Die These beruht auf konkreten Beobachtungen zum Anlageverhalten. Als Folge des Weiteren demographischen Wandels könnte sich die Tendenz zu tieferen Zinsen noch einige Jahre fortsetzen.
Weltbevölkerung könnte bis 2050 auf 9 Milliarden steigen
Über weite Strecken der Geschichte der Menschheit war das Bevölkerungswachstum relativ klein. Ausgelöst durch eine sinkende Sterblichkeitsrate begann im 17. bis 18. Jahrhundert indessen die Bevölkerung stärker zu wachsen. Im 20. Jahrhundert fand das Wachstum mit rund 2% seinen Höhepunkt. Seit den sechziger Jahren nehmen zwar die Jahresraten des Wachstums wieder kontinuierlich ab. Laut den Erhebungen der Vereinten Nationen wird sich jedoch die Weltbevölkerung dennoch von gegenwärtig rund 6.5 Milliarden bis ins Jahr 2050 auf über 9 Milliarden vermehren.
Europa: Weniger Menschen, dafür viel mehr Leute über 60
Dabei gibt es zwischen den Regionen markante Abweichungen. Während die Anzahl Menschen in den industrialisierten Ländern stabil bleibt oder sogar abnimmt, werden die am wenigsten entwickelten Länder ihren Anteil an der Gesamtbevölkerung fast verdoppeln. In Europa wird das Bevölkerungswachstum negativ ausfallen, die Gruppe der über Sechzigjährigen wird jedoch stark zunehmen. Ausschlaggebend für die Bevölkerungsentwicklung und die Altersstruktur innerhalb der einzelnen Länder ist zum einen die Geburtenrate, welche in den industrialisierten Ländern unter der wachstumskritischen Grenze von zwei Kindern pro Frau liegt, und zum anderen die erwartete Lebensdauer, welche bis ins Jahr 2050 aufgrund der veränderten Lebensgewohnheiten und der besseren medizinischen Versorgung weltweit von heute 65 Jahren auf 75 Jahre ansteigen wird.
Junge verschulden sich, dann wird gespart, im Alter wieder verbraucht
Die wohl am meisten beachtete Theorie zur Erklärung der Auswirkungen einer alternden Gesellschaft auf das allgemeine Zinsniveau ist die Lebenszyklustheorie. Sie besagt, dass das Sparverhalten zum Teil aufgrund des Alters einer Person vorausgesagt werden kann. Jüngere Erwachsene verschulden sich, mit zunehmendem Alter sparen sie und nach dem Austritt aus dem Berufsleben verbrauchen sie Ersparnisse schliesslich wieder.
Gegenwärtige Akkumulation von Ersparnissen
Gegenwärtig befindet sich noch ein grosser Teil der Bevölkerung, die so genannten «Babyboomer», in einer Phase starker Akkumulation von Ersparnissen. Dieser Vorgang sollte solange anhalten, bis die grosse Masse dieser «Babyboomer» in den nächsten 20 bis 25 Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheidet. Das liesse vermuten, dass die Zinsen dann eher wieder ansteigen.
Jedoch wird bei dieser Überlegung vernachlässigt, dass die Leute ihr Verhalten auch durchaus an neue Umstände anpassen können. Aufgrund ihrer grösseren Lebenserwartung müssen sie vielleicht länger sparen, was die Zinsen belastet. Auch eine mit dem Alter wachsende Risikoaversion kann die Zinsen tiefer halten. Die Entwicklung der privaten Sparquote und somit der Einfluss der Überalterung auf die Zinsen sind also schwer vorherzusagen.
Anhaltender Druck auf die Zinsen
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die tendenziell zunehmende Nachfrage nach festverzinslichen Anlagen, ausgelöst durch die Vorsorgebedürfnisse. Die Vergegenwärtigung aller Auswirkungen einer zunehmenden Überalterung scheint die These von strukturell tieferen Zinsen über die nächsten Jahre indessen zu bestätigen. Die Finanzmärkte werden allerdings Mühe haben, demographische Entwicklungen direkt in die Bewertung einfliessen zu lassen, zu unsicher sind die Richtung und das Ausmass der Einflussfaktoren. Der als Folge demographischer
Veränderungen anhaltende strukturelle Druck auf die Zinsen kann jedoch durchaus noch einige Jahre andauern.
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