Dies sagte Gurría in einem Interview mit der Westschweizer Zeitung «Le Temps» vom Samstag. «Konzentrieren wir uns lieber auf die grosse Aufgabe, die uns bevorsteht, und auf die Konsequenzen eines Misserfolgs.» Gurría verteidigte das Vorgehen seiner Organisation im Falle der Schweiz, die von der OECD auf eine graue Liste von Steuerparadiesen gesetzt wurde. Es sei nicht nur vorgängig informiert, sondern auch auf höchstem Niveau am Thema gearbeitet worden. «Wir haben gewarnt, dass die Maschinerie in Gang gesetzt wurde, dass sie nicht stoppt und dass eine Kollision bevorsteht», fügte er an.
Empfehlung missachtet
Er habe die Schweiz mehrere Male auf die Entwicklung der Situation hingewiesen. Nach dem Ministertreffen vom Oktober in Paris habe er Bern empfohlen, «einen Schritt in Richtung des Informationsaustausches zu machen», sagte Gurría. Die Schweiz hatte an dem Treffen nicht teilgenommen. In Abwesenheit war sie vom deutschen Finanzminister Peer Steinbrück wegen ihrer Steuerpraxis an den Pranger gestellt worden. Er hatte gedroht, die Schweiz künftig als Steuerparadies zu ächten.
«Ohren langgezogen»
Einen zweiten Schritt habe er am Weltwirtschaftsforum (WEF) vom Januar in Davos gemacht, sagte Gurría weiter. Er habe damals gesagt, dass «der politische Handlungsspielraum ausgeschöpft» sei. Staatssekretär Jean-Daniel Gerber und Bundesrätin Doris Leuhard hätten ihm dafür «die Ohren langgezogen». Gerber übte am Samstag in der Berner Tageszeitung «Der Bund» erneut Kritik an der internationalen Organisation. Deren «Schönheitslisten» mit sogenannten Steueroasen seien «kränkend» und hielten objektiven Kriterien nicht stand. Die Mitgliedschaft der Schweiz bei der OECD stehe aber nicht zur Debatte. «Die Vorteile überwiegen die Nachteile bei weitem.»
Schweiz in Berlin nicht mit dabei
Im Juni wird ein zweiter Steuergipfel in Berlin stattfinden – wohl erneut ohne Schweizer Beteiligung. Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück wird die Schweiz nicht dazu einladen, wie Jeanette Schwamberger, Sprecherin des Bundesfinanzministeriums, am Samstag auf Anfrage zu Medienberichten sagte. Der Grund ist, dass die Schweiz bereits am OECD-Ministertreffen in Paris gefehlt hatte. Da am Gipfel in Berlin die Diskussionen vom Oktober fortgesetzt werden sollen, erhalten auch nur die Teilnehmer von damals eine Einladung. «Es geht nicht darum, die Schweiz auszugrenzen», betonte Schwamberger.
Gurría sähe Schweiz gerne am Gipfel
Ob die Schweiz die Türe zum Treffen noch öffnen kann, indem sie sich aktiv um eine Teilnahme bemüht, ist unklar. Offen ist laut Eidg. Finanzdepartement (EFD) auch, ob Bern das überhaupt will. OECD-Generalsekretär Gurría sähe die Schweiz gerne am Gipfel. Eine Teilnahme lege er ihr «sehr ans Herz», sagte er in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag». Dass das Verhältnis zwischen der Schweiz und Deutschland angespannt ist, bedauert er. «Deutschland und die Schweiz sind zu stark verflochten und zu wichtig füreinander, als dass sie sich solche Konflikte leisten könnten.» (awp/mc/ps/02)