AXA Investmentstrategie: Zerbrechliches Marktumfeld
Von Sebastian Paris-Horvitz
Die Widerstandsfähigkeit zahlreicher Branchen ist verblüffend. Dennoch bleiben wir, was das kommende Jahr angeht, weiterhin vorsichtig. Wir glauben
nach wie vor, dass man sich gegen die aktuellen konjunkturellen Risiken schützen sollte. Demnach sind risikoreiche Titel bis auf weiteres zu vermeiden. Dagegen empfiehlt sich in Anbetracht des gestiegenen Inflationsniveaus und der insbesondere in den Schwellenländern zu verzeichnenden dramatischen Entwicklungen zumindest kurzfristig die Anlage in inflationsgeschützte Anleihen.
Von Kontrasten geprägte Wirtschaftslandschaft
Wie erwartet, zeigten sich viele Länder im 1. Quartal 2008 enorm widerstandsfähig. So trug in den USA der Aussenhandel trotz rückläufiger Binnennachfrage zu einem positiven Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 0,9 % gegenüber dem Vorjahreswert bei. Die amerikanische Wirtschaft wurde weiterhin von der Dynamik der Schwellenländer und dem schwachen Dollar getragen. Auch Deutschland konnte dank seiner Exportstärke von der positiven Entwicklung der Weltwirtschaft profitieren. Das verarbeitende Gewerbe entwickelte sich auf globaler Ebene relativ robust, wohingegen die Inlandsnachfrage in einigen Industrieländern – insbesondere in den USA – ins Stocken geriet. Gleichzeitig liess eine Reihe von Ländern Zeichen einer tiefgreifenden Schwäche erkennen – so etwa Spanien, wo es im Immobiliensektor zu immer stärkeren Korrekturen kam. Die Konjunkturaussichten bleiben eher ungewiss, auch wenn vieles auf eine Flaute hindeutet. Die Widerstandsfähigkeit des verarbeitenden Gewerbes einzelner grosser Volkswirtschaften, insbesondere Deutschlands und der USA, darf allerdings nicht unerwähnt bleiben. Zwar zeigt der ISM Manufacturing-Index, der im Mai bei 49,6 Punkten lag, eine weiter rückläufige Aktivität im verarbeitenden Gewerbe der USA. Doch der Wert liegt deutlich oberhalb der Marke, die in der Vergangenheit in Phasen schwacher Binnennachfrage verzeichnet wurde. Auch in Deutschland deuteten der IFOGeschäftsklima-Index und PMIIndex trotz einer klaren Verlangsamungstendenz auf eine nach wie vor relativ solide Entwicklung im verarbeitenden Gewerbe hin. Diese Widerstandsfähigkeit ist bekanntlich auf das anhaltend starke Wachstum der Schwellenländer zurückzuführen, wenngleich mancherorts Anzeichen einer moderaten Verlangsamung zu erkennen sind. Zahlreiche andere Schwellenländer erleben derzeit Überhitzungserscheinungen. Dies äussert sich in einer rasanten Zunahme der Inflation, die in den sieben grössten Ländern Lateinamerikas inzwischen beinahe die 7 %-Marke erreicht hat. Russland ist Spitzenreiter mit 14 %.
Erneute Ölkrise
Heute richten sich alle Blicke auf den steilen Anstieg des Ölpreises. Wenngleich ein Rückgang der Nachfrage zu erwarten ist, haben wir unsere Prognosen für die Preisentwicklung in Anbetracht der Marktbedingungen nach oben korrigiert. So erwarten wir für 2008 einen durchschnittlichen Ölpreis von 115 USD pro Barrel. Im Jahr 2009 dürfte dieser Wert unserer Einschätzung nach bei 130 USD liegen. Durch den Preisanstieg verlangsamt sich nicht nur das globale Wachstum, sondern auch das Timing dieser Entwicklung ist aus Sicht mancher Länder besonders unglücklich. So hat etwa die seit letztem Jahr erlebte Ölpreisverdoppelung dazu geführt, dass die Energiekosten der USA innerhalb eines Jahres um ca. 280 Mrd. USD (2% des Bruttoinlandsprodukts) Es darf daher kaum verwundern, das das Verbrauchervertrauen einen historischen Tiefststand erreicht hat. Analoges gilt für die anderen westlichen Länder. Insgesamt ist festzuhalten, dass in den kommenden Quartalen der Konsum in den Industrieländern der Hemmfaktor sein wird.
Geldpolitik
Eine höhere Krisenfestigkeit bei manchen Volkswirtschaften sowie ein beunruhigender Anstieg der Inflation haben den Markt zu einer deutlichen Revision der Erwartungen in Bezug auf die Leitzinsentwicklung veranlasst. Inzwischen wird seitens der EZB und der US-Notenbank eine Zinserhöhung vor Jahresende um 25 Basispunkte erwartet. Wir stehen dieser Prognose allerdings skeptisch gegenüber, denn damit werden die Auswirkungen der Finanzkrise allzu schnell ausser Acht gelassen. Wir gehen vielmehr davon aus, dass die EZB zu Beginn des Jahres 2009 eine Zinssenkung vornehmen wird, wohingegen die Federal Reserve ihre aktuelle Zinspolitik über mehrere Quartale hinweg beibehalten dürfte. In dieser Situation könnte ein unerwarteter Anstieg der globalen Inflation eine restriktivere Geldpolitik nach sich ziehen. Die von einigen Schwellen ländern praktizierte freizügige Geldpolitik könnte zu einem weiteren Inflationsanstieg beitragen und somit ein Szenario begründen, das weitaus negativer wäre als bislang angenommen. Einige Schwellenländer zeigen keine Bereitschaft, ihre Wirtschaftspolitik zwecks Eindämmung der Inflation anzupassen. Diesem Irrtum unterlagen schon die Industrieländer bei
der Ölkrise der 70er Jahre. Dieses Szenario birgt nach unserer Einschätzung ein gewisses Risiko.
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Märkte im Zeichen konjunktureller Unsicherheit
Angesichts widersprüchlicher Wirtschaftsdaten ist es schwierig, aus den aktuellen Marktentwicklungen klare Empfehlungen abzuleiten. Es ist jedoch eindeutig, dass die Angst vor einem anhaltend hohen Inflationsniveau zu einem wichtigen Thema geworden ist. So hat sich unsere Empfehlung, weiterhin in an die Inflation gekoppelte Anleihen zu investieren, im letzten Monat bezahlt gemacht. Wie oben ausgeführt, besteht in den kommenden Monaten die Gefahr einer drastischen Zunahme der Inflation. Als Schutzmassnahme setzen wir daher weiterhin auf Indexanleihen, zumal die Differenz zwischen Nominal- und Indexzins bei Anleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren – vor allem in den USA – weiterhin auf einem Niveau nahe der langfristigen Durchschnitts-Inflationsrate verharrt. Vor dem Hintergrund der bestehenden konjunkturellen Unsicherheit halten wir trotz der nach wie vor attraktiven Bewertung an einer vorsichtigen Anlagestrategie mit Blick auf risikobehaftete Vermögenswerte fest. Die Markterholung infolge der Rettung von Bear Stearns ist mittlerweile Geschichte. Die Finanzinstitutionen haben allerdings auch einige Rückschläge zu verzeichnen. So haben etwa Anfang Juni die Schwierigkeiten von Bradford & Bingley in Grossbritannien sowie die Herabsetzung des S&P-Ratings der Anleihen von Merrill Lynch, Morgan Stanley und Lehman Brothers wieder in Erinnerung gerufen, dass die Finanzkrise noch nicht überwunden ist. Auch wenn bei der Bereinigung der Bankbilanzen nennenswerte Fortschritte erzielt wurden, scheint es doch, als bestünde nach wie vor grosse Unsicherheit mit Blick auf die Ergebnisse im Bankenbereich. Deshalb raten wir weiterhin zu einer Untergewichtung von Papieren aus dieser Branche.
Wir setzen unverändert auf eine defensive Anlagestrategie und empfehlen insbesondere Investments in Unternehmen, die im Bereich konjunkturunabhängiger Konsumgüter tätig sind. Wir favorisieren nach wie vor den US-Markt, dem eine günstige Geldpolitik und der schwache Dollar zugute kommen. Die Möglichkeit eines weiterhin starken Wachstums in den Schwellenländern führt zurück zur «Energiefrage», obwohl der Energiesektor im vergangenen Jahr seine Führungsrolle unter Beweis stellen konnte. Natürlich würden wir im Falle eines deutlichen Rückgangs des Ölpreises unsere Prognose anpassen. Insbesondere würde eine solche Entwicklung die bisherige Beeinträchtigung des Wachstums aufheben. Die getroffenen wirtschaftspolitischen Massnahmen könnten dann ihre volle Wirkung entfalten. Risikoreiche Titel würden in einem solchen Szenario wieder eindeutig
an Bedeutung gewinnen.
(AXA/mc/hfu)