So habe Notenbank-Präsident Jean-Claude Trichet noch vor wenigen Monaten Ausnahmeregelungen für einzelne Euro-Länder klar ausgeschlossen. «Vertrauen ist in der Geldpolitik ein sehr wichtiger Punkt.» Die Unsicherheit über den künftigen Kurs der EZB sei nunmehr gestiegen. Auch aus Sicht der DekaBank kratzt die Massnahme an der Glaubwürdigkeit der EZB. Der Schritt sei «absolut unkompatibel» mit den vorherigen Aussagen der Notenbank, sagte DekaBank-Experte Karsten Junius dpa-AFX. Die Massnahme als solche sei aber richtig, betonte er. Schliesslich müsse eine Notenbank Refinanzierungsfunktion für alle Länder übernehmen. Die vorher postulierte sehr harte Rating-Regelung sei praktisch nicht durchsetzbar gewesen. Auch Commerzbank-Experte Schubert hält die Aussetzung für sachlich nachvollziehbar. Allerdings überrasche der Zeitpunkt.
«EZB will Investoren Sicherheit geben»
«Das Sparprogramm Griechenlands und das Hilfspaket stehen», sagte Schubert. Insoweit wäre es naheliegend gewesen, zunächst die Reaktion an den Märkten abzuwarten. Zumal mit Standard & Poor’s nur eine der drei führenden Ratingagenturen Griechenland schlechter als nötig bewerte. Gleichwohl sei das Ziel der Notenbank klar: «Die EZB will den Investoren Sicherheit geben und für Ruhe an den Märkten sorgen.» Am Montag setzte die EZB die Minimalanforderungen bei Ratings für griechische Staatsanleihen in ihrem Offenmarktgeschäft mit Geschäftsbanken vollständig aus. Die Aussetzung gelte «bis auf weiteres». Als Begründung führt die Notenbank das am Wochenende ausgehandelte Sparprogramm Athens an, das die EZB als «angemessen» beurteilt. Die positive Beurteilung und die starke Verpflichtung der griechischen Regierung seien die Grundlage für die Aussetzung.
Ausnahmeregelung
Derzeit gilt für alle Staatsanleihen im Euroraum eine Ausnahmeregelung, wonach die Papiere anstatt eines erstklassigen Ratings eine Mindestbewertung von lediglich «BBB-» aufweisen müssen, um im Refinanzierungsgeschäft zwischen EZB und Geschäftsbanken als Sicherheit anerkannt zu werden. Diese Ausnahmeregelung sollte ursprünglich Ende 2010 auslaufen. Die EZB hatte diese Regelung erst kürzlich verlängert und ein Abschlagssystem für Anleihen zweitklassiger Bonität eingeführt. Nach der nunmehr beschlossenen Aussetzung der Rating-Vorschriften für Griechenland bleiben Athener Staatsanleihen selbst bei weiteren Bonitätsherabstufungen von Ratingagenturen in jedem Fall refinanzierungsfähig.
Renditen der Randländer sinken nach Milliardenhilfe
Die Lage an den Anleihenmärkten der europäischen Randländer hat sich mit dem Milliardenschweren Hilfspaket der Euro-Länder und den Sparmassnahmen Griechenlands weiter beruhigt. Sowohl in Griechenland als auch in Portugal gingen die Renditen für Staatspapiere erneut zurück. Die Euro-Länder wollen Griechenland laut einem Beschluss vom Wochenende mit 110 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren vor einer Staatspleite retten. Sie akzeptierten damit die massiven Sparanstrengungen Athens. Die Europäische Zentralbank (EZB) flankierte die Massnahmen am Montag mit der vollständigen Aussetzung der Ratinganforderungen für griechische Staatsanleihen.
«Default Griechenlands nahezu ausgeschlossen»
«Mit den Beschlüssen ist ein Default Griechenlands für die kommenden drei Jahre nahezu ausgeschlossen», betonte Experte Jens-Oliver Niklasch von der Landesbank Baden-Württemberg. Es steht zwar aus deutscher Sicht noch die Abstimmung im Bundestag an, und wahrscheinlich werde es eine Klage vor dem Verfassungsgericht gegen die Hilfe für Griechenland geben. Es sei aber unwahrscheinlich, dass einer der beiden Prozesse das Hilfspaket noch beeinflussen werde. «Alles in allem hat die Griechenland-Krise damit ein Ende genommen», erklärte der Experte. Die Rendite für zehnjährige griechische Staatsanleihen sank am Montagmorgen auf rund 8,85 Prozent, nachdem sie am Freitag noch über neun Prozent und am Mittwoch zeitweise über die Zehn-Prozent-Marke geklettert war. Die Rendite für zehnjährige Staatspapiere Portugals lag zuletzt bei rund 5,11 Prozent, nachdem sie in den Tagen zuvor auf bis zu 5,8 Prozent geklettert war.
Risikoaufschläge zuvor auf schwindelerregenden Höhen
In der Vorwoche waren die Risikoaufschläge insbesondere für griechische Titel zeitweise in schwindelerregende Höhen gestiegen. Dies war ein klares Zeichen der Märkte für ihr hohes Misstrauen in die Zahlungsfähigkeit des Landes. Auch die politische Debatte um die milliardenschweren Hilfen hatte zur Verunsicherung beigetragen. Auslöser für die jüngsten Marktturbulenzen waren Bonitätsherabstufungen der Ratingagentur Standard & Poor’s. Sie hatte die Kreditwürdigkeit Griechenlands, Portugals und Spaniens innerhalb von nur zwei Tagen deutlich gesenkt. Die Athener Papiere wurden gar auf «Ramsch-Status» herabgestuft. (awp/mc/ps/09)