Obwohl die amerikanischen Börsenindizes im vergangenen Jahr bereits den stärksten Einbruch seit den 30er Jahren verzeichnet hatten, fielen sie bis zum 02.03.2009 um über 20 %. Insgesamt wurde seit dem Sommer 2007 an den Börsen weltweit Kapital im Wert von über 15 Billionen USD vernichtet. Die Zweifel und Ängste haben zwei Ursachen: Zum einen ist der Bankensektor in den meisten Industrieländern nach wie vor in einem so katastrophalen Zustand, dass eine Rückkehr zur Normalität ausgeschlossen ist. Zum anderen wird dadurch die immer weiter ausufernde weltweite Rezession verstärkt. Besonders beunruhigend ist die Tatsache, dass die im Eiltempo ergriffenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen vor allem in den USA die Unsicherheit beseitigen und eine Katastrophe verhindern sollten. Paradoxerweise scheint aber der Super-GAU nicht abgewendet, sondern ganz im Gegenteil, immer wahrscheinlicher. Man kann es nicht oft genug wiederholen: In einer derart dramatischen Krise ist es Aufgabe des Staates, das Vertrauen wiederherzustellen. Die Marktmechanismen alleine sind nicht dazu in der Lage, das Wirtschaftssystem angesichts der aktuellen Deflation rasch wieder funktionsfähig zu machen. Natürlich müssen die Verantwortlichen für dieses Desaster ausfindig gemacht werden. Zudem ist es sicher erforderlich, die Rahmenbedingungen (Regulierung, finanzielle Anreize), die die Auswüchse der Vergangenheit erst ermöglicht haben, zu ändern. Dringender Handlungsbedarf besteht jetzt aber an anderer Stelle. Das Bankensystem muss noch rascher und mit viel mehr Nachdruck wieder «flott» gemacht werden. Je mehr Zeit vergeht, desto gravierender die Auswirkungen auf die Wirtschaft. Kurzfristig sind die Aussichten alles andere als rosig. Das spricht dafür, möglichst wenig Risiko einzugehen. Dass die diversen wirtschaftspolitischen Maßnahmen vor allem in den Industrieländern mittelfristig eine Stabilisierung der Wirtschaft bewirken und neues Vertrauen schaffen, muss als wahrscheinlich gelten. Wir gehen deshalb weiterhin von einem wenn auch nur moderaten Anziehen der Konjunktur in den kommenden zwölf Monaten aus. Dennoch erhöht der Umfang der Anpassungen und das bisherige Scheitern der Sanierung des Finanzwesens das Risiko, dass der Aufschwung noch auf sich warten lässt.
Wachstum bricht ein
Der Blick auf die zahlreichen Statistiken lässt keinen Zweifel: Die gravierende Rezession hat nahezu die ganze Welt erfasst. Nach jüngsten Berechnungen ist das BIP in den USA im 4. Quartal 2008 um annualisierte 6,2 % zurückgegangen, so stark wie zuletzt im 1. Quartal 1982. Das Nachbarland Mexiko bekam dies mit einem Rückgang seines BIP um annualisierte 10,4 % im 4. Quartal 2008 unmittelbar zu spüren. Die Folgen des Einbruchs der Wirtschaftstätigkeit machen sich auf dem Arbeitsmarkt dramatisch bemerkbar: So steigt die Arbeitslosigkeit in den USA so schnell wie nie zuvor. Seit dem offiziellen Beginn der Rezession im Dezember 2007 gingen in der amerikanischen Wirtschaft bereits 3,6 Millionen Arbeitsplätze verloren, die Hälfte davon fast allein in den letzten drei Monaten. Im Rest der Welt sieht es ähnlich katastrophal aus. In Frankreich beispielsweise wurden im Januar 90.200 zusätzliche Arbeitssuchende gemeldet ? ebenfalls ein trauriger Rekord. Leider lassen die Frühindikatoren für die nächsten Monate nichts Gutes erwarten. Die Wirtschaft wird weiter schrumpfen, wenn auch langsamer als bisher. In den USA scheint sich der ISM des verarbeitenden Gewerbes wieder zu stabilisieren, obwohl er mit 35,8 Zählern im Februar einen weiteren Rückgang der Wirtschaftstätigkeit anzeigt. In den BRIC-Staaten sieht es ähnlich aus ? dort sind die entsprechenden Werte leicht gestiegen. Trotz einer Zunahme des deutschen IFO-Indexes entwickelten sich die Einkaufsmanager- Indizes in der Eurozone im Februar hingegen erneut negativ. Das lässt nichts Gutes erahnen. Insgesamt haben wir unsere Wachstumsprognosen für das Jahr 2009 erneut nach unten korrigieren müssen. Wir prognostizieren nun einen Rückgang des BIP in den USA und in der Eurozone um 2,3 % sowie um 4 % in Japan. Gleichzeitig gehen wir von einem sehr moderaten Aufschwung aus (etwa 1 % in den großen Industrieländern im Jahr 2010). Trotz der umfangreichen Konjunkturpakete halten wir jedoch auf Grund der Schwierigkeiten bei der Normalisierung der Lage im Bankensektor ein verzögertes Eintreten dieses Aufschwungs für wahrscheinlich.
Staatliche Hilfen
Insgesamt unterstützt der amerikanische Staat die Wirtschaft nicht, wie ursprünglich angedacht, mit 820 Milliarden USD, sondern «nur» mit 789 Milliarden USD. Trotz dieses enormen Betrages (fast 6 % des BIP) darf man nicht übersehen, dass ein erheblicher Teil dieser Gelder erst im Jahr 2010 wirksam wird. Dies wird die Wirtschaft sicher nachhaltig stabilisieren. Die Nachfrage muss jedoch jetzt dringend angekurbelt werden. Selbst Optimisten gehen davon aus, dass die Hilfen im Jahr 2009 nicht einmal 3 Prozentpunkte des BIP erreichen. Ein Großteil besteht außerdem aus Steuersenkungen, deren Wirkung geringer ausfallen könnte als in der Vergangenheit, da die Sparquote steigt (seit August letzten Jahres um über 4 Prozentpunkte). In Europa fallen die Konjunkturpakete noch kleiner aus. Wir rechnen mit 1 % des BIP in der Eurozone. In vielen Ländern wird das Haushaltsdefizit dennoch stärker als je zuvor in Friedenszeiten steigen (10 % des BIP in den USA, 5,2 % in Frankreich, 3,8 % in Deutschland). Die Staatsverschuldung wird insbesondere wegen der Hilfen für den Finanzsektor noch weiter zunehmen.
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Seite 2…Und die Banken?
Es bestehen erhebliche Zweifel, ob es gelingen wird, mit diesen Konjunkturpaketen die private Nachfrage anzukurbeln. Hinzu kommt, dass alle Versuche, das Bankensystem wieder in Gang zu bringen, bisher nur teilweise erfolgreich waren. Das langsame Tempo führt zu einer weiteren Verschlechterung der Bilanzen der Finanzinstitute. Durch die Rezession sinkt der Wert ihrer Aktiva immer weiter. Weltweit geht man mittlerweile von einem Verlust in Höhe von fast 1.200 Milliarden USD aus. In den USA hat das vom Finanzminister Geithner angekündigte neue Konjunkturprogramm (Financial Stability Plan) nicht für Entspannung am Markt gesorgt. Trotz der zweifellos guten Absicht verstärkt es eher die Zweifel an der Solvenz der Banken. Deshalb musste die amerikanische Regierung erneut eingreifen und durch die faktische Übernahme von 36 % der Anteile an der Citigroup deren Kapitalposition stärken. Welche Strategie künftig gelten soll, ist unklar. Eine Verstaatlichung einiger Finanzinstitute wird jedoch grundsätzlich ausgeschlossen. In Großbritannien fährt man einen klareren Kurs: Verstaatlichung der RBS sowie Bürgschaften für faule Aktiva der Banken. In der Eurozone geht man weiterhin davon aus, dass die Probleme nicht so gravierend sind und Bürgschaften eigentlich ausreichen müssten. Durch die Krise in den Ländern Osteuropas ist jedoch wieder deutlich geworden, wie stark viele westeuropäische Banken dort engagiert sind (1.600 Milliarden USD).
Keine Besserung an den Märkten
Die Stimmung an den Märkten hat sich weiter verschlechtert. Die Wirtschaft ist extrem geschwächt und von der Normalität weit entfernt. Unsere Empfehlung einer weiterhin stark defensiven Haltung mit vorrangig liquiden Anlageformen mag da fast trivial erscheinen. In Anbetracht der erreichten Bewertungen sollte man die Chancen, die sich in den nächsten Monaten bieten könnten, jedoch aufmerksam beobachten. Wir sind der Ansicht, dass wieder etwas mehr Risikobereitschaft gezeigt werden kann, sobald Klarheit über die Finanzlage der Banken herrscht. Die Wirtschaftslage dürfte jedoch bei hoher Volatilität schwierig bleiben, auch wenn sich Hoffnungsschimmer zeigen. Bis dahin wird der Markt noch weitere schlechte Nachrichten bezüglich der Unternehmensergebnisse verkraften müssen ? eine Folge des Konjunkturrückgangs. Wir prognostizieren aktuell einen Rückgang der Gewinne von über 30 % in Europa und den USA. Die Prognosen der meisten Analysten sind jedoch weiterhin extrem optimistisch: Man erwartet einen Rückgang von lediglich 10 % in den USA und einen nur geringen Rückgang in Europa. Zudem sind wir nach wie vor davon überzeugt, dass die beispiellose expansive Geldpolitik, wie sie vor allem in den angelsächsischen Ländern betrieben wird, dafür sorgen wird, dass die Renditen bei Staatsanleihen weiterhin entlang der gesamten Renditekurve gesichert sind, wenn auch nur auf niedrigem Niveau. Dies geschieht auch durch den eventuellen Aufkauf von Staatsanleihen durch die Zentralbanken. Wie der Kursanstieg der letzten Zeit zeigt, könnte das Überangebot an Staatstiteln jedoch auch Ängste wecken und Zweifel aufkommen lassen, ob der Markt dieses überhaupt absorbieren kann.
(AXA-IM/mc/hfu)