Wir sind dem Elefanten unserer Emotionen hilflos ausgeliefert: So lautet eine beliebte These der Moralpsychologie. Aber stimmt sie?
Von Daniel Graf (Text) und Kwennie Cheng (Illustration), Republik.ch
Wer noch nie dem Elefanten von Jonathan Haidt begegnet ist, hat derzeit wieder alle Chancen. Denn das mächtige Bild, das der amerikanische Psychologe in den Nullerjahren von der menschlichen Moral gezeichnet und 2012 in seinem Bestseller «The Righteous Mind» popularisiert hat, scheint wie für die unmittelbare Gegenwart entworfen. Der Aufstieg des Populismus samt Fake News und alternative facts; die störrische Macht gefühlter Wahrheiten gegenüber Tatsachen; das Auseinanderdriften der Gesellschaft; die Empörungsdebatten in den Arenen der Social Media – für all diese Themen, die uns heute umtreiben, scheint Haidts Theorie der «moralischen Fundamente» des Menschen schon vor ein paar Jahren wichtige Erklärungsansätze bereitgestellt zu haben.
Kein Wunder also, dass sie in aktuellen Sachbüchern wieder besondere Aufmerksamkeit erfährt. Und aus der Demokratie-Debatte ohnehin nie verschwunden war.