Banken müssen beim Mobile Payment aktiver werden
«Bei der Anwendung von Mobilfunktechnologien hat Europa im Vergleich mit den USA bisher noch einen Vorsprung von etwa einem Jahr – ein Vorsprung, der früher doppelt so gross war und weiter schmilzt», erklärt Key Pousttchi, Leiter der Arbeitsgruppe Mobile Commerce am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Systems Engineering der Universität Augsburg. Mit SEMOPS könnte ein universelles mobiles Bezahlsystem entstehen – sowohl für den E- und M-Commerce als auch für stationäre Händler und Automaten. Das System soll unabhängig von Endgeräten sein und setzt auf ein standardisiertes Verfahren zwischen Mobilfunkanbietern und Banken.» Seit Januar 2007 befindet es sich in der Phase SEMOPS II. Dabei wird es auf Testmärkten in Italien, Griechenland und Ungarn eingesetzt. Parallel dazu werden M-Payment-Geschäftsmodelle untersucht und entwickelt. Als einziger deutscher Partner ist die Universität Augsburg mit der Geschäftsmodellforschung befasst.
Kooperationen zwischen Mobilfunkanbietern und Banken
In Europa gibt es in Spanien und neuerdings auch in Belgien nationale Kooperationslösungen zwischen allen Mobilfunkanbietern und marktführenden Banken. In Deutschland war ein entsprechender Ansatz mit dem «National Roundtable M-Payment» vor zwei Jahren gescheitert. «Wir haben die Modelle von 2005 inzwischen wesentlich weiterentwickelt und sind optimistisch, dass sinnvolle Lösungen möglich sind. Mehrere grosse Banken haben sich in den vergangenen Monaten intensiv mit dem Mobile Payment beschäftigt, aber letztlich hat keine ein überzeugendes Konzept vorgelegt und den Wurf gewagt. Wir hoffen, dass sich auf dem deutschen Markt wieder etwas mehr bewegt, wenn im Januar zwei der vier Mobilfunkanbieter auch offiziell wieder im Mobile Payment aktiv werden», so Pousttchi.
Entwicklung eines standardisierten Verfahrens fraglich
Fraglich ist nach Meinung von Omar Khorshed, Vorstandschef des Düsseldorfer Abrechnungsdienstleisters acoreus , ob es den Mobilfunkbetreibern und Banken gelingen wird, gemeinschaftlich ein standardisiertes Verfahren zu entwickeln. «Für den Handel dürfte diese Einigung zudem sehr teuer werden, wenn man sich an den derzeitigen Preisen für mobile Bezahlverfahren der Mobilfunkunternehmen orientiert – etwa bei Diensten wie Premium-SMS. Zudem werden sich proprietäre Verfahren nur schwer durchsetzen, wie die Vergangenheit gezeigt hat», so die Bedenken von Khorshed.
Vorsichtige Banken – Impulse von Google und Apple?
Banken seien mit den wenig erfolgreichen mobilen Initiativen eher vorsichtig geworden und werden in diesem Prozess sicherlich keine Vorreiterrolle übernehmen, prognostiziert der Billing-Experte. Der Mobilfunkkenner Michael Sander, Geschäftsführer der Unternehmensberatung TCP , sieht das ähnlich kritisch: «Eigentlich war es ein grosser Glücksfall, dass es Europa gelungen ist, mit GSM einen Weltstandard zu entwickeln. Vielleicht muss man sich dazu in Erinnerung rufen, dass GSM früher Groupe Spéciale Mobile hiess und es einige Visionäre wie den damaligen Postminister Schwarz-Schilling gab, die den Markt und die Voraussetzungen für digitalen Mobilfunk geschaffen haben. Eine solche Gruppe und derartig klare Visionen gibt es heute nicht. Stattdessen sollen bürokratische Forschungsprojekte und staatliche Hochschulen die Ideen generieren und Anschubkräfte auslösen, um ein neues Standardisierungsniveau zu erreichen. Das ist zum Scheitern verurteilt», glaubt Sander. Impulse könnten von Branchenaussenseitern wie Google oder Apple kommen. «Vielleicht auch aus Asien oder Afrika, da dort ohnehin eine viel höhere Präferenz für den Einsatz von Mobiltelefonen im Alltag herrscht», weiss Sander.
Afrika: Aus der Not eine Tugend gemacht
In afrikanischen Ländern wie Nigeria oder Kamerun habe sich das Handy als bargeldloses Zahlungsmittel bereits fest etabliert, bestätigt Bernhard Steimel, Geschäftsführer der Düsseldorfer Unternehmensberatung Mind Business Consultants «Hier hat man aus der Not eine Tugend gemacht, da es kein flächendeckendes Bankensystem gibt. Basis des afrikanischen M-Payments sind die Guthaben der Handybenutzer auf der SIM-Karte. Für bargeldlose Einkäufe überträgt der Kunde den gewünschten Betrag auf die SIM-Karte des Verkäufers. Dazu benötigt er nur die Telefonnummer des Verkäufers und den entsprechenden Systembefehl, den er dann mit der zu übertragenden Höhe der Überweisung› in sein Handy eintippt. Und schon ist der gewünschte Betrag von seiner SIM-Karte auf die des Verkäufers übertragen», erläutert Steimel. So könne man selbst in abgelegenen Dörfern Zentralwestafrikas mit Sicherheit eine ältere Dame finden, die unter einem schattigen Baum ihre eigene «Bank» betreibt: «Auf einem Stuhl sitzend, ein Schild mit den angeboten Bank- und Telekommunikationsservices vor sich, ist sie stets bereit und in der Lage, gegen Bargeld und eine kleine Gebühr Überweisungen in andere Landesteile vorzunehmen», sagt Steimel.
Die bevorstehenden aktuellen Entwicklungen auf dem Mobile-Payment-Markt werden Diskussionsthema auf der 8. Konferenz Mobile Commerce Technologien und Anwendungen (MCTA 2008) sein, die am 28. und 29. Januar 2008 von der Universität Augsburg veranstaltet wird. (pte/mc/pg)