Hintergrund sind erhebliche Verzögerungen in den USA beim Start der auch Basel II genannten Regelungen. Die Richtlinien, die vor allem eine risikogerechtere Unterlegung von Eigenkapital der Banken global regeln, sollen nach den bisherigen Plänen 2007 in Kraft treten. Dies könnte sich nun aber auf Europa beschränken. Das EU- Parlament hat die Pläne bereits gebilligt. Die USA hingegen, die die neuen Vorgaben vor Jahren selbst angeregt hatten, kündigten eine erneute Verschiebung auf nunmehr mindestens Januar 2009 an.
«Grosse Sorge»
«Ich sehe mit grosser Sorge, dass wir im Grunde genommen jetzt vor einem Scheitern von Basel II stehen», sagte der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller, am Montag in Singapur am Rande der Jahrestagung von IWF und Weltbank. Ähnlich besorgt äusserte sich Sparkassen-Präsident Heinrich Haasis.
Nicht dramatisieren
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) warnte aber davor, die Sache zu dramatisieren. Die Gespräche zwischen der EU und den USA dauerten noch an. Dabei gehe es um die Anpassung der Zeitpläne und terminliche Koordinierung. Es sei völlig klar, dass in Europa keine Regelungen eingeführt würden, die in den USA erst zwei oder drei Jahre später folgten. Hintergrund für die wahrscheinliche Verzögerung sind auch erhebliche Unterschiede zwischen US-Grossbanken sowie den zahlreichen kleineren Instituten sowie Differenzen unter den vier amerikanischen Aufsichtsbehörden.
USA hat noch nicht einmal die politische Debatte begonnen
Er habe die Befürchtung, so BdB-Präsident Müller, dass die Amerikaner nicht einmal den Termin Anfang 2009 einhalten werden. Es habe dort noch nicht einmal die politische Debatte begonnen. Folge könnten einseitige, wettbewerbsverzerrende Sonderregelungen für amerikanische Banken und noch kompliziertere aufsichtsrechtliche Regelungen sein oder eine Komplettaufgabe von Basel II. Offenbar wolle nun auch Japan zunächst die Regelungen in den USA abwarten.
Unerwünschter Zustand
Dies alles sei ein «ausgesprochen unerwünschter Zustand», sagte Müller. Die deutschen Banken und Sparkassen haben sich nach Angaben der Branchenverbände BdB und DSGV mit grossem Aufwand und erheblichen Kosten auf die Einführung vorbereitet und sind gerüstet. «Wir müssen politischen Druck machen», forderte Müller. In Deutschland würden die Sorgen auf politischer Ebene geteilt. Er wis se aber nicht, mit welcher Priorität der neue US-Finanzminister Henry Paulson «das in seinem Land tief hängende Thema» behandelt. Müller lobte in dem Zusammenhang ausdrücklich die Rolle des Chefs der deutschen Finanzaufsicht BaFin, Jochen Sanio. Dieser habe bei den Basel-II-Gesprächen eine «grossartige Schlacht geschlagen» und sei ein «guter Verfechter deutscher Interessen gewesen». Sanio werde international als kompetent und durchsetzungsstark hoch geschätzt.
Sanio «fachlich anerkannten Mann»
Vor dem Hintergrund der Spekulationen über die Zukunft des obersten deutschen Finanzaufsehers wegen der Betrugsaffäre in dessen Behörde sagte Müller: «Es wäre sehr bedauerlich, wenn wir Sanio für solche Gespräche entbehren müssten.» Sparkassen-Präsident Haasis nannte Sanio trotz mancher Meinungsunterschiede einen «fachlich anerkannten Mann». Es sei aber Sache des Finanzministeriums, die Vorgänge bei der BaFin aufzuklären und dann darüber zu berichten. (awp/mc/gh)