BCV-Prozess: Verteidiger nehmen Verfasser des Untersuchungsberichts ins Visier

Er hielt an seiner Meinung fest. Während zwei Stunden wurde Bernasconi von den Anwälten der sechs Angeklagten sowie der Staatanwaltschaft ausgiebig zu seinem Untersuchungsbericht befragt, den er zwischen November 2002 und Januar 2003 zuhanden der Waadtländer Regierung verfasst hatte.


Verteidiger kritisierten die Art und Weise
Der Staatsrat hatte den Bericht bestellt, weil bei der Kantonalbank (BCV) plötzlich ein grosser Reservebedarf aufgetaucht war und der Kanton zuerst 600 Mio und später sogar 1,25 Mrd CHF einschiessen musste. Die Verteidiger kritisierten die Art und Weise, wie Bernasconi die Untersuchung durchgeführt hatte. Bei den Einvernahmen der Bankiers und der Revisoren seien Grundrechte der Angeklagten verletzt worden.


Aussage gegen Aussage
So habe Bernasconi bei den Gesprächen nie darauf aufmerksam gemacht, dass eine Strafuntersuchung eröffnet worden sei und damit die Möglichkeit bestehe, die Aussage zu verweigern, kritisierte Anwalt Philippe Richard. «Es lag nicht auf der Hand, dass ein Strafverfahren läuft und dass die gegenüber Bernasconi gemachten Aussagen zum Untersuchungsrichter gelangen», sagte er weiter.


Kein gutes Haar am Bericht Bernasconi gelassen
Aus Bernasconis Sicht, war es damals offensichtlich, dass ein Verfahren läuft. Ausserdem sei aus seiner Einvernahme-Aufforderung an die damaligen Bankkader hervorgegangen, dass die Betroffenen nicht aussagen müssten. «Sie haben uns keine Alternative gelassen, als zu dieser Einvernahme anzutreten», konterte Anwalt Jean-Christophe Diserens. Auch sonst liessen die Verteidiger kein gutes Haar am Bericht Bernasconi. Der Ex-Staatsanwalt habe nur nach belastendem Material gegen die Bankkader gesucht und sie dann öffentlich an den Pranger gestellt.


Besorgt um Objektivität
Bernasconi liess sich darob nicht beirren: «Ich halte an allen Schlussfolgerungen meines Berichts fest», sagte er vor dem Bezirksgericht Lausanne, wo der Prozess schon seit zwei Wochen andauert. Der 300-seitige Bericht entspreche einer Voruntersuchung und gründe damit auf «Mitteln der Beweisführung». «Mein Leitfaden war die Sorge um Objektivität», erklärte er.


Prozess dauert noch bis Anfang Dezember
Der Prozess, der noch bis Anfang Dezember andauert, wurde am Montagnachmittag mit der Befragung von weiteren Zeugen fortgesetzt. Im Verlaufe der Woche sollen insgesamt 55 Personen angehört werden. Darunter befinden sich mehrere Waadtländer Politiker wie der derzeitige Regierungspräsident Pascal Broulis (FDP), der frischgewählte Grüne Ständerat Luc Recordon sowie die ehemaligen Staatsräte Charles Favre (FDP), Jacqueline Maurer (FDP) und Daniel Schmutz (SP). (awp/mc/gh)

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