Mit einer Konzentration der Produktion auf Wolfsburg und Mosel bei Zwickau könnten Kosten in dreistelliger Millionenhöhe eingespart werden, teilte Europas grösster Autohersteller am Dienstag mit. VW-Produktionsvorstand Reinhard Jung wollte sich vor Abschluss der Verhandlungen mit den Arbeitnehmern nicht auf eine Zahl zum Stellenabbau festlegen. VW hatte den sechs westdeutschen Werken nach der Einigung auf längere Arbeitszeiten verbindliche Zusagen für die Zukunft gemacht. In Deutschland will VW 20 000 Stellen abbauen.
Entsetzen in Brüssel
Die Belegschaft in Brüssel reagierte entsetzt auf die Pläne. Schon seit Freitagabend hatten die Gewerkschaften aufgerufen, die Arbeit niederzulegen. Seit den 80er Jahren produziert VW in Brüssel den Golf. Nach Angaben der Gewerkschaften werden jedes Jahr etwas mehr als 200.000 Autos hergestellt, davon sind aber höchstens 11.000 Fahrzeuge vom Typ Polo. Experten der Arbeitnehmerseite gehen davon aus , dass bei Zulieferern weitere 8000 bis 9000 Stellen in Gefahr sind. Die Gewerkschaften beim Antwerpener General-Motors-Werk nannten das Vorgehen von VW einen «nationalistischen Reflex».
Kostensituation verbessern
Jung sagte, dass die Massnahme in Brüssel zusätzlich nötig sei, um die Kostensituation des Unternehmens zu verbessern. «Das ändert nichts an unserem Restrukturierungskurs in Deutschland», sagte er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Nach den deutschen müssten nun die europäischen Standorte überprüft werden. «Das ist auch ein Bestandteil der Pläne, um die Wirtschaftlichkeit von Volkswagen wieder auf die richtige Basis zu stellen.»
Es sind bis zu zwei Drittel der Mitarbeiter betroffen
Wie viele der insgesamt etwa 5400 Stellen in Brüssel gestrichen werden müssten, bleibe abzuwarten. «Wir stehen erst am Anfang der Verhandlungen. Es sind bis zu zwei Drittel der Mitarbeiter davon betroffen», sagte Jung. VW habe die belgische Regierung parallel zu den Gesprächen mit Management und Belegschaft informiert. «Diese hat uns ihre Unterstützung zugesagt», sagte Jung. «Wir sind uns unserer sozialen Verpflichtungen bewusst.» Der liberale Regierungschef Guy Verhofstadt zeigte sich schockiert. Einschnitte dieser Grössenordnung habe es bei VW woanders nicht gegeben. Der Europäische Metall-Gewerkschaftsbund (EMB) befürchtet, dass mit dem Abzug der Golf-Produktion der gesamte Standort vor dem Aus ist. EMB-Generalsekretär Peter Scherrer zeigte sich in der «Netzeitung» auch davon überzeugt, dass es «nicht nur bei Brüssel bleiben wird». Nachdem die VW-Werke in Deutschland oft als zu teuer kritisiert worden waren, hatte sich das Management mit der Belegschaft auf längere Arbeitszeiten bei gleicher Bezahlung geeinigt.
EU-Kommission auf den Plan gerufen
Die Ankündigung von VW rief auch die EU-Kommission auf den Plan. Sie will bei der Bewältigung der anstehenden Entlassungen helfen. Regionalkommissarin Danuta Hübner bereite eine Sondersitzung mit Vertretern der zuständigen Regionalregierung vor. «Wir sind uns der schwierigen Effekte bewusst, die grossangelegte Entlassungen bei Volkswagen für die Region Brüssel haben können», sagte eine Kommissionssprecherin. Mit 1,1 Milliarden Euro aus dem Europäischen Sozial-Fonds (ESF) hat die Kommission nach eigenen Angaben seit dem Jahr 2000 in Belgien Vorhaben zur Qualifizierung und Weiterbildung von Arbeitslosen unterstützt.
Audi dementiert
Audi dementierte einen Bericht von «manager magazin.de», wonach Brüssel Konzernkreisen zufolge zum Ausgleich die Produktion eines A3- Cabrios bekommen könnte, dass 2008 auf den Markt kommen solle. «An diesen Spekulationen ist nichts dran», hiess es von der VW-Tochter. Man habe zudem noch nicht einmal bestätigt, dass es ein A3-Cabrio überhaupt geben werde. (awp/mc/gh)