Zudem erwerben die Briten das nordamerikanische Investmentbanking- und das Kapitalmarkt-Geschäft für 250 Millionen Dollar in bar, wie die Bank am späten Dienstag mitteilte. Rund 10.000 der 25.000 Lehman-Mitarbeiter sollen unter dem Dach von Barclays ihren Job behalten. Der Teilverkauf muss aber noch vom Insolvenzgericht genehmigt werden. Am Morgen legten Barclays-Aktien in London um rund sieben Prozent zu.
Drei von fünf US-Investmentbanken am Ende
Mit der teilweisen Übernahme bestätigten sich Medienmeldungen vom Dienstag. Am sogenannten «schwarzen Montag» hatte Lehman Brothers wegen milliardenschwerer Fehlspekulationen Gläubigerschutz nach Kapitel 11 des US-Insolvenzrechts beantragt. Damit ist in der Finanzkrise bereits die dritte der einst fünf grossen US-Investmentbanken gekippt oder hat sich aufkaufen lassen. Auch auf deutsche Finanzkonzerne rollt wegen der Lehman-Insolvenz eine hohe Belastung zu. Die Pleite des grössten US-Versicherers AIG konnte indes erst durch einen staatlichen Notkredit über 85 Milliarden Dollar abgewendet werden. Entsprechend freundlich sieht auch der deutsche Aktienmarkt aus.
Lehman-Reste verkaufen
Lehman versucht derweil fieberhaft, das restliche Geschäft loszuschlagen, wozu auch die Vermögensverwaltungs-Tochter Neuberger Berman zählt. Sie wurde an der Wall Street einst mit 10 Milliarden Dollar bewertet, dürfte angesichts Lehmans Notlage nun aber erheblich weniger Geld einbringen, auch weil das Vertrauen der Kunden als schwer beschädigt gilt. Lehman hat als Käufer dem Vernehmen nach Beteiligungsunternehmen im Visier: Unter den Interessenten befänden sich Bain Capital, Hellman & Friedman sowie Kohlberg Kravis Roberts (KKR), hiess es. Ein Verkauf könnte bereits in den kommenden Tagen angekündigt werden.
Barclays braucht frisches Geld
Was aus dem europäischen und asiatischen Investmentbank-Geschäft wird, ist unklar. Hieran hatte Barclays kein Interesse. Bereits für das jetzt getätigte Geschäft müssen die Briten ihre Anteilseigner um frisches Geld bitten. Mehrere Aktionäre hätten bereits ihre Bereitschaft signalisiert, insgesamt 600 Millionen Pfund zu geben, hiess es. Es wäre das zweite Mal binnen weniger Monate, dass Barclays Kapital einsammelt. Erst im Juli hatten die Briten Investoren um 4,5 Milliarden Pfund gebeten. Denn die Finanzkrise hatte auch bei Barclays merkliche Spuren hinterlassen. Im ersten Halbjahr war der Gewinn um ein Drittel auf 1,72 Milliarden Pfund eingebrochen. Vor allem das eigene Investmentbanking hatte gelitten.
Komplettübernahme scheiterte
Die Briten waren am Wochenende als Käufer der gesamten Investmentbank im Gespräch gewesen. Das rettende Geschäft scheiterte aber an fehlenden Staatsgarantien. Das Scheitern von Lehman und die Übernahme des Wettbewerbers Merrill Lynch durch die Bank of America setzte die Finanzmärkten weltweit seit Wochenbeginn unter Druck. Die Aktie von Lehman erlitt praktisch einen Totalverlust. Nach den Berichten über den Teilverkauf stieg sie am Dienstag zum Börsenschluss wieder kräftig an.
Washington Mutual: Lage weiterhin undurchsichtig
Lehman war in der vergangenen Woche immer schneller in den Abgrund geschlittert. Am Mittwoch gab die Bank einen Quartalsverlust von 3,9 Milliarden Dollar bekannt. Mit der Insolvenz ist die erste US-Grossbank pleite. Zuvor waren bereits mehrere kleinere Institute umgekippt. Weiter undurchsichtig ist die Lage bei der grössten US-Sparkasse Washington Mutual. Laut Medienberichten ist der Finanzkonzern JPMorgan Chase an einer Übernahme des angeschlagenen Instituts interessiert; andere Medien berichten hingegen, es gebe keine Verhandlungen. (awp/mc/ps/33)