingual Unterrichtete », sagte Projektleiter Marc-André Roth. Gemäss Fachleuten wirke sich der Umgang mit einer Fremdsprache auch positiv auf die Muttersprache der Lernenden aus. Laut Roth sind die bisherigen Erfahrungen im Luzerner Pilotprojekt «Bilingualer Unterricht» sehr vielversprechend: «Im Herbst kommen deshalb zwei neue Klassen des ersten Lehrjahrs hinzu.» Zudem werde für Sommer 2010 eine Ausweitung auf andere Berufe, Unterrichtsfächer und Sprachen geprüft. Roth: «Das macht umso mehr Sinn, als die Luzerner Primarschullernenden jetzt ja schon ab der 3. Klasse Englisch lernen.»


Berufsbildung und Spitzensport unter einem Hut 
Die Talents School an den Frei’s Schulen in Luzern erlaubt es talentierten Sportlerinnen und Sportlern, Berufsbildung und Spitzensport unter einen Hut zu bringen. Mit einem Stundenplan, der optimal auf die Trainingseinheiten abgestimmt ist und genügend Regenerationszeit gewährt. Die entsprechende KV- Ausbildung, die seit diesem Jahr auch Musikern und anderen Künstlern offen steht, dauert deshalb vier statt drei Jahre. Das Angebot wird ab 2010 versuchsweise auch für Lernende technischer, gewerblicher, gesundheitlicher und gestalterischer Berufslehren zur Verfügung stehen.


Austausch von Arbeitsinstrumenten und Erfahrungsberichten
Um ihre leistungsstarken Lernenden systematisch fördern zu können, sollen Ausbildungsbetriebe ihre Arbeitsinstrumente und Erfahrungsberichte gegenseitig austauschen. Zu diesem Zweck nimmt die Dienststelle Berufs- und Weiterbildung im Sommer 2009 die Website www.talente.lu.ch in Betrieb. Neben einer online-«Werkzeugkiste» stehen hier zahlreiche Kontaktadressen zur Verfügung. So erhalten die Betriebe für die individuell angepasste Förderung ihrer leistungsstarken Lernenden Unterstützungsangebote und konkrete Lehrmaterialien und gleichzeitig ein Kommunikationsmedium für den gegenseitigen Erfahrungsaustausch. Des Weiteren ist ein jährlicher Netzwerk-Event geplant, der Bildungspartner zusammenführt, die sich in der Talentförderung engagieren. Nebst dem Erfahrungsaustausch sollen an diesen Netzwerk- Events jeweils spezifische Themen betreffend Förderung leistungsstarker Lernender mit Referaten und Workshops bearbeitet werden. Eine erste Veranstaltung ist für Herbst 2009 geplant.


Eigene Projektarbeiten lancieren
Leistungsstarke Lernende sollen künftig noch mehr Ausbildungsangebote für branchen- und fachspezifische Vertiefungen nutzen sowie an interdisziplinären Projekten mit Wettbewerbscharakter teilnehmen können. Durch gezielte Förderung an den Berufsfachschulen soll erreicht werden, dass talentierte Luzerner Berufslernende eigene Projektarbeiten lancieren, die den Kriterien von «Schweizer Jugend forscht» entsprechen. In einem späteren Schritt sollen leistungsstarke Lernende während der Lehre von eigens dafür ausgebildeten «Coaches» bei ihrer Karriereplanung begleitet und unterstützt werden. Der Aufbau dieses Angebots erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Berufsverbänden.


Leistungsstarke auszeichnen
Lehrbetriebe und Organisationen der Arbeitswelt, die sich besonders für die Förderung leistungsstarker Lernender im Kanton Luzern einsetzen, können sich neu um das Label «Wir investieren in Talente» bewerben. Die Erfüllung der Label-Kriterien wird von einer Kommission, bestehend aus Vertretern der Bildung, Wirtschaft und Politik, vor Ort beurteilt. Ausgezeichnete Lehrbetriebe werden im 2- Jahres- Rhythmus besucht, um die Einhaltung der Label-Kriterien zu überprüfen. Durch das Label bekommen ausgezeichnete Lehrbetriebe laut Josef Widmer «eine Profilierungsplattform als zukunftgerichtete Ausbildungsorte». So könnten sie sich beispielsweise bei Stelleninseraten gezielt an leistungsstarke Lernende richten. Im Kanton Luzern werden jährlich Lernende mit einer «Ehrenmeldung» prämiert, die ihre Lehre mit einem Notendurchschnitt von mindestens 5,4 abschliessen. Neu sollen ab 2010 die besten Lernenden pro Beruf, sprich diejenigen mit den besten Lehrabschlussnoten in ihrer jeweiligen Berufslehre, speziell ausgezeichnet werden. Widmer: «So erhält jeder Berufsverband die Gelegenheit, seine Berufslehre als leistungsorientiert zu profilieren.» Die Auszeichnung der besten Berufslernenden wird anlässlich der kantonalen Schlussfeier vergeben.


Teilnahme an Berufsmeisterschaften
Beruflich begabte Lernende haben seit Jahren die Möglichkeit, als Vertreter eines Berufsverbandes an schweizerischen oder internationalen Berufsmeisterschaften teilzunehmen. Dafür werden sie im Vorfeld im Betrieb und in den überbetrieblichen Kursen neben der regulären Ausbildungszeit trainiert. Auch in diesem Herbst nehmen wieder 3 Luzerner Lernende an der Berufs-WM in Calgary teil. Das entspricht fast 10 Prozent der gesamten Schweizer Delegation. Der Kanton setzt sich zum (hohen) Ziel, dass auch bei zukünftigen Berufs-Weltmeisterschaften mindestens 3 Lernende aus dem Kanton Luzern teilnehmen. Last but not least: Die Berufsmatura, die 1997 eingeführt wurde, ist laut Josef Widmer auch im Kanton Luzern «ein eigentliches Erfolgsmodell». Dennoch bestehe bei der BM-Quote noch ein Steigerungspotenzial. Heute beträgt der Anteil der Berufslernenden, die die Berufsmatura absolvieren, 10,5 Prozent. Widmer: «Ziel ist es, zumindest das schweizerische Mittel von aktuell 12,3 Prozent zu erreichen – was durchaus realistisch ist, ohne die hohe Qualität der BM zu gefährden.»


Was wird bereits getan?
Die Einführung des neuen Massnahmenpakets bedeutet laut Widmer «selbstverständlich nicht, dass leistungsstarke Lernende vereinzelt nicht schon heute gezielt gefördert würden». Als eindrückliches Beispiel war Franz Zemp, Geschäftsführer beim Ingenieurbüro Josef Ottiger & Partner in Emmenbrücke, bei der Medienkonferenz zugegen. «Unsere Lernenden sind speziell motiviert, weil wir ihnen von Anfang an unternehmerisches Denken beibringen und Verantwortung übertragen», sagte Zemp. In der Praxis sieht das so aus: Die Lernenden nehmen bereits im ersten Lehrjahr an Bau- und Projektsitzungen teil und sind aufgefordert, ihre Meinung einzubringen. «Zu Kundengesprächen werden sie anfangs noch begleitet, ab dem dritten Lehrjahr stellen sie ein Objekt schon mal allein vor.» Zemp ist immer wieder fasziniert von der Eigeninitiative und der Innovationskraft seiner Lehrlinge. «Solche Talente ziehen andere mit, im Betrieb ebenfalls die optimale Leistung aus sich herauszuholen.» Daher würden sich überdurchschnittliche Leistungen bei den Lernenden von «JOP» auch in Franken und Rappen auszahlen.


Gezielte Förderangebote auch an Berufsschulen
Auch in den Berufsfachschulen bestehen laut Josef Widmer gezielte Förderangebote für leistungsstarke Lernende. Wer will und dazu fähig ist, habe zum Beispiel die Möglichkeit, neben dem regulären Unterricht ein international anerkanntes Diplom in Sprachen oder Informatik zu erwerben. (kanton luzern/mc/ps)

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