Moneycab: Herr Fehr, Sie wollen das Schweizer Wahl- und Abstimmungssystem unter dem Label «Swiss Voting System» vermarkten. Die direkte Demokratie als marktwirtschaftliches Exportgut? Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Beat Fehr: Eine Radiosendung Anfang Juli war wohl der ausschlaggebende Moment. In dieser Sendung über die US-Präsidentschaftswahl, wurde über die Diskussion berichtet, dass UN-Beobachter die Wahl im November überwachen sollten, damit die ganze Wahl korrekt abläuft. Auch wurde erwähnt, dass 4 Milliarden Dollar ins Wahlsystem investiert würde, damit es nicht mehr zu einem Debakel wie vor vier Jahren käme. Dabei kam mir die Idee, dass man ja Schweizer Wahlbeobachter entsenden könnte, da diese sehr geübt sind. Gleichzeitig kam mir auch die Idee, den Amerikanern mit einer Marke ? «Swiss Voting System, Freedom of Voting» – mehr Vertrauen in ihr eigenes Wahlsystem zu bringen.
Warum hatte die Idee vorher niemand? Nehmen wir unser demokratisches Wahlsystem als zu selbstverständlich hin?
Ideen hat grundsätzlich immer jemand das erste Mal. Es braucht zur Idee jedoch auch noch Energie, Partner und etwas Zukunftsglauben, um sie in die Tat umsetzen zu können. Obwohl ich mich als Weltenbürger fühle, denke ich, dass die Schweiz noch einige ihrer geistigen Güter anderen zur Verfügung stellen kann. Die Grundpfeiler einer Demokratie sind das Vertrauen, dass die Volksvertreter von der Mehrheit der stimmenden Bürger gewählt worden sind. Dabei ist der Glaube, dass die Wahlen ohne Manipulation und rechtsstaatlich durchgeführt worden sind, die absolute Basis. Und Sie haben Recht; da bei uns immer alles optimal funktioniert, machen wir uns darüber viel zu wenig Gedanken.
Sie und Ihre Mitarbeiter haben die verschiedenen Wahl- und Abstimmungssysteme der Kantone und Gemeinden studiert? Wie sieht denn jetzt Ihr Produkt konkret aus? Welches ist das ideale Wahlsystem?
Wahlsysteme haben sich, wie Vieles andere auch, in den Jahrhunderten und Jahrzehnten stark verändert. Das «beste» Recht zeigt nur die Geschichte, d.h. das beste Wahlsystem wird von den Bürgern, welche die verschiedenen Systeme kennen und darum besser entscheiden können, erkoren. Generell ist das System mit der Möglichkeit für Brief- und Urnenwahl mit einzelnen Wahlzetteln sicher sehr effizient und wähler- sowie auch wahlauswertungsfreundlich. Unser Produkt erklärt anschaulich und mit Beispielen die vielen Details, die für Prozessoptimierungen verwendet werden können. Meiner Meinung nach ist das Basler System vom Aufwand und Ertrag her sicherlich eines der einfachsten.
Woher kommt das Know-How, um das beste Wahlsystem für den jeweiligen Markt zu kennen und künftig sogar Wahlberatungen anzubieten?
Etwa 8 bis 12 Personen haben sich seit Mitte Juli Tag und Nacht ausschliesslich mit den diversen Wahlsystemen und -prozessen auseinandergesetzt. Dies ergibt etwa 1 ganzes Mannjahr recherchieren, einlesen und analysieren. Wenn Sie in Google «Voting» eingeben, erhalten Sie 10 Millionen Hits. Vor allem sieht man dabei auch, was an anderen Systemen nicht optimal läuft. Ich denke, dass Personen, welche sich zum Beispiel in Amerika nur mit Wahlsystem-Untersuchungen beschäftigen, unser Schweizer System anders betrachten, als wenn wir ihnen dies von unserer Warte her erklären können. Durch meine 20 Jahre in der Funktion als Geschäftsführer einer Programmierfirma und Präsident einer europäischen Entwicklervereinigung ist das Analysieren von Prozessen und Vorgängen mein tägliche Arbeit.
Sie streben ein Label «Swiss Voting System» an ? ähnlich wie «Swiss Chocolate» oder «Swiss Watches». Was wird dieses Label bescheinigen und wer verleiht Ihrer Firma das Label?
Das Label «Swiss Voting System, Freedom of Voting» mit einem dazugehörigen Symbol ist eine von uns eingetragene Marke. Das Label soll Staaten, Gemeinden oder sogar einzelnen Wahlbüros helfen, Wählervertrauen in das dort angewandte System zu schaffen. Es wird von uns vergeben. Dabei zählen vor allem Korrektheit, Nachvollziehbarkeit, «Freedom of Voting», d.h. Wahlmöglichkeit der Prozesse und noch ein, zwei andere Punkte.
$$PAGE$$Als ersten Markt für ihre Firma haben Sie sich ausgerechnet die grösste Demokratie der Welt ausgesucht, die Vereinigten Staaten. Das ist in Anbetracht der bevorstehenden Präsidentschaftswahl Anfang November und der Probleme beim letzten Urnengang vor vier Jahren naheliegend. Aber ist die Zeit nicht viel zu knapp dafür?
Das ist eine gute Frage, nächste Frage. (lacht). Dies ist natürlich bei uns die meist gestellte Frage. Es tönt so, als wollte man den Fischen Trinkwasser verkaufen. Aber wenn Sie sich die diversen Diskussionsforen, welche sich gegen das e-voting auflehnen, oder wie in Kalifornien 14’000 elektronische Wahlmaschinen abgewiesen wurden, ansehen, denken wir, dass dort – wenn die Wähler genügend informiert werden – unsere vertrauensbildenden Massnahmen an einigen Orten eingeführt werden könnten. Es ist jetzt sicher die richtige Zeit, mit einem vertrauenswürdigen Wahlsystem etwas Wirbel zu machen.
Wie wollen Sie vorgehen? Wer sind Ihre Ansprechpartner in den USA?
Die letzten paar Tage haben wir mit Presse-Mitteilungen auf uns aufmerksam gemacht und dies wird sicher verstärkt so weiter gehen. Zusätzlich werden wir die Tausenden von Wahlverantwortlichen in den USA mit Informationen beliefern.
Sie haben ein sehr ambitioniertes Projekt gestartet und innerhalb von ein paar Wochen eine Firma gegründet und ein Dutzend Mitarbeiter eingestellt. Finanzieren Sie das alleine oder haben Sie Partner?
Das Projekt wird von mir als Hauptaktionär getragen und finanziert. Meine langjährigen Partner unterstützen mich, wo es nötig ist und sind auch finanziell beteiligt. Ein solches Projekt kann nur in einem Team durchgeführt werden und braucht Unterstützung von allen, dazu gehört sicher auch meine Familie. Mir ist es wichtig, dass Geld nicht einfach nur zum weiter Geld machen eingesetzt wird, wie z.B. Stocks oder anderes, sondern dass es in Form von Löhnen, Waren und anderen Dienstleistungen wieder in die Wirtschaft zurückfliesst.
Wie sieht Ihr Businessplan aus?
Das würde ich auch gerne wissen. Da wir bisher nur Ausgaben budgetieren können, haben wir uns eine zeitliche und finanzielle Limite gesetzt. Wenn das Geschäft ins Laufen kommt, dann ist ein Businessplan sicher das nächste, was unsere Aktivitäten steuern wird. Wenn gar nichts läuft, nützt uns ein Businessplan nichts mehr. Aber man soll das Fell des Bären nicht verkaufen, bevor er nicht geschossen ist.
Gehen wir davon aus, dass Ihre Geschäftsidee funktioniert. Wo sehen Sie weitere Zielmärkte?
Wenn ich von meiner Idee nicht überzeugt wäre, hätte ich nicht mit dem Projekt begonnen. Das Schöne an diesem Projekt ist, dass wir spätestens am 2. November 2004 ? am Tag des US-Präsidentschaftswahlen – wissen, wo wir stehen, das heisst wir haben einen sehr kurzen Feedback-Horizont. Vertrauensbildende Massnahmen in Wahlen können sicher in sehr vielen Ländern dieser Welt verbessert werden. Dabei ist es wichtig, dass sich die aktuelle Regierung Wahlen nach dem Motto «Swiss Voting System Freedom of Volting» gefallen lässt. Ich denke, wenn ich das System in Kuba eingeführt habe, werde ich mich pensionieren lassen.
Der Gesprächspartner
Jahrgang: 1954, Nationalität: Schweizer
Zivilstand: verheiratet, zwei Kinder
1997 Gründer, CEO und Entwicklungsleiter des Softwareentwicklungs-Unternehmens CADiware AG
1985-1997 Gründer und CEO CADitron AG und CAD-Distribution AG
Während 12 Jahren Präsident der europäischen AutoCAD Entwickler-Vereinigung ADGE.