Ausblick 2008: Erdbeben an Finanzmärkten wirkt nach

In der Folge brachte so manches riskantes Finanzinstrument Verluste statt Rendite. Jüngster grosser Fall: Die UBS muss wegen fauler US-Hypothekenkredite weitere zehn Milliarden US-Dollar (rund 6,8 Mrd Euro) abschreiben und droht im Gesamtjahr erstmals in ihrer knapp zehnjährigen Geschichte in die roten Zahlen zu rutschen. Etliche Banker erwarten in den nächsten Monaten noch so manche unangenehme Überraschung.


Thema Fusionen rückt nach
Zumindest das erste Halbjahr 2008 wird nach Ansicht von Fachleuten noch von den Folgen der Finanzmarktkrise beherrscht sein. Erst dann dürfte auch wieder das Thema Fusionen stärker in den Vordergrund rücken: Unter den Landesbanken wirbt die schwächelnde WestLB wirbt bereits um die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) als Partner.


«Keine Zeit für Selbstzufriedenheit»
«Es ist keine Zeit für Selbstzufriedenheit», mahnte Europas oberster Währungshüter, Jean-Claude Trichet. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) äusserte mehrfach die Sorge, die Turbulenzen an den Finanzmärkten infolge der Krise am US-Markt für zweitklassige Hypothekenkredite (subprime) seien noch nicht ausgestanden. Erst Mitte Dezember boten fünf grosse Zentralbanken in einer gemeinsamen Aktion den Geschäftsbanken zusätzliches Kapital als Milliarden-Geldspritze an. Beobachter werteten dies als Beleg dafür, dass die Finanzkrise grössere Ausmasse hat als bisher gedacht.


Kehrt das Vertrauen zurück?
«Die nötige Transparenz und damit das Vertrauen werde vermutlich erst mit den testierten Jahresabschlüssen im Frühjahr an die Märkte zurückkehren», meint der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller. Sein Institut hatte allein im besonders turbulenten dritten Quartal 291 Millionen Euro abgeschrieben. Die Deutsche Bank kostete die Krise gar 2,2 Milliarden Euro, die Dresdner Bank rutschte in die Verlustzone.


Ackermann: «Weiterer Anpassungsbedarf möglich»
Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) sieht wieder zunehmende Unsicherheit in den Märkten. Somit droht 2008 ein weiteres Krisenjahr, obwohl die grossen deutschen Banken versicherten, sie hätten reinen Tisch gemacht. Es sei «nicht auszuschliessen, dass neue negative Daten und Signale in der Finanzbranche insgesamt einen weiteren Anpassungsbedarf auslösen werden», sagte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann in dem Schweizer Wirtschaftsmagazin «BILANZ».


Markt in Q2 wieder auf Normalkurs?
Bankenpräsident Müller rechnet dennoch damit, dass 2008 «der Markt spätestens im zweiten Quartal wieder auf Normalkurs zurückkehrt». Nach seiner Einschätzung erwarten die meisten Privatbanken im laufenden Jahr gute Geschäfte. Dafür spricht etwa die nach wie vor robuste Konjunktur in Deutschland und Europa, die Unternehmen und Verbraucher investieren lässt und die Banken als Kreditgeber stärkt. Allerdings ist auch auf Konjunkturseite der Optimismus mittlerweile ein wenig gebremst: Ein Wirtschaftsinstitut nach dem nächsten senkt die Prognose für das Wachstum in Deutschland im Jahr 2008.


Fusionspotenzial
Fusionspotenzial über die von vielen Experten seit langem erhoffte Bewegung im Landesbankensektor hinaus sieht der Finanzwissenschaftler Dirk Schiereck vor allem im Ausland. Die Subprime-Krise habe «potenzielle Übernahmekandidaten» geschaffen. Er erwarte dass viele kleine Banken «mehr oder weniger zwangskonsolidiert werden». Ratingagenturen sehen auch bei Grossbanken Bewegung: Moody’s etwa hatte wiederholt vorhergesagt, es werde «in Europa sowohl auf nationaler Ebene als auch länderübergreifend zu vermehrter Konsolidierung kommen, wobei auch von der Grössenordnung her gewagtere Transaktionen» zu erwarten seien. 2007 hatte die Übernahmeschlacht um die niederländische Grossbank ABN Amro Holding für Schlagzeilen gesorgt.


Vermehrte Vorsicht
Bei der Wahl ihrer Renditebringer dürfte so manche Bank nach der Krise des Sommers 2007 vorsichtiger werden. «In Wirklichkeit ist das eine Wundertüte, bei der sie nicht wissen, wo die Risiken und wo die Knallfrösche drin sind», schimpfte gar Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) über riskante Finanzinstrumente, bei denen Banken etwa Kreditrisiken zerstückeln, in Pakete schnüren und wieder verkaufen. Die Düsseldorfer Mittelstandsbank IKB geriet während der Finanzmarktkrise in eine existenzbedrohende Schieflage und wurde mit Milliarden gestützt, Sachsens Landesbank wurde dank einer Blitzaktion übers Wochenende vor dem Zusammenbruch gerettet.


Frage der Eigenverantwortung
«Die Banken sind in dieses Geschäft nicht hineingezwungen worden», betonte Bankenpräsident Müller. Vermeintlich zu gute Bewertungen von Rating-Agenturen, stumpfe Gesetze oder mangelnde Bankenkontrolle für Verluste verantwortlich zu machen, halten viele Experten für zu kurz gegriffen. «Um die Eigenverantwortung bei der Kreditvergabe geht nichts herum: Verlass Dich nicht blind auf andere», mahnte Müller. (awp/mc/ps)

Schreibe einen Kommentar